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Die Kunst-Halle — 5.1899/​1900

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Nummer 19
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Imhof, Franz: Grosse Berliner Kunstausstellung 1900
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Hood, Fred: Französische Tapeten auf der Pariser Weltausstellung
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https://doi.org/10.11588/diglit.63303#0337

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Die Aun st-Halle

293

Nr. l9

auf schon defekten aufgeklebten Papierfragmenten
gegenüber. Das ist im Großen und Ganzen Alles
— für den Kenner vielleicht ausreichend, um auf
einen formensieheren, dekorativ glänzend veranlagten,
aparten und geschmackvollen Meister schließen zu
können. Aber dem Publikum ist die Würdigung
eines solchen Materials kaum ernsthaft zuzumuthen.
Unter den aus dem Ausland gekommenen
Malern hat man uns in Wilhelm Hammershöj,
Kopenhagen, einen hier noch Unbekannten vorgestellt.
Seine Malerei ist ganz Ton, Grau in Grau, freud-
und lichtlos wie manches Ibsensche Drama. Lin
Doppelbildniß „der Künstler und seine Frau", er-
scheint starr, trübe, verkümmert, wie zwei aus einer
frühen Kreuzabnahme Mantegnas herausgeschnittene
Köpfe von Leidtragenden. Intensiver im Ausdruck
wirkt die lebensgroße Figur eines Violonzellisten.
„Die Lhaussee" — eine einförmig öde Fläche mit
vereinzelten dürftigen Bäumchen. Einige lufterfüllte
Interieurs — aber nicht jene gewohnten behaglichen
Räume der übrigen Dänen, sondern eher un-
gemüthlich kühle Gemächer; dann ein nebliger No-
vembertag in Kopenhagen und andere schoben dieser
lichtscheuen Kunst, die ein Vergnügen daran findet,
unser Auge aus trübe dunstige Stätten zu lenken.
Da die Werke sämmtlich der Bramsen-Gallerie in
Kopenhagen angehören, brauchen sie bei uns nicht
hoffnungslos auf Liebhaber zu warten.
Zwei erste Namen vom Ausland sind noch zu
berücksichtigen: Gari Melchers, der Amerikaner,
und Emile Wauters, der Belgier — beide in
Paris lebend. Melchers holt sich seine Stoffe aus
den holländischen Fischerdörfern. Aber wie eigen-
willig herrscht sein Farbengeschmack, wie weiß er
sich, im Gegensatz zu anderen fremden Liebhabern
der gleichen Stoffe, frei zu halten von der zeit-
genössischen autochthonen Hollandkunst! Außer zahl-
reichen bäuerischen Typen gehören mehrere Porträts
und ein Paar nicht allzutief gefühlter Bibelbilder
zur umfangreichen Sammlung des Amerikaners.
Seine Farbengebung steht auch im Gegensatz zu der
oben geschilderten Art jenes Dänen. Heiteres sonniges
Kolorit, kein Schatten, keine Modellirung, alles
flächenhaft hell und froh, die Wiesen frühlingsgrün,
die Dächer knallroth, die Augen himmelblau und
groß aufgerissen bei unerwachsenen und erwachsenen
Mädchen, gemusterte Gewänder in unveränderten
Lokaltönen. Nichts hart und grell, nichts eckig und
ungekonnt wie bei gewissen primitiven, sondern breit,
sicher, frei entfaltet sich diese in der Wirkung an
lebhaft gefärbte Gobelins erinnernde Malkunst. Nur
selten weicht die Flächenhaftigkeit der Bilder
wirklichem Raumgefühl, z. B. auf der Leinwand
„die „Lootsen", die rauchend in einer geöffneten
Kammer sitzen. Man staunt, wie echt die in
Wirklichkeit raffinirte Melcherssche Kunst die blöden
plumpen Typen dieser Naturkinder zu geben weiß.
Natürlich gelingt ihr dann um so leichter die
Schneidigkeit eines pariser „Fechtmeisters", die
Eleganz einer Dame im Neitkostüm, einer andern im
grauen Kleide, rother Jacke und blauschwarzem
Federhute. Die Emmauspilger in einer holländischen
Fischerhütte sind prächtige lebensgroße Gestalten.
Minder reizvoll sind bei aller Ehrlichkeit der Natur-
wiedergabe einige weibliche Akte. Im Allgemeinen
gebührt der Melchers-Kollektion unsere lebhafte An-
erkennung.
Die Ausstellung der Arbeiten von Wauters
wird schon im vorderen Mittelsaale durch eine Riesen-

leinwand „Sobieski am Kahlenberge (I683)" vor-
bereitet. Solche Dioramen von Kriegsschauplätzen,
die im s7. Jahrhundert in Belgien und Frankreich
oft gemalt wurden, sind inzwischen ganz aus der
Mode gekommen. Welche packende Stimmung hat
der Künstler in diese ungeheure Perspektive der Um-
gebung von Wien gelegt; ein historisches Ereigniß
ist in den feinen Dunst eines Frühmorgens gehüllt.
Ist es derselbe Wauters, der dann in einem hinter-
wärts gelegenen Raume das kräftig hingesetzte
Bildniß des Herrn Iamar, Direktors der National-
bank in Brüssel, geschaffen? Auch der daneben-
hängende magere Kopf eines alten Herrn ist famos.
Weniger vollkommen als Kunstwerke scheinen mir
die hier ausgestellten Damenbildnisse; ich habe schon
Besseres dieser Art von Wauters gesehen. Ain
stärksten fesseln in dieser Sammlung, außer der Figur
einer dämonisch blickenden Zigeunerin im saloppen
Gewände, mehrere Ansichten aus Kairo, Tanger,
Rom, der Bretagne, sie sind im Ton und in der
malerischen Behandlung hervorragend gelungen.
Ich glaube, durch die obigen Ausführungen
meine Leser davon überzeugt zu haben, daß an dem
Erfolg der diesjährigen Berliner „Großen" auch die
Sonderausstelluugen nicht geringen Antheil haben.
Franz Imhof.
^riMLösische Gapekey
auf Ser pariser Weltausstellung.
Von Fred Hood.
^^Hie neue Richtung im Kunstgewerbe zeitigt die ab-
sonderlichsten Blüthen. Sie gestattet der Phantasie
den freiesten Spielraum, sie giebt deut Talente den breitesten
Raum, seine Kräfte zu entfalten, aber sie giebt auch dem
Thoren die günstigste Gelegenheit, die allerbesten Purzel-
bäume zu schießen. Man kann in Paris konstatiren, daß
die Möbel moderner Richtung bereits ganz gesunde vernunft-
gemäße Formen angenommen, die sich trotz aller originellen
Schwingungen und Linien ganz den praktischen Bedürfnissen
anpassen, und es ist gar nicht schwer,- zu erkennen, daß die
Münchener Maler und die Wiener Architekten in dieser
Hinsicht die Rolle der Führer übernommen und diesen Möbeln
erst den rechten Weg geebnet haben. Aber was die Möbel-
stoffe und die Tapeten anbetrifft, die stets zusammengehören
und nach gewissen leitenden Gesichtspunkten behandelt
werden müssen, so kann eigentlich von einem zielbewußten
Streben noch nicht die Rede sein. Ts ist, als ob man es
nicht mit einem neuen Stil, sondern mit wenigstens einem
Dutzend neuer Richtungen zu thun hätte; und die Münchener
Tapeten mit ihren stumpfen unbestimmten Farben, bei
denen eigentlich das Grau stets den Grundton bildet,
unterscheiden sich von den modernen französischen Tapeten
wie Tag und Nacht. Lin hervorstehendes Kennzeichen der
Münchener Tapeten ist es, daß die riesengroßen Muster
meist mit dem Grunde völlig zusammenfließen; es ist Alles
in demselben Ton gehalten, und die graublauen und grün-
grauen Tapeten kehren in allen Schattirungen immer wieder.
Aber welche Töne auch immer gewählt sind, sie sind stets
darauf berechnet, die leuchtenden Hölzer der Möbel zur
rechten Geltnng zu bringen. Darin gipfelt die ganze
Stimmung der deutschen Zimmer, welche die Münchener
Künstler in den Gebäuden der Invaliden-Lsplanade aus-
 
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