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Die Kunst-Halle — 5.1899/​1900

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Nummer 5
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Gustav, Leopold: Münchener Brief
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Allerlei Modernes
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Berliner Kunstchronik
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https://doi.org/10.11588/diglit.63303#0086

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70

4- Die Aunst-Halle

Nr. 5

besondere Vorliebe hegt der Künstler für die Stimmungen
des Frühmorgens und des Sxätmittags, welche mehrere
seiner Motive aus der Landschaft am Starnbergersee
empstndungsties ausdrücken. Ganz als Farbenstimmung
ist der „Ritterkamps" gedacht, über dessen Schlachtgetümmel
der tiesgelbgewölkte Pimmel sich wölbt, wenn er viele
Landschaften mit Nymphen und seltsamen Thieren be-
völkert, so schafft er auch da selbständig. Seine Märchen-
stimmung verliert nie den Kontakt mit der Natur. —
Mit welch schlichter Einfachheit schildert er ferner die
vatersreude Adams über das Wunder, das ihm in der
Geburt des „dritten Menschen" entgegentritt. Auch
Porträts sehen wir in Thiems Atelier. In dem Damen-
Bildniß erkennen wir das erreichte Ziel thunlichster Ein-
fachheit und Ruhe. Das Selbstporträt ist ungezwungen
und sprechend. Gleiches gilt auch von der flott hin-
gestrichenen Porträtskizze des Rezitators Tsckirch.
Merlei Moclernez.
n Pest I der unlängst erschienenen Zeitschrift „die
Insel" finden wir auch „Beiträge zu einer modernen
Aesthetik", einen Artikel, in dem der Verfasser, perr Meier-
Graefe, selbst einer solchen Kunst sich warm annimmt, die
„bis zum gewisser! Gradedie absolute Unfähigkeit"
offenbart, „wenn nur eine (Qualität gewahrt bleibt, die sich
als Unikum erweist." wir können uns nicht versagen, einige
der begründenden Sätze dieses tiefsinnigen Elaborats zur
Belehrung und Erheiterung unserer Leser mitzutheilen:
„Die ästhetische Konsumtion ist heute fast ebenso
selten wie die künstlerische Produktion geworden. Gleich-
zeitig mit der Spaltung von Massenkunst in Einzel-
kunst mußte sich der Massengenuß in Linzelgenuß spalten.
Es wurde ein Luxusgenuß daraus und der rafstnirtesten
einer; inan muß nicht nur sehr viel Geld heute haben, um
sich Kunst zu kaufen, sondern Ausnahmemensch sein, mit
ganz besonderen Sinnen begabt, um sie zu genießen. Sie
ist nur für wenige da, und diese wenigen brauchen im
klebrigen durchaus nicht zu denen zu gehören, an deren
Zuchtwahl der Allgemeinheit gelegen ist; sie sind durchaus
nicht die Bedeutenden des Volkes, die in irgend einer Form
für sein Wohl und wehe berechtigte Bedeutung haben; sie
sind eher mit allen Merkmalen des Dekadenten gezeichnet.
Es gehört keine Größe des Eharakters oder der Intelligenz
dazu, um Kunst zu verstehen. Die größten Leute unserer
Zeit haben bekanntlich gar nichts davon verstanden, und
was noch auffallender ist, die Künstler selbst verstehen in
der Regel das Geringste davon; die größten Thorheiten
über Kunst sind von Künstlern ausgesprochen worden. Die
heutige künstlerische Kultur ist nichts weniger als ein
Element der Gesammtbildung, dessen Aneignung nothwendig
ist, aus dem einfachen Grunde, weil die Kunst ausgehört
hat, in dein Gesammtorganismus eine Rolle zu spielen.
Ja nicht einmal aus den Geschmack hat unmittelbar
unsere Kunst einen entscheidenden Einfluß, selbst bei denen,
die in die tiefsten Geheimnisse ihrer Genüsse eingedrungen
sind. . . Diese immer mehr znrückzuckende Genügsamkeit
reduzirt auch ihre Ansprüche an das Werk selbst aus
ein räumlich Geringstes. Sie duldet die gröbsten Fehler
gn dem Werk, ja bis zum gewissen Grade die absolute

Unfähigkeit, wenn nur eine (Dualität gewahrt bleibt, die
sich als Unikum erweist, wir werden im Verlause dieser
Aussätze der relativen Berechtigung dieser Schätzungen im
Einzelnen genügend Rechnung tragen, uns vielleicht sogar
wieder zu sehr von dem Einzelnen erobern lassen. .
Wir erhalten ferner folgenden ebenfalls ernst gemeinten
Beitrag: Kunsturtheil. Line Episode, von Pans
von Basedow, Berlin.
Ein junger Maler stand Hochklopsenden perzens in
der Ausstellung. Dort drüben an der wand hing sein
Bild, das erste Bild, was er ausstellte. Er hatte darin
sein Bestes gegeben, eine machtvolle Symbolik; freilich, das
Publikum verstand sie nicht. Ls sah nur nackte Leiber.
Lange stand er und lauschte dem Urtheil des Unverstandes.
Er schämte sich fast seines Bildes. „Prachtvoller Körper —
der Busenansatz — die schön modellirten Beine — famoser
Akt." Ja — das sah man wohl, aber nicht die Seele.
Eine stille Träumer überkam ihn, man hielt ihn für einen
Nuditätenmaler und zollte ihm deshalb Beifall. Aber
seine zitternde Seele, das Sehnen nach dem pöchsten, das
in des Künstlers Brust loht, sah Niemand. . .
Und wieder blickte er aus. Er sah, wie ein Weib
aus sein Bild losschritt. Lange stand es davor, stumm,
starr, mit weitaufgerissenen Augen. Plötzlich ertönte ein
Schrei. Das Weib hatte ein Messer hervorgezogen und mit
heftigen Stößen das Bild zersetzt. Als man es packte,
sagte es nur mit kalter, müder Stimme:
„Das ist die (Offenbarung der Weibpsyche — wer
von Euch Thoren versteht das Bild? Ich habe es ver-
standen. Niemand sollte es mehr sehen, nicht mehr ent-
weiht sollte es werden durch blödes Anstarren der Ver-
ständtlißlosigkeit, nicht mehr entweiht durch die geilen Blicke
der Lüstlinge. Macht mit mir, was Ihr wollt. . ."
Als man bestürzt aus den jungen Künstler zueilte,
ihn beruhigen, trösten wollte, sand man ihn hocherhobenen
Pauptes, leuchtenden Auges. — Er wies alles Bedauern
von sich:
„was wollt Ihr — ich bin glücklich, denn ich bin
verstanden. Ich habe einen Erfolg gehabt, wie es keinen
zweiten giebt. Führt mir das Weib her, auf daß ich ihm
danke I"
X
Kei-Iiyep Utiyskschau.
1. -Aus dem Aünstkerhause.
^I^ie Leitung hat es dieses Mal init einer Ausstellung
ohne Fremde versucht und, wie mir scheint, mit
gutem Erfolg. Freilich ist das stoffliche Interesse für
Manche größer als das künstlerische, das ihnen die Mehr-
zahl der vorhandenen Bilder einflößt. Den Münchener
Maler E. wuttke hat eine umfassende Kollektion seiner
Studien und Gemälde, die aus einer Weltreise entstanden,
ausgestellt und das Ensemble durch dazwischen gehängte
Erzeugnisse der heimischen Kunstindustrie jener geschilderten
exotischen Länder reizvoll belebt: außer seltsam geformten Gold-
rahmen, noch durch polzschnitzereien, Seidenstickereien u. s. w.
wie schon die älteren Maler-Touristen bestimmte Effekte
unter fremden Pimmelsstrichen besonders aussuchten und
studirten, so hat auch wuttke das lebhafte Farbenlpiel der
 
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