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Die Kunst-Halle — 5.1899/​1900

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Nummer 7
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Galland, Georg: Ein Jahrhundert deutschen Idealismus
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Meyer, Bruno: Moderne Teppiche und Tapeten, [1]
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https://doi.org/10.11588/diglit.63303#0119

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Nr. 7

Die Run st-Halle -z-

99

fremden Einflüssen Englands und Schottlands in der
Malerei unrettbar verfallen, da man sich dort niemals
mit dem Erreichten zufrieden giebt . . .
Und so ist wieder die Zeit gekommen, da mit
der Morgenröthe des neuen Jahrhunderts — von
Süden her und zugleich tief von innen heraus — das
Lied der idealen Gestaltung zu uns drang. Denen,
die es zuerst verstanden, hat es wohl nie geschwiegen.
G. G.


INoMne Leppicke unü Lapeten.
Im Berliner Runstgewerbe-Museum.

ilde, Künstler, rede nicht! — die weise
Mahnung Altvater Goethes hätte sich Mtto
Eckmann gesagt sein lassen sollen, als
ihm der Einfall kam, zu seinen Knüpf-Teppichen, die
von den „Vereinigten Smyrna-Teppich-Fabriken" in
Schmiedeberg, Kottbus und Hannover-Linden aus-
geführt, eine theoretisirende Befürwortung zu schreiben.
So harmlos darauf los behaupten und schließen darf
doch nur allenfalls ein älterer Dorfschulmeister, wenn
er seinen Sechsjährigen die unergründliche Weisheit
des Schöpfungsplanes zu erörtern bestrebt ist. „Alle
neuen Bewegungen auf dem Gebiete des geknüpften
Teppichs haben mit dem feststehenden Vorurtheil,
daß ein orientalischer Teppich unbedingt schön ist und
ebenso unbedingt in alle Räume paßt, zu rechnen."
Für wen ist dies gesagt? Wer hat dieses „Vor-
urtheil"? Doch höchstens irgend ein Gegenstück zu
dem sammelnden Rentner in „Elzevir", der nichts
weiter weiß als: „Die schweinsledernen sind die
besten!" — „Der Orientale", werden wir belehrt,
„hockt mit untergeschlagenen Beinen auf niedrigen
Kissen. Dadurch wird das Gesichtsfeld sehr klein.
Wir sitzen jedoch hoch und überblicken den ganzen
Raum." Daher soll „die kleine Zier und der
muntere Reiz vieler Farbenflecken" dort am Platze
sein, nicht aber bei uns. Es ist aber doch wohl
handgreiflich, daß der Grundton für die harmonische
Gesammtwirkung eines Zimmers (als welchen auch
Lckmann den Teppich gelten läßt) nach dem Ein-
drücke auf denjenigen berechnet werden muß, der
möglichst den ganzen Znnenraum übersehen und auf
sich wirken lassen will und kann. Das ist aber nicht
der Sitzende, dessen Gesichtskreis meist noch viel mehr
als durch die niedrige Lage seines Auges eingeschränkt,
und dessen Aufmerksamkeit durch Anderes (Be-
schäftigung, Gespräch u. s. w.) abgelenkt ist, sondern
der frei aufrecht Stehende, der dort wohl ungefähr
ebenso groß ist wie hier. — Ferner lesen wir: „Der
orientalische Teppich ist für südliche Sonne gedacht."
Daher „das unruhige Geflacker (!) der reichen Farben
und Ornamente orientalischer Teppiche drängt sich
überall für unseren prüfenden Geschmack viel zu
störend vor." „Zn der glühenden Sonne des Südens
braucht das Auge starke Wirkungen koloristischer
Art, damit es bequem dieselben empfinden kann,
auch wenn es geblendet von dem farbigen Eindruck
der dortigen Landschaft ist. Wir hingegen lieben
diese starken Farben als ständige Umgebung nicht,
weil unsere Augen im matteren Lichte unserer Tage


sich eine größere Empfindlichkeit bewahren konnten.
Wir genießen gern den Reiz zarter Farbgebungen."
Die fixe Zdee von den Wundern der südlichen Sonne
verwirrt alle Vorstellungen. So haben im Vertrauen
auf sie z. B. auch die Anmteur-Photographen, die
die Grientsahrt unseres Kaiserpaares begleitet haben,
fast nur unterexponirte Aufnahmen nut nach Hause
gebracht, weil sie nicht bedacht und auch nicht ge-
sehen haben, daß die hellere Sonne auch tiefere
Schatten bewirkt, die schwer ausexponiren. Was
geht die südliche Sonne die Farbenharmonie der
Znnenräume an? Weiß doch am Ende Zeder, daß
der Orientale aus mehr als einem Grunde das
Znnere seiner Wohnräume ängstlich gegen das Licht
der Außenwelt absperrt; und nicht auf den geblendet
Eintretenden, der doch nichts sieht, ist die Harmonie
des Znnenraumes zu berechnen, sondern auf das an
die Dämmerung schon gewöhnte Auge. Und abge-
sehen davon, daß es auch genug Helle und sehr
„zarte" orientalische Teppiche giebt: weist nicht etwas
viel Elementareres und Fundamentaleres als die
wechselnde Stärke des Sonnenlichtes auf den dunklen
Teppich hin? Zst es etwa durch die „südliche
Sonne" Ztaliens bedingt, daß die pompejanischen
Wanddekorationen (fast ausnahmslos) sich auf
dunklen Unterschichten aufbauen? Und wie hier ist
nirgends ein solider Untergrund satter, kräftiger
Farbentöne ein Hinderungsgrund oder eine Beein-
trächtigung für die zartesten Farbenspiele, welche sich
in dein Raume als charaktergebende Hauptsache ent-
wickeln. Nur fällt es natürlich keinen: Zurechnungs-
fähigen ein, zu glauben, daß jeder dunkle Teppich
überall hinpasse. Nur grundsätzlich widerspricht
sich ein hell dekorirter Raum und ein dunkler Teppich
nicht; und ebensowenig eine „gradlinige und andere
geometrische Ornamentik" (was eine recht bedenkliche
Charakteristik für die Musterung orientalischer
Teppiche sein dürfte!) „zierlichen" Möbeln mit „ge-
bogenen Formen in weißem Lack und Gold". Oder-
müssen bei solchen Möbeln auch die Wände unten
vorgebaucht und oben nach hinten geschweift, die
Decke in Muschelform gestaltet, und wohl gar der
Fußboden wie ein erstarrter Wogenschwall gebildet
sein? — Des Weiteren wird auch noch die „obligate
Borde" des Teppichs für ein „Dogma" erklärt, da
sie „weder nothwendig als Form, noch durch die
Technik bedingt" ist. Zch bescbeide mich, so durch
und durch versempert zu sein, daß mir das genau
so verständlich und verständig klingt wie die nationalen
Gesänge unserer neuesten „deutschen Brüder" in der
Südsee.
Zndessen eine theoretische Begründung einer
Kunstleistnng ist nicht diese selbst. Seine Berechtigung
zu schaffen, braucht Niemand erst künstlich für sich
zu beweisen, und von den thörichtesten Recht-
fertigungen eines Künstlers, die er seinen Werken
mitgegeben, würde man sicherlich schweigen, wenn er
sie durch sein Werk selber in Vergessenheit brächte.
Das ist hier leider ganz und gar nicht der Fall.
,MonZs antiqus" ist aushaltbar, aber ganz gleich-
gültig. „Rondo" — „Tiger" — „Diclythra" — See-
krankheit! Lieber bis an die Knie in Rosen wie
Kohlköpse groß waten! „Silbergrau und Blau" —
empfehlenswerth, wenn es darauf ankommt, zu ver-
hüten, daß man sich irgend etwas bei dem Teppiche
denken könnte. „Blaue Note in Grau" — so unbe-
greiflich wie der Name; der blaßviolette Rand viel-
leicht das Scheußlichste in der abschreckenden Farben-
zusammenstellung. „Pastell" — hat von dem, woran
 
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