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Die Kunst-Halle — 5.1899/​1900

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Nummer 22
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Thomas, Bertha: Die Londoner Ausstellungen von 1900
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Imhof, Franz: Grosse Berliner Kunstausstellung 1900
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https://doi.org/10.11588/diglit.63303#0391

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Nr. 22

Die Aun st-Halle

Die jüngste Ausstellung des „As^v DnMsll -^rt
6lud" hat den ziemlich schwankenden Ruf des
Instituts wieder etwas gehobeu. Mr. Wilson Steer
glänzt nut einen: Gruppenporträt, das in jeder
Sammlung imponiren würde. Fallen auch die übrigen
Darbietungen dagegen ab, so wird als Beweis, was
die moderne Landschafter-Schule will uud kanu, die
Ausstellung für Diele anregender und ermutigender
wirken, als die der Akademie und Amv (Fallsry.
Erwähnt sei von kleineren Ausstellungen eine zweite,
welche Nico Iungmann von seinen Aquarellen
und Fresken bei Dowdeswell in der Loncl Ltrset
veranstaltet hat, und die den günstigen Eindruck der
ersteu (in der „Kunst-Halle" s. Z. besprochen) mehr
als bestätigt. Sicherheit der Umrisse, Schönheit der
Farbe und genaue Detailzeichnung sind die Vorzüge,
deren Vereinigung seinen Studien aus dem Leben in
einem holländischen Dorf eine so hohe Anziehungs-
kraft verleiht. Und sein erwähltes Feld wird nach
dem zu schließen, was wir hier sehen, voraussichtlich
ein noch auf lange Zeit ergiebiges für ihn bleiben.
Meist sind es Einzelgestalten oder Köpfe, doch „Die
Heimkehr der Wallfahrer von Kevlaar" zeugt davon,
daß der Künstler sehr wohl versteht, ein figurenreiches
und komplizirtes Motiv wirksam zu behandeln.
Freunde alter englischer Bildnißmalerei wird die
Sammlung von Werken Nomneys in der Trafton-
Gallerie gewiß interessiren. Eine reiche Ausstellung
britischer Kunstwerke, welche das Publikum in
Schaaren nach der Guildhall zieht, umsaßt unter
vielen werthvollen Stücken berühmte Gemälde von
Holm an Hunt, Whistler u. A., die der heutigen
Generation nur in der Reproduktion bekannt sind.
Im Ganzen weist die Saison von OOO keine
Zeichen von Stagnirung, vielmehr Vieles auf, was
an sich erfreulich ist und frohe Hoffnungen für die
Zukunft erweckt.
krosse
kerlmer Kunstausstellung 1000.
VIll. Die Oesterreicher.
ie Wiener Kunstgenossenschaft hat nach-
träglich in zwei Sälen des Gebäudes
eine Ausstellung eröffnet, der man viel
Theilnahme entgegenbringt. Und die Herren ver-
dienen sie um so mehr, als die Sammluug unmittel-
bar nach Schluß des heimischen Salous unter be-
trächtlichen Schwierigkeiten befördert wurde; sie macht
überdies, nach dem Urtheil derjenigen, welche die
pariser Weltausstellung besuchten, einen besseren
Eindruck als der dortige Saal der Kunstgenossenschaft
und auch als die vorjährige Ausstellung der Wiener
bei uns. Diese Abtheilung mit über sOO Nummern
hat eine gerade sür die hiesigen Besucher sehr werth-
volle Eigenschaft: sie ist unterhaltend. Sie bietet in
reizvollem Wechsel Proben nahezu aller Gattungen
der Malerei, wobei auch moderne Technik und
moderner Farbengeschmack vielfach eine Nolle spielen.
Natürlich dominirt jenes bekannte künstlerische Wiener-
thum, welches mehr die Dinge von der hübschen
anmuthigen Seite betrachtet als in die Tiefe geht.
Und wo gar ein Maler oder Zeichner gedanken- und
phantasievoll sein will, wie A. Hoffmann-Vestenhof
und Heinrich Lefler, da erscheint er vielmehr phan-
tastisch, gesucht, geschraubt, bizarr. Um sich über

3A

meuschliche Thorheit zu ergötzeu, wählt Hoffmann-
Vestenhof in zwei koloristisch wenig erfreulichen Bildern
das karrikirte Gewand der römischen Antike. Auf
dem eiueu Bilde bewegt sich zwischen enger Architektur
eiue Prozession zu Ehren des goldenen Kalbes, dem
ganz vorn nackte Frauei: täuzelud voranschreiten. Die
andere Symbolik, die noch stärkere burleske Züge
verräth, stellt d:e Rechtsprechung eines idiotischen
antiken Knaben-Kaisers voi: hoher Tribüne herab
dar. Das Volk, durch eineu asketischen Führer aus-
gehetzt, verläßt zum Theil deu Saal; andere huldigen
mit Lorbeer den: kindlichen Purpurträger, dem die
Weisheit ebei: von den: Berather auffällig genug
soufflirt wird. Die meiste,: Näthe haben sich entfernt;
ein Zurückgebliebener hält gerade sein Mittags-
schläfchen. Und noch geschraubter iu seiner gedank-
lichen Umständlichkeit ist das in: Bunde mit Joseph
Urban ausgeführte kleinere dreitheilige Bild von
Heinrich Lefler. Aus dieser Gemeiuschaft eiues
Malers und eines Architekten ist ein Ganzes, in
Wahrheit nur eine aparte Tuschzeichnung hervor-
gegangen, an der auch das Ueberreich-Dekorative der
Staffage geradezu raffiuirt ausgeklügelt erscheiut.
Ls ist eine grauenerregende Illustration oder wenigstens
iu solcher Absicht geschaffene, mehr geistreich erfundene,
als echt empfundene Phantasie oder richtiger, eine
farbig gezeichnete kühne Paraphrase von L. A. poe's
„Maske des rothen Todes". Mögen unsere Literatur-
kenner entscheiden, was hier die trefflichen Künstler
dem ausschweifenden dichterischen Bilde noch schuldig
geblieben sind.
Zwei biblische Vorwürfe, so wenig auffällig sie
iu den: Ganzen auch wirke::, von L. Burger uud
Wilda, verdiene,: dennoch Beachtung. Burger
hat sei,: kleiues, koloristisch so überaus prächtiges
Triptychon, eine „pietä", in die Sphäre des Modern-
Bürgerlichen gezogen, wie das ja der Tendenz einer
heutigen biblischen Kunstrichtung, deren Vertreter bei
uns Uhde, in Frankreich Beraud heißen, entspricht;
und er nennt diese an dem aufgebahrten Thristus-
körper trauernde junge Frau, der sich aus deu kleinen
Flügeln je ein Kind, Knabe und Mädchen, anschließen,
schlechtweg „Leid". Wildas Richtung will dagegen
historisch und ethnographisch den Wünschen unserer
fortgeschrittenen Gegenwart entsprechen, als er diese
„Flucht nach Aegypten", zwischen den Stämmen von
Dattelpalmen, in den: nebligen Lufttone einer Gegend
Syriens oder Aegyptens malle und für die hl. Familie
die aus zeiteutsprechendeu Deukinälern abgeleitete,:
erotische:: Type,: wählte. Er ist zwar uicht vom
volksthümlichen Staudpuukte, wohl aber von: wissen-
schaftlichen genau so moderu, wie die andere,: Bibel-
schilderer; ob aber so malerisch erfolgreich, ist wohl
eine andere Frage.
Lin als Machwerk und durch seiueu gesunden
Humor erfreuliches Bildcheu ist der „Hahneukainpf"
vou Paul Ivanovits iu einer ungarischen Schenke,
famos in den männlichen Typen. Dann erwähne
ich eine größere Leinwand „Tharfreitag" von Alhin
Egger-Lienz; die düstere trübe Stimmung, die hier
durch die dunkle Färbung der Szene in einer Kirchen-
ecke oder Kapelle, der Bedeutung des Tages ent-
sprechend, erzeugt ist, wird doch erheblich absorbirt
durch einige bunte Lampions, auch durch die Un-
befangenheit zweier Kinder, die ebenso sehr den
Gegensatz zu der schwerinüthigeu Andacht eiuer
Beterin bildet. Ein österreichisches Schlachtengemälde
von Karl Pippich ist mit derber Sicherheit in
Hellen bunten Lokalfarben breit gearbeitet, doch ohne
 
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