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Die Kunst-Halle — 5.1899/​1900

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Nummer 23
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Gustav, Leopold: Die Münchener Jahresaussellung im Glaspalast
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M., C.: Dresdener Kunstbrief
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https://doi.org/10.11588/diglit.63303#0413

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Nr. 23

4- Die Aun st-Halle

36^

tauchte Bild der Frau Junker zu künstlich. Hermann
Junker bringt wieder sehr tüchtige Pserdebilder. Die
Thiere treten plastisch heraus und die Lichtwirkungen sind
nicht provozirt, dafür aber prächtig beobachtet. Auch das
Porträt eines Leutnants zu Pferd, das Bild ist wohl des
edlen Rostes wegen gemalt, sorgt mit gutem Glücke, daß
die hippologischen Interessen nicht die reinkünstlerischen zu
kurz kommen lassen. Caspar Ritter gehört auch zu den
Künstlern, die außerordentlich viel gelernt haben, was ihnen
abgeht, ist das Individuelle, ihnen eigentümlich Zugehörige;
wie tüchtig in der Technik und reizvoll in der Tönung des
Fleisches sind seine weiblichen Akte; wie chik seine Parise-
rin; auch das „Mädchen mit der Zeitung" kommt von
einem Boulevard, dann wieder die koloristisch interessante
Salome, etwa im Genre Hierl-Deroncos .... Wilhelm
Peter Bayer ist mit einem sehr zahmen weiblichen Akt
und mit einer ernsteren männlichen Aktstudie vertreten.
Carl Hollmanns Pastellkops einer Medusa erinnert an
derartige Sachen von Franz Stuck mittlerer Güte. Mehr
aber noch trägt das Landschaftliche in Abschied und Jung-
brunnen das dekorative Gepräge des Münchener Meisters.
Segissers Liebespaar in abendrothgetönter Landschaft
darf wegen seiner starken Stimmung immerhin nicht un-
genannt bleiben. Bon Landschastsbildern finden sich neben
vielen tüchtigen auch einige sehr gute von Wilhelm
Nagel und Alexander Koester; beide packen kräftig zu
und schildern in sattem, manchmal unerbittlichem Kolons-
mus das Gesehene; diese Landschaften bilden lpuusi den
künstlerischen Uebergang zu dem Saale des „Bundes".
Thoma, Schönleber und Kallmorgen; das künstlerische
Gefolge des ersteren ist das stärkste. Hans Thoma bringt
einen Säemann; mit zu Boden schauenden Blicken schreitet
der rüstige, alte Bauer, Körner streuend, über die braune
Erde des Ackers; ruhig und ernst. Der lichtblaue Himmel
erhöht den idyllischen Charakter; ein Bild, das alle Vor-
züge des schlichten, deutschen Meisters offenbart. Das
„Frühlingsmärchen" ist landschaftlich von tiefer Innigkeit;
aber dieser Engelreigen in der Lust ist das Gegentheil
aller Grazie. Diese Körperchen in ihrer eckigen Holzschnitt-
manier können unmöglich den Glauben ans Schweben in der Luft
hervorbringen. Außer diesen Bildern bringt Thoma noch ein
schlichtes, bieder-klares Selbstporträt. — Schönlebers
„Enzwehr" zeigt uns das an einem Berg vorüberfluthende
Wasser in der Beleuchtung des Vorabends, wenn bei noch
blauem Himmel die Schatten im Thale tiefer werden.
Interessant ist auch das bräunlich getönte Hochwasser im
Städtchen; man vergleiche dieses Bild Schönlebers in Ge-
danken der Art mit seines einstmaligen Schülers Ludwig Dill;
eine gewisse Verwandtschaft klingt da wieder hervor. Friedr.
Kall morgen hat wieder famose Bilder aus dem Hamburger
Hafer: gesandt; besonders die vielen Lichter des Abendbildes
sind koloristisch von großer Virtuosität. Kampmann ver-
sucht sich in seinem dunstigen Vollmondbilde mit geringerem
Glücke mit ähnlichen Beleuchtungsproblemen. Euler steht
der Thomaschen Naturauffassung sehr nahe; individueller
ist Conz; er weiß aus einem scheinbar reizlosen Wiesen-
rücken viel Eigenthümliches und Individuelles herauszu-
holen; das gleiche Bestreben giebt seinen Wolkengebilden
etwas Gigantisch-Uebertriebenes. Volkmanns Landschaften
mit ihren schön gelösten Schattenproblemen, Liebers per-
spektivisch hervorragendes Herbstbild, Luntz' schlichter
Blüthenbaum und die düster gestimmten Haidedörfer von
Biese und Des Coudres sind sämmtlich Werke von
persönlichem Reiz. Franz Heins „Märchen" sind schlicht,
innig und deutsch.
V^esöeyei- Utiyskbmef.
II.
Die Richtersche Hof-Kunsthandlung benutzte die
sommerliche Ruhe dazu, ihren Raum für eine Ausstellung
für wissenschaftliche Photographie, die viel Beifall sand,
herzugeben. In den letzten Wochen hat sie eine Sonder-

ausstellung von Werken Max Liebermanns veranstaltet,
die auch schwarztönige Werke aus der frühesten Zeit des
Künstlers bringt und die dadurch die wohl auch von den ein-
geschworenen blinden Verehrern des „Meisters" nicht zu
leugnende Eintönigkeit des Gesammtbildes wohlthuend
unterbricht. Für uns ist es setzt noch deutlicher zu Tage
getreten, daß Liebermanns Schaffen sich nicht zu den: aus-
gewachsen hat, was man vor Jahren, als er an die Spitze
der Naturalisten trat, erwarten konnte, wer kann heute
noch, wenn er ehrlich gegen sich selbst ist, sagen, daß diese
grauen, zum Theil schmierigen Bildern, auch nur im Ent-
ferntesten das geben, was viele andere von denen, die
früher unter seiner Fahne standen, bis heute erreichten.
Und wer, ohne unter der Suggestion des Namens des
einflußreichen Sezessionshauptes zu stehen, unbefangen die
Werke ans ihren inneren künstlerischen Werth hin be-
trachtet: muß der nicht empfinden, daß es da recht ärmlich
aussieht? Seine besten Werke aus den achtziger Jahren
hat er nicht übertreffen können, sa nicht einmal erreicht.
Die rasche Entwickelung unserer Kunstanschauungen läßt
ihn heute in der That schon überwunden erscheinen. Als
Zeichner bietet er sa oft Meisterhaftes, vollendet in der
geistreichen Art, Bewegungen uud Eindrücke wiederzugeben,
aber als Maler ist er nicht der, vor dem die Andern sich
in Demuth zu beugen Ursache hätten.
Der wolssrammsche Kunstsalon im viktoriahause
ließ den zuletzt besprochenen Belgiern eine Sonder-
ausstellung von Edvard Munch folgen: über sie zu be-
richten ist schon deswegen nicht nöthig, weil sie in der
Hauptsache dieselben Werke, wie die vorjährige Ausstellung
brachte, ganz abgesehen davon, daß man nicht immer wieder
über das, was einer will und nicht kann, tiefsinnig
Klingendes hören mag. Daraus sahen wir hier eine neue
Sammlung von Originalen der „Jugend". Auch die
gleichzeitige Ausstellung von Werken Walther Leistikows
verdiente und sand viel Beachtung, da sie in Bildern aus
verschiedenen Zeiten der Entwickelung des Künstlers einen
interessanten Ueberblick bot. Diejenigen Bilder, in denen
er die Stilisirung der Form nicht zu sehr übertreibt,
scheinen mir, da in ihnen auch seine blühende phantasie-
volle Farbengebung zur volleren Wirkung kommt, die werth-
volleren zu sein. Zur Zeit endlich bringt derselbe Kunst-
salon Sonderausstellungen von Ferd. Hodler, Hans von
Bartels und den Nachlaß des Pros. Lschke.
lieber den Genfer Ferd. Hodler kann man nach den
wenigen Werken, die hier zu sehen sind, nicht viel sagen:
das größere Bild „Die Enttäuschten" ist von früher
her hier genug bekannt als eigenartig fesselnd in seiner
strengen harten Malerei, die beim näheren Hinsehen mehr
ernstes eingehendes Studium verräth, als man zunächst
vermuthet. Die andern Sachen sind Studien und Entwürfe^
die eine harte altdeutsche Handschrift zeigen, ohne von dem
inneren künstlerischen Wesen des Künstlers viel zu ent-
schleiern. Weit genießbarer zeigt sich Hans von Bartels
mit einer stattlichen Reihe seiner Marine-und Strandbilder
zwei große Stücke geben nur die heranbrausende See ohne
Schiffe und Figuren am Strande. Man kann angesichts dieser
Werke wohl ohne Uebertreibung sagen, daß Bartels aus
diesem Gebiete unerreichter Meister ist: wie die wogen
mächtig von hinten heranrollen, sich überstürzen und mit
schäumendem Gischt sich ausbäumen, um sich dann mit Sprüh-
regen an den tangbedeckten Blöcken des Users zu brechen,
 
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