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Die Kunst-Halle — 5.1899/​1900

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Nummer 11
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Gold, Alfred: Wiener Kunstbericht
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Münchener Kunstschau
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https://doi.org/10.11588/diglit.63303#0195

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Nr. ff

Die Kun ft-Palle -z-

(67

Dom Kunstgewerbe können wir nicht Abschied
nehmen, ohne die Ausstattung der Lrpositionsräume
zumindest zu erwähuen. Josef Urban hat damit
ein eigenartiges, wienerisch liebenswürdiges und doch
— das betone ich gegenüber der Rezession — ge-
nügend diskretes Werk geschaffen. Zumindest aus
dem ersten Saal, der setzt kirschroth gebeizte polz-
verkleidungen und stellenweise schmiedeeisernes Schutz-
werk aufweist, wurde auch in der äußeren Form
etwas wie ein behagliches Kunstkabinet gemacbt.
Urban hat aber auch ein ganzes möblirtes Interieur,
Damensalon für ein Schloß, zur Ausstellung ge-
bracht: darin fände sich manches pübsche zur Be-
schreibung. Der Nanin dieser Zeitschrift verbietet
es heute. Ls wird ein andermal Gelegenheit sein,
auf die Versuche der wiener Interieurkunst und da-
mit im Zusammenhang unseres Industriemuseums
einzugehen.
Mittlerweile aber hat noch eine zweite Gruppe
der Genossenschaft im wiener Künstler Haus eine
Ausstellung veranstaltet. Ls ist eine Studien- und
Skizzen-Ausstellung des von 2s jungen Wienern: be-
gründeten Künstlerbundes „Pagen". Der Paupt-
sache nach sind diese Mitglieder freilich mit jenen
Aquarellisten identisch, die ich oben zur Rennzeichnung
der wiener halb akademischen, halb modernen Mittel-
mäßigkeitsschule anführte. Aber man darf nicht über-
sehen, daß ihnen hier die Technik der Gel- und
Gouacheskizze mehr Sicherheit und Festigkeit und
tausend Mal mehr Möglichkeiten nach den verschie-
densten Richtungen giebt als dort, in demselben Ver-
hältnis wie der Neichthum einer Deckfarben-Palette
größer ist als der einer Wasserfarbenskala. Man
erhält die Beispiele dafür in Bamberger, Strecker
und Ameseder, ferner in Zoff, der neben seinen
inittelmäßigen Kremser-Landschaften eine feine Pastell-
skizze „Dämmerung" beistellt. Germela bringt
farbige Zeichnungen aus Paris, etwa in der Manier
des polzbrands getönt, von einer noch nicht völlig
überzeugenden „Lleganz". Rasparides findet viel
Lob, doch kann ich mir auch denken, daß sein Spielen
nut schweren, sammtigen, öligen Tönen Viele nicht
befriedigt. Neben diesen Bekannten aber stellen sich
einige mehr oder minder neue Männer vor, und
diese verhelfen der Ausstellung zu ihrem eigentlichen
Sieg. Schmoll von Lisenwerth nut zwei wunderbar
feinen Licht- und Dämmerharmonien („Sommer" und
„Abend" in Mel); Rn irr mit einem gleichfalls sehr
delikaten, ein bischen freilich malerisch zugestutzten
Damenbildniß — beide sind wiener, die in München
arbeiten. Ferner Lck Hardt (in Prag) mit Pferde-
studien; Paßmann, ein phantastischer Zeichner, und
Nauchinger mit einer sehr bemerkenswerthen Rohle-
zeichnung, die aus dem Motiv „Landstraße" einen
ganzen Akkord von Stimmungs- und malerischen Wir-
kungen gewinnt. Und endlich noch Liner, ein Größter:
Wilhelm pejda. pejda trat seit einigen Jahren
mit Plastiken und Bildern hervor, aber bisher so
vereinzelt, so befremdend nut seinen gewissermaßen
aus einem unbekannten Ganzen herausgerissenen
Proben, daß er bei den Meisten nur als Ruriosität
einen Namen erhielt — bei den wenigsten als
Künstler. Nun kam er mit einer reichen Kollektion,
und dieses verhältniß kehrte sich um. Als Plastiker
siudet er sogar den größten Marktwerth; zumindest
wurde von seinen kleinen Bronzegüssen der eine
(Tiger, in brünstiger Gier ein Krokodil zerfleischend)
schon mehrmals bestellt. Line Bronze-Plakette (Böck-

linische Meeresszene, glänzend durchgeführt) mußte
gerechter weise aüch bald ihren Liebhaber finden.
Den lebendigsten Lindruck machen zwei Porträt-
büsten: die eine in schwarzem und weißem Marmor,
die andere in kolorirtem Gyps, Relief, mit Blumen-
motiven friesartig stilisirt. weniger Verständniß findet
der Maler pejda. Seine Pastelle — Abende in Sieben-
bürgen — find in blau-grünen Farben gehalten, mit
Schimmern von Abendröthe überhaucht: so satt, so
warn:, so tief, daß ein an unsere oberflächliche,
realistische Buntheit gewöhntes Auge in: ersten Mo-
ment zurückfährt. Pier spielt ein derartiges Moment
mit, das zunächst räthselhaft wirkt. Nun, wir wagen
es garnicht, dieses Räthsel sofort lösen zu wollen.
Die Kritik braucht sich bei diesem Künstler auch nicht
zu beeilen: ich glaube, er hat die Lwigkeit vor sich.
X
Aüycheyer Waystschgu.
E. Lammert hat im Kunstverein 36 Gemälde ver-
schiedenster Art ausgestellt. Pinter allen fühlt man gewiß
eine geistreiche Persönlichkeit, die jedoch in der Unruhe
ihres Schaffens sich zu einen: eigenen Stil noch nicht
durchzuringen vermochte. Malerisch an: besten sind die
Porträts. Ruhig und vornehm diejenigen des Geh. Raths
Brentano und des Monsignore Eerebotani. Eine große
Aehnlichkeit zeichnet auch die Porträts von Martin Greif
und Vr. M. G. Eonrad ans. Der greise Poet ist freilich
ein wenig feiertagsmäßig aufgefaßt und der Führer der
literarischen Jugend erscheint zehn Jahre jünger, als das
Signum ;<)00 zulaffen dürfte. Beiden Dichterporträts ist
als pintergrund eine spinatgrüne wiese gegeben; dazn
ist die Leinwand so eng abgeschnitten, was den Eindruck
des Seltsamen und Gesuchten noch erhöht. Durch die
gleiche Raumvertheilung kommt inan bei dem Brustbilds
von „Adam und Eva" in Versuchung, das erste Menschen-
paar für siamesische Zwillinge zu halten. In einen:
stimmungsvoll bläulichen Lichte zeigt uns Lammert „Gol-
gatha." Das Mittelkreuz ist frei; die beiden Schächer
hängen noch an ihrem polze. „Verlassene Menschen" nennt
der Maler etwas anfechtbar die große Leinwand. Auch
recht grüblerisch erscheint die „Versuchung", auf der besonders
die glänzend gemalten Augen des Teufels interessiren.
Eine Pieta hält sich glücklich dem Konventionellen fern,
ist aber etwas hart in der Farbe. Der Knabe in weiß
läßt erkennen, daß der Maler auch nut gewissen englischen
Vorbildern konkurriren zu müssen glaubt; ein anderes
Kind stellt er in die grellste Gartensonne; Einiges von
den landschaftlichen Sachen ist recht gut, es ist nur Alles
so ungleich, selbst auf einem und demselben Bilde. Eine
mit dein Spachtel hingehauene Windmühle steht auf einer
wiese, auf der, in der Manier unseres Schlierseer paider,
ausgetüpfelte perbstzeitlosen wachsen! Lammerts Initialen
und Kopfleisten zeigen auch mehr Esprit, als ästhetisch
Werthvolles. Diese Auflösungen des weiblichen Körpers
in Linien haben doch etwas viel zu willkürliches und
Natursremdesl — Ausgeglichener sind die Bilder von
Philipp Klein; die Dame in der herbstlichen Landschaft
nut dem wind kämpfend, ist ungemein stimmungsvoll.
Der Maler verwendet nicht viele Farben; seine Bilder
sind meist in bräunlichen perbsttönen gehalten, doch ist
 
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