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Die Kunst-Halle — 5.1899/​1900

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Nummer 9
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Berliner Kunstschau
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Kunstchronik
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https://doi.org/10.11588/diglit.63303#0162

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(38

Die Aunst-L)alle

Nr. 9

Aunstchromk

preisgekrönten Entwürfe noch übrig: Jank 8d Feldhauer
stellen als Aushängeschild für Liqneure sehr passend eine
holländische Schänkmamsell in Thätigkeit dar, und haben
dadurch die glückliche Bereinigung von realistischer
Schilderung mit symmetrischer und fast stilisirter An-
ordnung der Nebendinge eine wirklich stilvolle Leistung her-
vorgebracht. Der Rest gehört der Wichse, oder, wie G. v.
Finetti-München seiner und allgemeiner sagt: den „Leder-
Konservirungs-Mitteln". Sein Hockey, Riemzeug an einem
Stallpfosten putzend, ist ein famoses und wirksames Bild.
Alles aber zusammengenommen, was bei einem Plakate in
Betracht zu ziehen ist, dürfte unter den prämiirten dein
Berliner Pans Koberstein die Palme gebühren. Sein
Stiefel wichsender Pausknecht, einfach breit in Schwarz
gezeichnet und gegen einen rothen Grund gesetzt, ist eine
wirklich ideale Plakat-Erfindung. Schade, daß vermnthlich
keine Wichse-Fabrik in der Lage sein wird, sich einen so
kostspieligen Reklame-Luxus zu erlauben; ihre Anentbehr-
lichkeit hat es nicht nöthig!
Leider mangelt der Raum, um auf das mannigfache
Gute und Schöne, das für die Geschmacksrichtung des
Preisgerichtes ja nicht in Frage kommen konnte, in der
übrigen Ausstellung noch einzugehen. Rur ein Prachtstück
sei hervorgehoben als eine Leistung, die zeigt, daß den
Zwecken der „Plakatkunst" ohne Erfindung einer besonderen
Afterkunst, zu entsprechen ist. Wir sehen das lebensgroße
Brustbild eines jungen Mannes in schwarzem holländischen
Kostüm mit kegelförmigem breitkrämpigen Pute, ein
volles Champagnerglas in der pand, auf bläulichem Grunde
— eine Figur, wie aus einem Bilde von Franz pals oder
Ian Steen genommen. Das Preisgericht soll dein Bilde
gegenüber historische Beklemmungen gehabt haben; ob es
zur Zeit der genannten Künstler schon Sekt (in unserem
Sinne) gegeben habe. Kann es an sich etwas Gleich-
gültigeres für den vorliegenden Zweck geben? und für
eine Jury, die eine so hohle Attrappe wie den Liebmann-
schen „moulin rouZs" prämiirt?! Aber bekanntlich schwingt
Rembrandt auf feinem berühmten Dresdener Bilde mit
feiner jungen Frau auf dein Schooße ein Kelchglas mit
deutlich perlendem Wein; und Brillat-Savarin giebt an,
inan habe den Schaumwein bei den Banquets keimen ge-
lernt, die Karl Vl. voll Frankreich dem deutschen Kaiser
und bömischen Könige Wenzel zu Rheims im Mai des
Jahres (Z97 veranstaltet habe. — Die Sekt-Plakate dürften
überhaupt die bei weitem beste Abtheilung der Ausstellung
sein. Es find noch mehrere vorzügliche Entwürfe zu solchen
vorbanden. — Alles weitere muß auf sich bernbeu bleiben.
B. M.

Ein Preis-Ausschreiben für Plakat-Lntwürfe
ist von der Firma I. L. König 8: Lbhardt erlassen worden
und hat jetzt seine Erledigung gefunden. Am 20. Januar
war zu einer Vorbesichtigung der in einer Beletage der
Leipziger Straße ausgestellten Bewerbungs-Arbeiten ein-
geladen. wenn auch für (H (oder i8) „Branchen" Ent-
würfe verlangt, und daneben noch solche für andere zuge-
lassen waren, und wenn auch drei Paupt-Preise von (000,
7ZO und 500 M., sowie vier weitere von je 300 und noch
sechs von je 200 M. wohl eine starke Anziehung boten,
so hat die Betheiligung doch alle Erwartungen übertroffen:
über 900 Entwürfe find eingegangen, von denen aller-
dings über Zoo in einem Zustande befunden wurden, der
es gerathen erscheinen ließ, sie vor einein Zusammen-
treffen mit dem Lichte der Geffentlichkeit zu bewahren.
Die noch vorhandenen zwischen 5- und 600 Entwürfe bieten
eine große Mannigfaltigkeit der Ideen und Richtungen dar.
Trotzdem, so scheint mir, müßte das Asfichiren seinen Zweck
gänzlich verfehlen, wenn es bei dem Verdikt der berufenen
Jury als endgültiger Entscheid verbliebe. Aus verschiedenen
Gründen nämlich, die aus praktischen Gesichtspunkten, zu-
mal vom Standpunkte einer geschäftlichen Firma gebilligt
werden können, hat hier ein Preisgericht von entzückender
Eindeutigkeit gewaltet. Die kaufmännischen Mitglieder
dieser Jury haben sich offenbar taktvoll auf eine mehr
passive Assistenz beschränkt, um die „künstlerische" Beur-
theilung in ihrer ungetrübten Reinheit Gestalt gewinnen
zu lassen. So haben sie es ungestört geschehen lassen, daß
größtenteils Entwürfe prämiirt wurden, deren praktische
Unverwendbarkeit über allen Zweifel feststeht.
Von den ertheilten (5 Preisen sind acht nach München
gekommen, an fünf verschiedene Urheber; unter ihnen
auch der erste, der charakteristischer Weise zwei riesigen
Mchsenköpfen als Emblemen für Fleischextrakt zugefallen
ist (W. v. Beckerath). Ebendahin ist auch der zweite ge-
gangen, für ein Frauenzimmer, dessen eigener Dunstkreis
— dem Ansehen nach zu schließen — die Segnungen der
Parfums, zu deren Empfehlung es dienen soll, lebhaft und
dankbar empfinden lehrt — insofern also eine entschieden
sachgemäße Erfindung (Jank 80 Feldbauer). Den dritten
Preis hat eine Leipziger Dame, Josepha Licht, davon-
getragen, und zwar für ein — Bier-Plakat; eine menschen-
leere Dorfkneipe mit dürren Bäumen, gegen einen grellen
Abendhimmel gesehen. Da die draußen stehenden Fässer
wohl als leer anzusehen sind, bleibt kaum etwas Appetit-
erregendes übrig. Es folgen nun vier vierte Preise:
W. v. Beckerath verherrlicht die Seife durch eine mit
halbfingerdicker Kontur umzogene, aber sonst ganz nette
nackte weibliche Gestalt, die sich bebraust. Jank 80 Feld-
bauer verkünden den Ruhm eines „Zirkus Wilson" durch
ein im Rokoko - Iagdkostüm tour äs main reitendes Paar,
nicht ohne Anmuth. A. Liebmann-Berlin liefert einen
sn-tout-cas, zwei rothe Windmühlen in einer nach Form
und Farbe unmöglichen Landschaft; aber indem die „breit
angelegten" Flächen mit Schrift bedeckt werden, kann ihrer
unerträglichen Geschmacklosigkeit gradatim abgeholfen
werden. I. A. Seiler-München empfiehlt das Fahrrad,
indem er einen geklecksten Mann, eine Art Kind, wie man
es etwa unter dem Ausdrucke „Mondkalb" versteht, auf
einem solchen reiten läßt. An der Spitze der sechs fünften
Preise spaziert ein offener Flügel in offener Säulenhalle
bei sehr fragwürdiger Witterung — offenbar ein recht un-
gesunder Aufenthalt für ein solches Instrument —, ein
Entwurf, der meines Erachtens vom Wettbewerbe auszu-
schließen gewesen wäre, denn fein Linsender ist zur Zeit
„noch unbekannt", während die Ausschreibungs-Bedingungen
ausdrücklich die Mitsendung eines geschlossenen Couverts
mit der Adresse des Urhebers vorschreiben. Auch E. Edel-
Lharlottenburg (Nervenheilanstalt?) hat sich zum perolde
der pianofortebauer gemacht: eine Dame am Piano, die
sich als Plakat gewiß unvergeßlich einprägt: denn die
Uebelkeit, die diese Zusammenstellung von pellgrün und
pellviolett erregt, muß unfehlbar noch lange nachwirken.
Knüpfen wir daran sogleich G. Naeger-München, die auch
für Bier schwärmt, aber wohl nur in ihrer engeren peimath
mit dieser Art von Propaganda Anklang finden dürfte; sie
giebt ein gräßliches, .dickes Biermädel mit beiden pänden
voller Krüge. Sonach bleiben die wohl zweifellos besten der

* Berlin. Die Kgl. Akademie der Künste veran-
staltete zur Feier von Kaisers Geburtstag am 27. Januar
im großen Saale der Singakademie eine öffentliche Sitzung
in den üblichen Formen. — Akademie der Künste und Künst-
lerverein planen, wie man hört, für nächstes Jahr eine
große Internationale Kunstausstellung.
* Berlin. Auszug aus dem preuß. Staatshaushalt
für (900, Berlin betreffend: Zur Erwerbung des sog.
Akademie-Viertels Unter den Linden für die Kgl. Bibliothek
und die Akademien der Künste und Wissenschaften 7 300 000
Mark. — Neubau der Schloßbrücke in Charlottenburg Rest
von 2(2 000 Mr. — Neubau des anatomischen Instituts
der thierärztlichen Pochschule Z08 000 Mk. — Innere Ein-
richtung des vierten Stockwerkes des Ethnologischen Museums
86000 Mk. — Museums-Neubauten vierte Rate ( (00000
Mark. — Neubau der beiden akademischen Pochschulen dritte
Rate 750000 Mk. — Erweiterungsbau der Technischen
Pochschule zweite Rate 300000 Mk.
s Berlin. Ausstellungen. Die Kunstmalerin Marie
von Keudell veranstaltete vom (5. bis 27. Januar eine
Ausstellung ihrer Bilder und Studien in einem Lokal der
Potsdamerstraße. — Bei Eduard Schulte bietet die neue
Ausstellung vom 20. Januar bis (0. Februar ein ab-
wechslungsreiches Bild. Zunächst ist der Jagd- und ^port-
 
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