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Die Kunst-Halle — 5.1899/​1900

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Nummer 1
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Thomas, Bertha: Die Londoner Ausstellung in Knightsbridge
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Galland, Georg: Brüsseler Kunst
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https://doi.org/10.11588/diglit.63303#0016

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8

4- Die Kunst-Halle

Nr. l

so ist sie doch dazu angetban, auf unsere Kunst-
füuger einen unschätzbaren Einfluß auszuüben. Und
insofern hat die Gesellschaft jedenfalls den unein-
geschränkten Beifall Aller verdient. Es ist nur zu
wünschen, daß sie weiter bestehen und gedeihen
möge und die Begründer im Eifer nicht nachlassen.
Vielleicht sind die so sehr hochgesteckten Ziele, welche
zu Anfang xroklamirt wurden, nicht in allen Punkten
erreichbar. Menn aber im nächsten Jahr das
Ausland wieder stärker vertreten, und in den
englischen Erzeugnissen ein etwas kühnerer Auf-
schwung zu konstatiren sein sollte, so kann das neue
Unternehmen seinen Zweck als eine wahrhaft inter-
nationale Veranstaltung und seine für Künstler und
Kunstfreunde gleich wichtige Mission in: Lande nicht
verfehlen.

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Nrässeler s^aysk.

ie gewaltige Banthäjigkeit, welcher Brüssel in den
siebenziger Jahren den monumentalen Justizxalast
und die Anlage seiner innern Boulevards verdankte, hat
neuerdings keiner: auch nur annähernden Aufschwung der
Architektur zur Fortsetzung gehabt. Nichts beweist deren
heutige Unfruchtbarkeit so sehr, als die Thatsache, daß die jetzt
vorwiegende Richtung weit mehr französisches als vlämisches
Gepräge besitzt, und daß man nicht fähig ist, in der Residenz
des Landes, die bezüglich Pracht und Eleganz ihrer öffent-
lichen Plätze und Hauptstraßen wenige ihres Gleichen hat,
den reichen Formenschatz der vlämischen Renaissance im
modernen Geiste umzumünzen. . . Auch in der Malerei
scheint die glänzende Zeit der Gallait, waxpers und de
Biöfve unwiderruflich längst dahin, und was heute eine
gewisse Kritik gegen die Repräsentanten der belgischen
Historienschilderung großen Etiles tendenziös einzuwenden
liebt, läßt trotzdem die Pygmäen der jungen Malergeneration
nicht weniger unbedeutend erscheinen, während die Schöpf-
ungen jener ältern Meister in den Museen mit ihren
künstlerischen und malerischen Qualitäten fortgesetzt das
Erstaunen der Besucher erregen.
Heute ist in der belgischen Malerei, auch in der Plastik,
wieder der Landarbeiter, zumal der muskulöse Bewohner
der schwarzen wallonischen Bergdistrikte, zu Ehren gelangt.
Nachdem Alfred Stevens und seine Nachahmer ihren
monotonen Realismus in den Dienst der Schilderung der
bürgerlichen Gesellschaft gestellt, hat inan sich schließlich
nicht gescheut, weitere Konsequenzen des Naturalismus zu
ziehen. Für den eingeweihten Betrachter ist bei jeder dieser
durch die pariser Entwicklung hervorgerusenen Richtungen
eine vlämische Nuance leicht erkennbar, wie schon die
Madou und de Groux die Erinnerung an die Teniers und
Brouwer wachriefen, so ist neuerdings z. B. Eugene
Laermans nicht nur ein Schüler Millets, sondern vor Allem
des alten Bauernbrueghel. Deutlich sieht man das an dein
Gemälde des Musse Moderne von l.898, einer Landschaft
mit fünf Arbeitern, die in der Feierabendstunde wortlos
ihrem Dorfe zueilen, wobei Alle dieselbe schräge Körper-
haltung und stumpssinnig groteske Miene zeigen, ähnlich
übertrieben wie einst Pieter Brueghel seine Bauern ge-
staltete, freilich mit unvergleichlich mehr Naivität und

Humor. Das Musse Moderue ist sonst nicht gerade reich
an charakteristischen Proben der jüngsten Malerei und man
wird von ihr hier sicherlich keinen bedeutsamen und
dauernden Eindruck empfangen.
Dagegen erfuhr das Museum äußerlich eine Erweite-
rung. Lin länglicher Saal (X) mit alten reichgeschnitzten
Panneaux und Thiiren des f7. Jahrhunderts dient jetzt
zur Aufnahme von Aquarellen und getuschten Federzeich-
nungen von Madou, Lassiers,Hagemans, de Groux, Hagheu.a.
zumeist nicht mehr lebenden Malern. Auch der Aus-
gangssaal enthält, neben einigen Radirungen und Stichen,
besonders Pastelle und Studien älterer französisch-belgischer
Meister wie Ingres (Tod Lionardos), A. I. Decamps
(Zimbernschlacht), L. wauters (Köpfe und Studien),
Tschaggeny (f8f8—f8?z; Thierstudien); unter den Jüngern
verdienen Rops, der auf getuschtem Blatte eine Pariser
Dame von seltsam dämonischem Ausdruck giebt, Raffaelli
mit der interessanten Figur eines alten Krämers und einer
Ansicht des Nötre-Dame-Platzes, und L'Hermitte Hervor-
hebung. Am meisten Anregung empfängt der Besucher
aber in dem gleichfalls vor nicht gar langer Zeit ein-
gerichteten kleinen Saal XVI neben dem Ausgangsraum.
Hier hat man meist kleinere Stücke aus fast allen Epochen
des Jahrhunderts, von Reynolds und Goya anfangend,
zusammengestellt: von jenem genialen Spanier eine der
geistvollsten und packendsten Farbenstudien, eine Inquisitions-
szene, die wilden Fanatismus spiegelt, neben einem ent-
zückend helltönigen harmlos-heitern Mädchenkopf, von
David, der hier neben Ingres den französischen Klassizis-
mus vertritt, das berühmte einffgurige Gemälde „Marats
Tod", von Delacroix eine Farbenstudie „Apollon besiegt den
Python" sür ein Deckengemälde, bemerkenswerte Land-
schaften von Paul Huet, G. Eourbet, dem Schotten Macaulay
Stevenson (Abenddämmerung), vor Allem aber eine Anzahl
von Porträts von Reynolds, David, Gerard, Eourbet (Maler
Steveus) und unserm Lenbach, dessen Döllinger und Bischos
Stroßmayer ja zu seinen bekanntesten Arbeiten zählen.
Leider läßt sich die Entwicklung der belgischen Plastik
nicht so bequem in Brüssel studiren. Da das Musse
Moderne Skulpturen nicht enthält, hat man die jüngsten
Staatsankäufe resp. Geschenke dieser Gattung in dem großen
Skulpturensaal des Palais des Beaux-Arts mit den ältern
Arbeiten vereinigt. Die Zahl moderner Stücke ist hier
eine so geringe, daß danach eine Beurtheilung des heutigen
belgischen Realismus in der Plastik nicht möglich ist; wenn
sich diese wenigen Schöpfungen dennoch Geltung verschaffen,
geschieht das weniger in Folge ihrer unbestreitbar tüchtigen
Erscheinung als durch die auffällig schwächliche Leistungs-
fähigkeit der voraufgegangenen Epoche des Klassizismus,
dessen bekannteste Vertreter Willem und Jozef Geefs waren.
Der aus dem Haag stammende B. van Hove (f826—f8c>f)
hat in zwei am Boden hingestreckten Negersiguren in
Lebensgröße (Bronze), die er „Züchtigung" und „Rache"
nennt, die Natur schon viel schärfer angesehen. Aus der
Schule des Parisers Paul Dubois, des feinsinnigen Realisten,
dessen sitzende lebensgroße weibliche Porträtfigur das
moderne Kostüm in Marmor mit allen Details wiedergegeben
zeigt, sind wohl die jungen Bildhauer I. Dillens,
G. Charlier und P. Braecke, während I. Herein nut seinen
Bauerngestalten im Zusammenhang mit Constantin
Meunier zu nennen ist. Auf beiden Seiten fällt die Vorliebe
sür Volksgestalten auf, die ganz im Gegensatz zu den schönen
 
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