Universitätsbibliothek HeidelbergUniversitätsbibliothek Heidelberg
Metadaten

Die Kunst-Halle — 5.1899/​1900

DOI Heft:
Nummer 20
DOI Artikel:
Imhof, Franz: Grosse Berliner Kunstausstellung 1900
DOI Artikel:
Ueber dekorative Wirkung
DOI Seite / Zitierlink: 
https://doi.org/10.11588/diglit.63303#0356

DWork-Logo
Überblick
loading ...
Faksimile
0.5
1 cm
facsimile
Vollansicht
OCR-Volltext
3(0

-——B Die "Kunst-Palle —-

Nr. 20

mung der Szene außerordentlich sättigt, ein großes
pastös gemaltes Erntebild mit trefflich beobachteten
Schnittern, welche die Garben aufladen und einen
kleinen burlesken Bärentanz, der als altgermanisches
„Idyll" bezeichnet ist. Seltsam, überschwänglich, halb
hypermodern, halb altfränkisch, eine Verbindung
Sambergers mit von pabermann — so etwa wirken die
drei idealisirten Frauenporträts vonNaphaelSchuster-
W old an. Karl Marr hat dagegen nur zwei ein-
fache weibliche Kopsstudien gesandt; eine kleine,
dunkelgetönte Ackerlandschast von ihm wirkt wie eine
ernste Elegie.
An Bildnissen ist Mangel. Walter Thors
männliches Porträt erinnert in der Malweise mit
unvertriebenen Farbenflecken an w. Trübners Art.
Carl Rügers „Dame in Grau" am Klavier bildet
mit dem Noch und Braun der Zimmerstaffage eine
aparte Zusammenstellung. Die Schotten haben es
Manchem dieser Künstler koloristisch angethan: Man
sehe z. B. die Landschaft mit dem pflügenden Bauer,
von Ioh. D. polz, die nach schottischer weise bunt-
getupft ist, aber sie wirkt reizvoll wie das kleine
dunkle Straßenbild von demselben Maler. Die
Biedermeierzeit hat in p. F. Messerschmidt einen Ver-
ehrer gefunden; und wohl um die Wirkung des
Stillen, Friedlichen, des beschaulichen Geistes jener
Epoche besser zu treffen, wählte er bei seiner „Ver-
gnügungsfahrt" und der „Kleinen Stadt" mit der vier-
spännigen Extrapost den Abend/ich glaube, die
Nachwelt wird doch lieber bei Schwind und Spitz-
weg altfränkische Behaglichkeit kennen lernen wollen.
herrliche Arbeiten der Landschaftsschilderung
lohnen ungemein den Besuch dieser Abtheilung. Von
Pans Busse ist die wiese mit dem durchsichtigen
Wasserfall ein virtuoses Stück Malerei; von bedeu-
tender Wirkung ist dessen Berglandschast mit dein
mittelalterlichen Neiterdenkmal, das von dicken bläu-
lichen Nebelwolken gespenstisch umwallt wird. Franz
poch giebt auf einem seiner vier gleich ausgezeich-
neten Bildern herbstliche Birken mit bräunlichen
Blättern, aus einem anderen eine feine Flachlandschaft
hinter einem Dörfchen. Andersen-Lundby vertritt
in unserer flüchtigen Zeit die nicht allzuhäufig vor-
kommende Tendenz liebevoller Durchbildung: seine
„Waldlandschaft im Winter" verdient nach jener
Nichtung hin Beachtung. Th all in ei er sandte eine
spinatgrüne Flachlandschaft von srappanterperspektive.
Küstner schildert mit kräftig malerischem Ausdruck
deu Vorfrühling in einer Parklandschaft mit schmel-
zendem Eise. Fritz Baer und p. p. Müller geben
heimische Motive, der Eine pügel und wiesen mit
halbbewölktem Pimmel, der Andere weide und Wald,
mit bestem Gelingen. Großzügige Kraft liegt in
Fritz Naben di ngs steinigem pügelabhang, zwischen
dessen Blöcken sich weidendes Vieh bewegt. Die
Naturpoeten der Luitxoldgruppe sind endlich Th ar les
palmis und Permann Urban. Beide sind sehr
von einander verschieden, palmie findet in der hei-
mischen Natur, sei es in dem einsamen Theile eines
Parkes, sei es draußen vor einer kleinen Stadt, stille
Punkte und Ausblicke, die sich in die vom Künstler-
beabsichtigte ernste Stimmung ohne weiteres bringen
lassen. Urban wählt gleich Böcklin, dem er land-
schaftlich so sehr ähnelt, am liebsten die Motive süd-
licher Natur. Nicht die blaue Blume deutscher No-
mantik, sondern die rothe Blume des arkadischen
Wiesenteppichs sprießt am Saume seiner poesievollen
Olivgrünen Paine, am Ufer seiner tiefblauen Bäche,
in deren Nähe weiße Ziegen grasend wandeln. Gern

wiederhole ich es, die Landschaften der Luitpoldgruppe
haben uns auf dieser Ausstellung Anregungen ge-
boten, die wir so leicht nicht vergessen werden.
Franz Imhof.
X
Ueber dekorative Wirkung.
^^Her kürzlich nach Stuttgart berufene Architekt Prof.
Gustav Palmbub er hat dort im Verein für
dekorative Kunst und Knnstgewerbe einen Vortrag „Ueber
dekorative Wirkung" gehalten.*) Ls sind sicherlich nicht
nur Weisheitsworte gewesen, die der Redner seinen Zu-
hörern zum Besten gab, so die Bemerkung über den Unter-
schied der „Alten" und der „Jungen", von denen diese
„alles verneinen, was vorher war", während jene „sich alles
Vergangene zu Nutzen machen und so ein konventionelles
Ragout aus anderer Leute Schmaus brauen". Noch un-
geschickter als die gewählte Ausdrucksweise (Schmaus —
brauen u. s. w.) scheint wohl die hier gegebene Erklärung
von „Alt" und „Jung". Sie ist mindestens so gedankenlos
nachgesprochen, also konventionell, wie das geschmackvolle
„Ragout aus anderer Leute Schmaus", das die „Alten" an-
geblich nur auftischen. Man unterlasse doch überhaupt so be-
stimmte Definitionen durchaus schwankender Begriffe wie
„Alt" und „Jung". Selbst das Jüngste von heute wird doch dem
Schicksal des Altwerdens niemals entgehen. Und es mag
wohl viele geben, die selbst perrn Palmhubers Säulenhalle
am Berliner National-Denkmal für ein „Ragout aus anderer
Leute Schmaus" halten, das er für das ganz unzwei-
deutige Kennzeichen auch eines zum alten Eisen zu werfenden
Baukünstlers hält. Aber weder mit der Gewandtheit des
Schriftstellers und Rhetors Palmhuber, noch mit dein
geistreicheu Erklärer geschichtlicher Wahrheitsbegriffe haben
wir es hier zu thun, sondern ausschließlich mit dem be-
gabten Manne der baukünstlerischen Praxis. Dessen Ideen
verdienen in der That Beachtung, und wir freuen uns,
einige Sätze seines inhaltreichen Vortrags an dieser Stelle
wiedergeben zu können.
„. . . wir lernen aus der Natur direkt dekorative
Wirkungen anwenden, wir sehen bei den Alten, was in
der endlosen Reihe von Werken dekorativ hervorsticht.
Untersuchen wir nun zuerst die dekorative Wirkung
der Natur in Farbe, Form und Material, in Landschaft,
Thieren, Pflanzen und Mineralien, so werden wir gewahr,
daß nicht alle Natur dekorativ wirkend ist. Jedoch z. B.
in der Landschaft der Süden keineswegs mehr als der
Norden. Ein norwegisches Fjord mit seinen Schneebergen
wirkt gewiß ebenso dekorativ wie eine südliche Landschaft
mit ihren dnnklen Zypressen und ihren farbigen Menschen;
ein perbstbild ist unter Umständen nicht dekorativer als eine
Schneelandschaft, wir untersuchen vielmehr gerade das
beiden Gemeinsame und finden in der Landschaft dekorativ
wirkend: die Poesie, ruhend in der einheitlichen Stimmung
des Ganzen, die Perspektive, das vor und Zurück, die
Fleckwirkung der Farben in jedem Falle, die Spiegelung
im Wasser, also Symmetrie in freier, malerischer weise,
die Silhouettirung, die Verschiedenheit aller Details in der
*) Vollständig abgedruckt in den Mittheilungen,
herausgegeben vom obigen Verein. Kommiff.-Verlag von
Blumhardt 6c Baumann, Stuttgart (1. Iahrg. Pest P-
 
Annotationen