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Die Kunst-Halle — 5.1899/​1900

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Nummer 18
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Schwalbe, B.: Reform im Schul-Zeichen-Unterricht
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Imhof, Franz: Grosse Berliner Kunstausstellung 1900
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https://doi.org/10.11588/diglit.63303#0319

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Nr. s8

4- Die Kunst-!) alle -s-

277

maaßes auf den späteren Stufen immer neu gelehrt und
gelernt werden muß. Gb sich schon in Sexta die Darstellung
algebraischer Größen durch geometrische anbahnen läßt,
würde die Erfahrung lehren, daß dies in Euinta der Fall
ist, dafürsprechen dieBeobachtungen, die bei dem geometrischen
Zeichnen, das ;882-;892 obligatorisch war, gemacht
werden konnten.
Die Einführung des Zeichnens nach Sexta dürfte keine
Ueberbürdung herbeiführen, ebensowenig wie eine Stunde
Zeichnen in der ersten Vorschulklasse. Vb die Schüler der
zweiten Vorschulklasse schon mit Nutzen diesen Unterricht
erhalten können, müßte die Erfahrung lehren.
Die zweite Gruppe von Vorschlägen betrifft die
Methodik, und hier ließen sich ohne jeden Nachtheil Wege,
wie sie der Verfasser vorschlägt, versuchen. Die Vorschläge
brauchten nur in bestimmte Hensen mit bestimmt begrenztem
Inhalt umgeformt zu werden. Freilich würden die Lehrer,
die den Unterricht ertheilen, hier wie überall, wo es sich
mn Reformen handelt, das Wesen der Reform erfassen
und weiter gestalten müssen, und nicht blos die äußeren
Anforderungen befriedigen; nur dann wird man ein Urtheil
über den Werth der Neuerung erhalten können.
Mit dem Hrinzip der neuen Vorschläge werden sehr viele
vollständig einverstanden sein. Es ist ein viel beklagter
Mangel, der bei der Ausbildung der Jugend hervortritt,
daß sehr oft das Erschaute, Gesehene, überhaupt sinnlich
Wahrgenommeile dem Schüler gar nicht zum Bewußtsein
kommt, noch viel weniger ihr: zu klaren Vorstellungen
und Schlüssen führt, und er so nicht im Stande ist, diese
Eindrücke irgend wie zu reproduziren. Hierzu soll vor
Allem das Zeichnen dadurch veranlassen, daß der Schüler
gezwungen wird, das wahrgenommene in irgend einer
Form wiederzugeben, es soll das Zeichnen eine Sprache,
die Sprache der Anschauung, werden.
Es ist leicht, durch Zeichnung die Vorstellung wach
zu rufen z. B. eines Hausgegenstandes, (Tisch, Lampe),
einer Maschine u. s. w., unendlich schwer aber, ohne Hilfe
der Zeichnung dasselbe durch Beschreibung zu erzielen-
Schlüsse ans dem wahrgenommenen zu ziehen, wie es in
allen exakten Wissenschaften geschieht, ist nicht direkt Ausgabe
des Zeichenunterrichts, der eben jene Sprache lehren und
dadurch das verständniß für Kunst und exakte Wissenschaft
vermitteln soll. Daß diese Sprache unter Zugrundelegung
der Anschauung der Dinge (nicht nach Vorlage) schon früh
geübt werden muß, liegt auf der Hand, da in späterem
Alter Auge und Hand sich schwerer gewöhnen lassen als
in früherem Alter.
Der Verfasser verlangt vor allem, daß der Schüler
Form und Farbe, Hell und Dunkel, Licht und Schatten
direkt aus der Beobachtung auffasfen und wiedergeben
lernt; die Vorlagen und selbst die Zeichnungen des Lehrers
an der Tafel treten dabei höchstens nur subsidiär ein: die
gezeichnete Linie als Vorlage wird durch einen über eine
schwarze Fläche gezogenen Faden oder umgekehrt ersetzt
u. s. f. Das verlangen, daß dies nur kurze Zeit Gesehene
und Wahrgenommene sich als innerliches Bild gestaltet,
und daß diese Auffassung methodisch geübt werden müsse, ist
besonders in den Vordergrund gestellt, wenn die Fähig-
keit erlangt wird, daß das Gesehene sofort sich als Bild
einprägt, das dann zur Reproduktion kommt, so wird für
die Ausbildung in jedem Gegenstand ebenso wie für die
allgemeine geistige Fähigkeit außerordentlich viel

erreicht. Dies Erfassen der Eigenschaften mit einem
Blick, diese Einprägung derselben als Bild ist z. B. für
die Auffassung eines Geländes, die Auffassung eines
Kunstwerkes, den Ueberblick einer Schulklasse und saft
überall, wo es sich nicht um eine Einprägung einzelner
Worte handelt, von größter Bedeutung, wie diese inner-
liche Anschauung, dies innerliche Bild zu erlangen, dies
„Bildgedächtniß" zu üben ist, wird kurz angedeutet. Die
Erfahrung wird zeigen, ob bei methodischer Uebung dieses
so wichtige Ziel bei der Mehrzahl der Schüler erreicht
werden kann, oder ob hier ursprüngliche Begabung die
Hauptrolle spielt. Irr wie hohem Grade die Durchführung
dieses Vorschlags der Vorbildung für Auffassung der Werke
der bildenden Kunst zu Gute kommen würde, läßt sich
leicht ersehen.
Der Verfasser ist aber weit entfernt, den Schulunterricht
im Zeichnen als Vorbildungsunterricht für Künstler aufzu-
fassen; er verlangt nur, daß diese und ähnliche Vorschläge
beim Freihandzeichnen berücksichtigt werden sollen; sie
treten daher nicht als eine Negirung des Freihandzeichnens,
sondern als organische Weiterbildung desselben aus.
In dieser Richtung werden alle Vorschläge, die von
Künstlern gemacht werden, willkommen sein, weil es das
Streben der Schule seiu muß, die geistigen Fähigkeiten
nach allen Seiten hin zu entwickeln.
Möge die Schrift des Herrn Emanuel Grosser
auch in pädagogischen Kreisen wie in den Kreisen der
Kunst die Anregung geben, die darin berührten Fragen
weiter zu erörtern. Die Arbeit ist aus dem eigenen Leben
und der eigenen Entwicklung des Verfassers hervorgegangen,
so daß die Vorschläge, die gemacht werden, einem innerlich
empfundenen Bedürfniß entsprechen und auch individuelles
Interesse erregen werden.
X
grosse
kerliner Kunstausstellung >000.
III. Die Berliner (2).
as Aussuchen der aus fast alle Räume ver-
theilten Berliner Gemälde hat den gün-
stigen Gindruck, den Referent schon am
Eröffnungstage von der diesjährigen Ausstellung em-
pfing, erheblich verstärkt. Ist doch inzwischen sogar
die Münchener Abtheilung durch das nachträgliche
Eintreffen der Luitpold-Gruppe, die — in Berlin
zum ersten Male so vollzählig und geschlossen — unter
Hros. E. Marrs Führung austritt, zu einer bedeut-
samen Erscheinung aus der hiesigen „Großen" ge-
worden. wir bedauern unsere Betrachtung, die wir
in Nr. s6 gegenüber der anfänglichen Münchener
Enthaltsamkeit ahnungslos angestellt haben. Sie
hätte leicht vermieden werden können, wenn die Aus-
stellungsleitung nicht dieses Mal den Gang der Ge-
schäfte als ganz interne Angelegenheit zu betrachten
für richtig befunden hätte. Ls ist immerhin gut,
einmal sestzustellen, wo allein die Schuld einer mangel-
haften Information der fresse zu suchen ist und von
Neuem daran zu erinnern, daß mall in Künstlerkreisen
sich nur dailil herbeiläßt, Klarheit zu schaffen, wenn
die eigene Herson dabei in Frage kommt.
 
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