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Die Kunst-Halle — 5.1899/​1900

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Nummer 23
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Imhof, Franz: Grosse Berliner Kunstausstellung 1900
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Gustav, Leopold: Die Münchener Jahresaussellung im Glaspalast
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https://doi.org/10.11588/diglit.63303#0412

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Die Aun st-Halle

Nr. 23

wo wenig Stimmung und Innerlichkeit, dafür aber um so
mehr brutale Theatralik der Geberdensprache herrscht. Von
den beiden Freiherrn von Leder ström pflegt der in
München ansässige Künstler dieses Namens bekanntlich das
heitere Mönchsgebiet Grützners, während der andere einige
pistoriei: nicht mehr ganz neuen Datums „Mazeppa", „vor
der Schlacht" u. s. w. bringt. Bei beträchtlicher Energie
der Gestaltung besitzen die letzteren doch etwas auffällig
Unzulängliches in den: schwärzlichen Kolorit und dem ge-
ringen Ausdruckswechsel der Köpfe.
Durch koloristische Kraft und poetisch-phantastische
Wirkung fallen besonders die dunkeltönigen Arbeiten von
Gustav Ankarcrona „Kurier vom König", „In Feindes-
land" und „Die letzte Fuhre" auf, die wohl nicht ohne
Zusammenhang mit gewissen modernen Münchener Ten-
denzen sind. Ebenso verrathen die etwas sentimentalen
Bilder von Anna Nordgren (London) z. B. „Mutterhort"
und „verlassen", desgleichen das schwärzliche rauchersüllte
ländliche Interieur von R. Pall (Paris) nicht nur in den
Typen fremde Einflüsse, von retrospektivem Interesse ist
die Sammlung kleiner Melstudien des alten Karl Ludwig
Jessen, der als Vertreter der letzten künstlerischen Ver-
gangenheit Schwedens, vielleicht auch als Vorläufer der
nationalen Sittenschilderer der Gegenwart Würdigung ver-
dient. Ls sind auf diesen zwischen 1.865 und !8sto ent-
standenen sehr zahlreicher: Bildchen mit naiver Sachlichkeit,
trocken, prosaisch Bauernstuben mit bunten Wandvertäfe-
lungen, Bauerntyxen und päuseransichten aus Dörfern
Nordfrieslands wiedergegeben, ohne daß ein künstlerischer
Eindruck hervorgerufen oder nur beabsichtigt erscheint. Zu
solcher Bedeutung haben erst die begabten jüngern Kräfte
des volksmäßigen Genres ihre Arbeiten erhoben: die
Emerik Stenberg, Paul Graf, Axel Borg und vor
Allem Glos Arborelius, die mit ihrem frischen lebhaften
Farbengeschmack das Bauernvolk in Dalekarlien, pochzeits-
feste, Märkte im Winter, Sonntagsvergnügungen, Bauern-
stuben mit allerlei Pausrath und Kindern in buntleuchten-
den Kleidern schildern. Arborelius ist nicht nur von
diesen Künstlern der glücklichste Beobachter der nationalen
Volksfiguren beiderlei Geschlechts, sondern auch als rea-
listischer Darsteller der heimischen Natur zur Sommers-
und Winterzeit ein unübertrefflicher Meister.
Mn das Bild der schwedischen Malergruppe auf der
diesjährigen Berliner „Großen" abzurunden, seien noch die
Bildnisse von Emil und Bernhard Mestermann erwähnt,
die in dem schlichten Ernst der Physiognomik und ihrer
Dunkeltönigkeit wenig genug von der Moderne berührt er-
scheinen. Da ist das markige Porträt König Gskars in
Uniform, das Brustbild eines korpulenten alten perrn,
dessen rasirten rosigen Wangen sehr sorgfältig gemalt sind,
ferner ein bleicher perr im hochgeknöpften Mantel, ein
Damenbild in Schwarz mit beseeltem Ausdruck — lauter
tüchtige Werke, die nicht die ephemere Note der Gegenwart
besitzen und ebenso gut vor einem Menschenalter gemalt sein
könnten, wenn die Modelle nicht unsere Zeitgenossen wären.
Franz Imhof.


Die Münchener Iahresaussteünng im
Glaspalast.
von Leopold Gustav.

(II. Schluß.)
^U^ritz Erl er — auch Mitglied der „Münchener Gruppe
II G" — bringt zwei gute Porträts, besonders das eine,
grau in grau, einfashinoblerNervenmenschftftmalerisch
sehr reizvoll, wenig behagt mir die „Pest", eine rothgelbliche
Gestalt mit inantelartig erweiterten: wallenden püfttuch, selt-
samem Indianerkopfputz, um den Fledermäuse huschen. Durch
menschenleere Straßen schreitet sie; vorzüglich ist die Per-
spektive, man glaubt große Straßenlängen zu sehen. Ich
glaube aber nicht, daß man ohne Katalog gerade darauf
kommt, daß inan die Pest vor sich hat; auf den beide«:
Seite«: sucht die geängstigte Menschheit Vergessenheit: rechts
Uueollo 6t V6N6V6, links sich geißelnd vor einem
Madonnenaltare; alles in: rothgelben Lichte. Adolf
Münzer bringt zwei etwas stumpffarbige Dekorationsent-
würfe „Arbeit" und „Luxus"; der erstere zeigt einen dei: (Puai
entlang schreitenden Zug von unter des Lebens Mühsalei:
tiefgedrückten Proletariern, „Luxus" einen Zug vonFestgästen,
die sich nach reichlichem Diner im Garten ergehen. Unter
den Damen sind, neben recht harmlosen, vom Luxus Ent-
nervte; die perren jedoch sämmtlich behagliche Kupon-
abschneider. Voigt hat gute Landschaften, ruhig und intim
in der Stimmung, auch Rob. weises Bilder sind theil-
weise recht hübsch; das Draufgängerthun: der Uebrigen
fehlt ihnen.
Der Ausstellung des „Vereins Berliner Künstler"
mangelt es wohl an einem Mittelpunkte, der größeres
Interesse Hervorrufen könnte; doch ist Meyerheim mit
einigen recht guten Bildern vertreten. „Gute Freunde" —
Löwe und pund in einen: Käfige beieinander, ist ein Bild
feinster Naturbeobachtung. Umzug der Kunstreiter und
die verbrannte holländische Windmühle fallen durch ihre«:
vornehmen Kolorismus auf. Sonst liegt das Beste in dei:
Landschaftsbilderi:; hier stelle ich in die erste Reihe poff-
mann-Fa II erstellens stimmungsvollen Vktobertag und
Sandrocks farbenschöne wesermündnng; dann nenne ich
Basedow (Mnmmelsee), Douzette, Genzmer, Körner
und Müller-Kurzwelly.
Kampfs „Niederheinischer Schützenkönig" ist ein ganz
braves Genrebild; Schlabitz' Reichsgerichtsbilder nüchtern
referirend; Eichstädts „Emmaus" nicht allzu innerlich er-
faßt, auf dem Bilde St. Georg voi: Doepler d. I. ist der
weibliche Akt, nach der primitiven eckigste«: Art behandelt.
Schön in der Komposition ist Karl Beckers „Gnaden-
gesuch beim Dogen voi: Venedig", von den Porträts seien
genannt Koners elegantes Bildniß einer Geheimräthin;
das schlichte Porträt von Bennewitz von Loefen jr. —
lesender perr —, auch Meyn und Meng-Trimmis seiei:
erwähnt.
Karlsruhe sehen wir doppelt vertreten: Kunst-
genossenschaft und Künstlerbund. Der letztere mit
seinem jetzigen Führer Pans Thoma bringt im Allgemeinen
eine individuellere, ernstere Kunst, die Malerei der Ge-
nossenschaft üppigeren Kolorismus und gemeinverständlichere
Eleganz. Doch daß jedes Generalisiren seine Achillesferse
an sich hat, sehen wir gleich an der ernstgestimmten Land-
schaft Ferdinand Kellers, des bedeutendsten Mitgliedes
der Karlsruher Genossenschaft.
Der „pain des Poseidon" ist ein düsteres Gemälde
stärkesten Stimmungsgehaltes, das treffend das Gefühl des
frommen Schauders auslöft, mit dem der Grieche die ge-
weihte Stätte betrat. Dagegen erscheint mir Kellers Por-
trät diesmal weniger glücklich; sehr virtuos und elegant
in der Mache, doch zu glatt und höfisch kühl. Lin famoses
Porträt Professor Kellers bringt Propheter. Freilich
läßt sich über den Künstler wenig Neues sagen; äußerlich
von sehr bestechendem Kolorismus und ganz bedeutendem
technischen Können, sind diese Bildnisse Propheters doch
nicht sehr tief psychologisch erfaßt. Das werthvollste ist
jedenfalls das schlichte vornehme Porträt einer alten Dame
(seiner Mutter), ' dagegen ist mir das in Mondschein ge-
 
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