Universitätsbibliothek HeidelbergUniversitätsbibliothek Heidelberg
Metadaten

Die Kunst-Halle — 5.1899/​1900

DOI Heft:
Nummer 14
DOI Artikel:
Gustav, Leopold: München: Das Künstlerhaus
DOI Artikel:
Berliner Kunstschau
DOI Seite / Zitierlink: 
https://doi.org/10.11588/diglit.63303#0250

DWork-Logo
Überblick
loading ...
Faksimile
0.5
1 cm
facsimile
Vollansicht
OCR-Volltext
2^6

Die Run st-Halle

Nr.

sich ein Lenbachzimmer zu einem Riesenraun: ausgedehnt,
so haben sie den Festsaal der Künstler. Alles Glänzende,
was die Kunstblüthe der Renaissance hervorbrachte, hier ist
es zu einem harmonischen Ganzen vereinigt, Gobelins-
nachbildungen schmücken die wände und Kopien nach
Tizian, Morone etc. — Auch die kleineren Räume des Erd-
geschosses sind in gleichem Geschmacks: Lenbach und Kopien
von Lenbach, wohin wir blicken. Der Künstler unserer
Tage mag freilich in all diesen prächtigen Räumen, wenn
erst das Festliche verrauscht sein wird, das Gefühl des
Kleinmuthes nicht los werden; denn nichts Anderes als
etwa das elektrische Licht offenbart in diesem Künstlerhause
das zwanzigste Jahrhundert, wenigstens in den Neben-
räumen hätte sich ein modernes München mehr empfohlen,
als ein altes Florenz. Ts wird wohl Niemand glauben,
wir halten es für nothwendig, daß sich hier ein jeder kunst-
gewerbliche Springinsfeld breit mache. Doch giebt es wohl
noch mancher: Münchener Künstler, dem es ebenfalls zu
gönnen wäre, mit einem Bilde neben Lenbach dem „Einzigen"
und freilich verdientesten vertreten zu sein. Auch für die
Plastik lassen sich wünsche nicht verschweigen. Jener schon
erwähnte heilige Georg und der sog. Idolino hätten doch
nicht unbedingt das Originalwerk eines zeitgenössischen
Bildhauers verdrängen müssen. So traurig steht es am
Ende mit unseren Kunstzuständen heute noch nicht. Darum
herrscht in der Künstlerschaft keineswegs eitel Freude, wie
war das auch anders zu erwarten? viele freuen sich ja
aus Gewohnheit niemals des glücklich Gewordenen, sondern
verlangen Alles so, wie sie es wünschen. Auch das z. B-
erregt ihr Mißfallen, daß die Restauration des Hauses eine
öffentliche ist. Allerdings ist der Bau an und für sich schon
zu klein, um nur alle hiesigen Künstler zu vereinigen, und
Ausstellungsräume sind überdies nicht vorhanden. Doch wie
es nach Keberwindung der Schwierigkeiten geworden, ist
das Haus jedenfalls ein echtes Meisterwerk. Ls wird sich
zeigen, ob und wie sich seine Einrichtungen bewähren.
Hoffen wir vor Allem, daß dieses „Heim" der Münchener
Künstlerschaft ihr auch die Eintracht wiedergebe, so daß
der Spruch über der Pforte keine leere Phrase bleibe:
^rtillci porta patsns ssto.
X
t. vom K ü n st l e r h a u s.
Der „Verein Berliner Künstler" ist in die letzte Ver-
anstaltung dieses winters getreten und Dank der Beliebt-
heit, die der Meister der diesmaligen Hauptkollektion von
Bildern, der st Prof. H. Lschke als Künstler und Mensch
genoß, dürfen Publikum und Verein mit dem Schluß wohl
zufrieden sein. Prof. Ernst Körner, sein ehemaliger Schüler,
und der Sohn des verstorbenen, R. Lschke, haben das
Arrangement dieser überaus reichhaltigen Sammlung, die
über 100 Nummern umfaßt, mit Sachkenntniß und Ge-
schmack getroffen. Nur ein sehr kleiner Theil der Gemälde
befindet sich im festen Besitz; die große Mehrzahl der
Stücke repräsentirt den künstlerischen Nachlaß eines der
fleißigsten und verdienstvollsten Berliner Landschafter, dessen
Blüthe bis in die Mitte des verflossenen Jahrhunderts zu-
rückreicht. Lschke hat Dank der Klarheit seines Blickes für
die malerischen Schönheiten der Landschaft, die er am
liebsten in Verbindung mit dem Wasser schildert, der
eminenten Sicherheit seiner Hand und einer in Paris
vollendeten Schulung seines koloristischen Geschmacks es
frühzeitig zur anerkannten Meisterschaft gebracht. Und da
in seiner Jugend jene Maler en vo^us waren, die, wie

Fromentin und Hildebrandt, interessante Szenerien von
ungewöhnlicher Beschaffenheit des Bodens oder der atmo-
sphärischen Erscheinungen bevorzugten, so schloß auch er sich
solcher Art der Naturschilderung an. Diese gegenwärtige
Ausstellung zeigt in der That mehrere der einst so be-
liebten „Sonnenuntergänge" mit feuerrotster, etwas kompakt
gemalter Beleuchtung des Bodens und einer stillen Wasser-
fläche. Natürlich interessirte ihn auf seinen Reisen nach den
italienischen, norwegischen und Nordsee-Küsten die blaue
Grotte auf Kapri (t87p, mondbeleuchtete Fjorde oder Leucht-
thurmfelsen, an deren Blöcken sich die Wellen des Meeres
schäumend brechen. Als ein Spezialist solcher Darstellungen
war er namentlich bekannt und hochgeschätzt; aber gerade
diese Ausstellung beweist, wie er eigentlich Alles auf die
Leinwand gebracht hatte, was nur einen mit echt malerischem
Empfinden begabten Künstler reizen konnte: prachtvolle
Interieurs aus dem pariser Musse Lluny eine
Tischlerwerkstätte, Dorfansichten, Idylle bei Ostseebädern
und im Spreewald, Baumalleen u. s. w. und Alles gemalt
mit einer Verve und Ehrlichkeit der Behandlung, die heut-
zutage leider nicht zu oft getroffen werden.
Das Landschaftliche überwiegt auch dieses Mal in den
übrigen Räumen des Hauses. Der in Florenz ansässige
A. von Suckow bringt eine Anzahl bravonrartiger
Schilderungen aus dem Park zu Versailles, von Sizilien,
der Riviera u s. w. Sie tragen durch Auffassung, Be-
leuchtung und Staffage mit Architekturen, Ruinen, Stein-
blöcken manchmal heroischen Eharakter und wirken dioramen-
mäßig; jedenfalls fehlt diesen Arbeiten der feine malerische
Reiz, und die Stimmung, die erzielt oder beabsichtigt ist,
geschieht durch Farbenkontraste oder formale Effekte, liegt
also im Aeußerlichen. Mit stärkerer Kraft sind einige
Winterlandschaften und Ansichten alterthümlicher Orte von
Max Giese, Dresden, behandelt, aber von den Sachen,
die überwiegend zu derb und dekorativ gemalt sind, erfreut
nur Einzelnes durch tonige Feinheit und entschädigt so für
die zeichnerischen Mängel. Line Sammlung von ganz
kleinen Landschaften Max Kochs darf man als Idylle be-
zeichnen; der Künstler weiß namentlich für die herbstliche
Waldnatur die rechte Stimmung und den rechte:: Ton zu
finden; die Motive stammen zumeist aus der Mark und aus
Holstein. Famos sind die gelbbelaubten, aber auch die
blüthentragenden Bäume, trotz des kleinen Rahmens sehr
flott behandelt. Der künstlerische Nachlaß von Hans
Hartmann, Berlin, beweist, was für ein hochbegabter
Architekturmaler aus unserer Mitte ungewürdigt dahinging,
wie wundervoll sind die Mühlenszenerie aus Thüringen, das
Interieur der Markuskirche in Venedig, die Straßen-
ansichten aus Genua, Savona, Danzig, Breslau, die Moritz-
burg bei Halle u. v. A. Bemerkenswerth ist auch eine
frische, farbige, kräftige Fjordlandschaft von Henry Enfield;
auch die Blumenstillleben von Nees van Esenbeck und
Klara Goldmann verdienen Hervorhebung, dazu Figürliches
von Fr. paczka, ein markiges Herrenporträt und eine köst-
liche Mädchenfigur im weißen Prozessionskostüm.
Der Bildhauer Alfred Nossig führt sich in einem
Vorderraum des Hauses mit einer Sammlung von
Plastiken und einer selbstverfaßten Reklame ein, wie sie
in Paris wohl nicht ungewöhnlich, bei uns indeß nicht ge-
bräuchlich ist. wir lieben hier mehr die heimliche Reklame,
deren Ursprung man nicht erkennen soll. Die Ausstellung
des Nerrn Dr. Nossig, der einige Statuetten, Büsten,
Medaillons und Masken zeigt, berührt sehr sympathisch;
aber aus der ganzen Art, die mehr auf bizarre malerische
Effekte als auf tiefgründigen statuarischen Ernst hinaus-
geht, spricht doch zu deutlich der geistreiche Dilettant, dem
nur manchmal die echt künstlerische Lösung einer Aufgabe
gelingt. Dem „Ringer" z. B. fehlt es durchaus an
Originalität; die Mehrzahl der Entwürfe, wie „Der
Ewige Jude", „Juda der Makkabäer" u. A., wirkt immer-
hin frappant. Ohne jeden Einwand lasse ich dagegen die
kleinen zarten Porträtreliefs gelten; da herrscht eine feine
Empfindung, wie auch in der zierlich-poetischen Halbfigur
einer „Blumenfee". —
Indem wir von den diesmaligen Winter-Ausstellungen
im Künstlerhause Abschied nehmen, glauben wir dem Ge-
schäftsführer des Vereins, Herrn F. von Bayer, noch
besonders Anerkennung für das von ihm unter erschwerten
 
Annotationen