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Die Kunst-Halle — 5.1899/​1900

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Nummer 12
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Thomas, Bertha: Londoner Kunstbrief
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Berliner Kunstschau
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https://doi.org/10.11588/diglit.63303#0214

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4- Die Au n st-Halle

Nr. (2


Inspiration wenig verrätst. Die Zeichnung wirkt
angenehmer als die Farbengebung, doch ist das Werk
offenbar im Hinblick auf Reproduktion gemalt, wozu
es ganz vorzüglich geeignet erscheint. —
In außerordentlich freigebiger weise steuern
unsere Künstler zu dem Fonds für die Wittwen und
sonstigen Hinterbliebenen der im gegenwärtigen Kriege
gefallenen Soldaten bei. Die neulich eröffnete Aus-
stellung in der Gemäldegallerie der Guildhall enthält
über 300 Werke, die von ihren Schöpfern hergegeben
sind, um in einer für nächsten Monat angesetzten
Auktion zum Besten des genannten Fonds verkauft
zu werden. Hervorragende Spender sind Mr. Water-
house mit einem allegorischen Motiv „Oosting" (Ver-
hängniß) und Sir L. Älma Tadema, dessen KlaZ
ob Druce" (Weiße Flagge) — eine reizende Brünette
schwingt über ihrem Haupt einen großen Strauß
entzückend gemalter weißer Blumen — mit zu den
anmuthigsten Bildern dieses ausgezeichneten Meisters
gehört und sich oermuthlich als die für den Fonds
werthvollfte Gabe erweisen wird. Auch der Präsident
der Akademie und die Herren'watts, Dicksee und
Briton Nivisre haben sich betheiligt. Des letzteren
Beitrag „Will Ds eome? (wird er kommen?), einen
Hund darstellend, der voller Ungeduld auf seinen
Herrn wartet, ist eine höchst temperamentvolle und
treue Studie des im Verkehr mit dem Menschen ent-
wickelten thierischen Intellekts. Besteht nun auch die
Sammlung zumeist aus Werken von minder unbe-
streitbarem Werth, so macht sie doch in Anbetracht
der Bedingungen, unter denen sie veranstaltet und
der kurzen Frist, in der sie bewirkt wurde, den Aus-
stellern alle Lhre. Das Fehlen von Kriegsszenen
und Schlachtbildern würde unter gleichen Verhält-
nissen in anderen «rändern Verwunderung erregen.
Hier ist das nicht der Fall, denn militärische Motive
üben nun einmal keine Anziehungskraft, weder auf
Künstler noch Kunstfreunde, bei uns aus.
Herliyer ^uysksclmu.
1. «Aus dem Aünstkerßause
Moritz Roebbecke-Ausstellung.
Seit einiger Zeit schon sprach inan in Kunstkreisen
mit reger Theilnahme von den Kopien, die Moritz Roebbecke
im Auftrage des Prinzen Georg von Preußen vorzugs-
weise im Louvre malte. Sie sind setzt mit einigen anderer,
Kopien und Mriginalarbeiten im Hauptsaale des Künstler-
hauses zu einer Ausstellung vereinigt, die in der That ge-
eignet ist, die Kunstfreunde Berlins auf das Lebhafteste
zu interessiren und zu entzücken. Außer ihm hat wohl
nur Lenbach einst etwas gleich Hohes und werthvolles auf
diesem Gebiete geleistet, zu dessen hingebender Pflege vor
allem ein ganz beträchtlicher Grad von Selbstentäußerung
eines Künstlers gehört, was Lenbach mehr aus kon-
genialem Wesen und Können heraus in der Nachbildung
von Werken der alten Meister zu leisten vermochte, das
hat bei Roebbecke ein erstaunliches Maaß von Empfindung
für die spezifischen Ligenthümlichkeiten der alten Schöpfungen
hinsichtlich des geistigen und formalen Ausdrucks, der Farben-
töne und Malweise, also weihevolle Begeisterung, hervor-
ragendes Können und niemals nachlassende Ausdauer zu
Stande gebracht. Mn einen Ueberblick über die vorhandenen
Arbeiten des „genialen" Kopisten — wie ihn unlängst ein

Freund von paradoxen nannte — zu gewinnen, genügt es,
die Titel anzuführen. Von Raffael, dem hier am meisten
berücksichtigten Klassiker, ist die Hl. Läzilie aus Bologna,
die Große Hl. Familie aus dem Louvre, eine Hl. Familie
aus München, die Madonna Della Sedia aus dem pitti-
palaft, der Hl. Johannes aus den Uffizien, die kleine
Ezechiel-Vision aus dem Pitti-Palast, die Bildnisse eines
Jünglings (Louvre), Papst Julius II. (Uffizien), das Bindo
Altoviti (München), Leo X. (pal. Pitti) und der Johanna
von Aragonien (Louvre). Ferner enthält die Sammlung
Lionardos unsterbliche „Mona Lisa" (Louvre), Gentile
Bellinis Doppelporträt (Louvres Giovanni Bellinis Selbst-
porträt (Uffizien), Tizians faszinirende Halbfigur Franz I.
(Louvre), Filippo Lippis Madonna (Louvre), Hans Holbeins
d. I Anna von Kleve (Louvre), Rembrandts „Geschlachteter
(Ochse" « Louvre) und außerdem Ausschnitte aus Giorgiones
Idyll „Ländliches Konzert" (Louvre) und Riberas „Grab-
legung" (Louvre).
Die Auswahl ist in der That eine solche, daß man
sehen kann, wie Roebbecke mit der gleichen Vertiefung und
Virtuosität technisch ganz verschiedenartigen Meistern zu
entsprechen wußte: z. B. Filippo Lippi und Ribera, Holbein
und Rembrandt. Die treue Nachahmung der herrlichen
(Originale geht selbst bis auf die Pinselführung, ja noch
weiter, bis auf die meist nur unter der Lupe deutlich er-
kennbaren Veränderungen, welche der in die feinsten Risse
und Farbenfurchen eingedrungene Staub u. A. allmählich
hervorbrachten. Es erscheint das für den ersten Augenblick
vielleicht unwesentlich und kleinlich; aber es darf nicht
vergessen werden, daß der heutige Eindruck alter Schöpfungen
der Malerei nicht nur durch deren ursprünglichen künstlerisch-
koloristischen Eharakter, sondern gleichzeitig durch die vielerlei
Zufälligkeiten, welche an menschlichen Werken das Gepräge
ihres Alters, die sog. Patina bilden, mitbewirkt werden.
Eine wunderbare Leistung ist in dieser Hinsicht zumal die
Gioeonda Lionardos mit ihrem ins Graue spielenden
Inkarnat, ihren matten, weichen, wie hingehaucht duftigen
Tönen, die sich wie ein geheimnißvoller Schleier auf das
berühmteste aller Bildnisse legen. So steht man vor diesen
Kopien tief ergriffen, erfüllt von der Schönheit früherer
Ideale und der Macht echter künstlerischer Leistungen, daß
man kaum begreift, wie es einen Streit nm Richtungen
und Tendenzen in der Kunst geben kann. Roebbecke hat
sich durch diese vornehme und gelungene Veranstaltung den
Dank des Berliner Publikums im hohen Grade erworben.
Mehr Lob kann man den hinzugefügten (Original-
arbeiten rächt spenden: als konstatiren, daß sie in der Reihe
der Kopien durchaus günstig wirken und auch Beachtung
finden. Die gediegene Mache, das äußerst gewissenhafte
und liebevolle Eindringen in die Aufgabe, bei einzelnen
Werken z. B. den Bildnissen des Dr. I. L. und der Frau
M. G., selbst bei der Porträtfigur des im Lehnstuhl
sitzenden Prinzen Georg von Preußen, ein heutzutage
wieder beliebtes Archaisiren in der formalen und koloristischen
Behandlung, alles das erscheint auch hier bemerkenswerth.
Andererseits erweckt an den beiden Selbstporträts und dem
doppelfigurigen Bilde des alten Elternpaares die intime,
äußerst feinfühlige Malerei die aufrichtige Sympathie des
Beschauers. G. G.
F. L. Wolfrom-Ausstellung.
Ium zweiten Male, nach längerem Zeitraum, stellt
F. L. Wolfrom in Berlin umfangreich aus. So wird
 
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