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Die Kunst-Halle — 5.1899/​1900

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Nummer 14
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Berliner Kunstschau
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Kunstchronik
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2s8

4- Die Aunst-Halle

Nr.

feine zarte Empfindung, sanfte Frühlingstimmung; aber er
verdirbt sich diese Wirkung gelegentlich durch eine gar zu
absichtlich ungeschickte Anordnung und Zeichnung eines
figürlichen Symbols. Lr nimmt das Alles offenbar furcht-
bar ernst, aber es srägt sich, ob der Beschauer es ebenso
ernst nimmt, wenn er sieht, daß das Künstlers Archaismus
zwischen den Schulen des frühen Mittelalters und der
reifen Polbeinzeit schwankt. In einem Schlachtenbilde, wo
Schweizer Bauern und Ritter, Mann gegen Mann
kämpfen, glaubt man die pand eines Urs Graf oder
Manuel Deutsch zu erblicken; bei der Gestalt der „Poesie",
die hinter schematisch gezeichneten Wölkchenreihen sitzt,
erinnert man sich der Buchillustrationen des t2. oder
Jahrhunderts. Die äsoues" sind mehrere lebens-
große ältere Männer in halbgeistlicher Tracht, die mit den
Geberden der Verzweiflung aus einer Bank sitzen, eine
Darstellung, der es an wuchtiger Kraft und innerer
Größe wahrlich nicht fehlt, die in ihrer herben natura-
listischen Formenfprache den Vertreter einer überreifen
Kunstepoche verrätst, einen jener dekadenten Maler, die
Heuzutage allerorten auf dem sonderbaren Standpunkt
stehen, daß die künstlerischen und psychischen Schäden unserer
Gegenwart durch ein willkürliches Zurückgreifen ans längst
überwundene Unvollkommenheiten zu heilen seien.
Der Ausstellung bei Gurlitt fehlt es im Uebrigen
auch dieses Mal keineswegs an einer Auswahl wirklich
erlesener Stücke. Ich beschränke mich auf die Anführung
zweier älteren Arbeiten von Pans Thoma und des
fl G. Segantini. „Die leere wiege" des Italieners ist ein
im Tone auffällig dunkles Interieur von sorgsamer Durch-
führung. Thomas „Lampagna-Landschaft" von ^878 ist
wunderbar feintönig und delikat gemalt wie ein hervor-
ragend schöner Lorot. F. I.

4. Salon Ernst Za es lein.
Der Salon ladet zn dem Debüt einer ihm sehr nahe-
stehenden jungen Künstlerin ein. Frau vicky Zaeslein-
Benda beweist durch mehrere Porträts der letzten Jahre
jedenfalls, daß sie wirklich Talent hat und Fortschritte ge-
macht. Das schlichte rosige Selbstbildniß und die gleich-
falls in Schwarz gekleidete Kniefigur der Frau Direktor R.
sind respektable Leistungen, wirksam im Ausdruck und in
der formalen Durchbildung. Einige figürliche frische
Studienmotive, Kinder, Mädchen und ein Greisenkopf,
ergänzen die hübsche Kollektion. Daneben finden sich
allererste Namen: Böcklin, Stuck, Löfftz, Zügel u. A. Es
ist wohl sehr interessant, Böcklin einmal als Graphiker zu
begegnen. Ein großer Karton seiner in eine untere und
eine obere Gruppe getheilten Komposition „Flora mit ihren
Kindern" ist doch sehr sorgsam mit schwarzer Kreide aus-
geführt. Lin hingestreckter unvollendeter Lhristuskörper
darf als eine Vorarbeit zu einer Pieta genommen werden.
Löfftz's eigenthümlich beleuchtete Marathon-Landschaft ist
ganz romantisch gestimmt. Pros. Stäblis Landschafts-
szenerie „Abend" mit herrlicher Baumgruppe wirkt mit
ihrem verhaltenen ernsten Pathos sehr stark aus das Ge-
müth des Beschauers. Am meisten nimmt gegenwärtig
hier Franz Stuck die Aufmerksamkeit in Anspruch. Line
Grisaille-Malerei, welche den Titel „Luna" führt, ist ein
temperamentvoll gemalter idealisirter Mädchenkopf im
ovalen ^Rahmen. Auch bei der Bilderserie „Die vier
Jahreszeiten", von denen mir die im Profil gegebene
Mädchenfigur des Frühlings am besten gefällt, darf man

nicht nach den hohen Grundsätzen der Stuckschen Dar-
stellungskunst fragen. Der Sommer enthält die leuchtenden
blauen und rothbraunen Farbentöne, die der Künstler
neuerdings mitunter bevorzugt. F. I.
Aunstchromk.

* Berlin. Die Große Kunstausstellung t°>oo
wird ihrem Namen Ehre machen und nicht nur umfangreich,
sondern auch „international" werden. Zunächst sind dieses
Mal für den Park, und für die Perstellung des Katalogs
Veränderungen getroffen worden. Die Bewirthschastung
wird die Berliner Bockbrauerei in die pand nehmen, und
den Katalog hat, statt Schusters Kunstverlag, die Stutt-
garter Verlagsanstalt „Anion" unter der Verpflichtung
erhalten, Druck und Illustrationen in Berlin Herstellen zu
lassen. Die Anmeldungen von Künstlern haben bereits
eine außerordentliche pöhe erreicht, darunter ist dieses Mal
Frankreich nennenswerth vertreten. Außer den Franzosen
werden z. B. noch die Dänen, die Schweden, die wiener
Künstlergenossenschast, die Münchener Künstlergenossenschast
inkl. der Luitpold-Gruppe, der Illustratoren-Verband, die
hiesige Graphiker - Vereinigung, die Frankfurter Zunft
„St. Lukas" u. a. Vereinigungen kollektiv ausstellen und
von einzelnen Meistern außerdem Mswald Achenbach, Düssel-
dorf, Gari Melchers, Paris, pugo Vogel, p. Dettmann.
Die feierliche Eröffnung der Ausstellung findet am 5.
Mai statt.
* Berlin. Die zweite Ausstellung der hiesigen
„Sezession" wird durch einen Umbau des Grundstücks
an der Kantstraße in Tharlottenburg Erweiterung erfahren.
Da dieses Mal fremde Künstler, namentlich Franzosen,
Einladung erhielten, wird auch diese Ausstellung ein ge-
wisses internationales Gepräge annehmen, von Anders
Zorn, dem Franko-Schweden, ferner von F. Skarbina und
L. von Pofmann stehen Kollektivausstellungen bevor. Die
„Sezession" hat, wie wir hören, neuerdings die Ehren-
mitgliedschaft drei berühmten Meistern: A. Böcklin, w. Leibl
und Ad. pildebrand verliehen.
* Berlin. Für das Deutsche paus auf der pariser
Weltausstellung hat Frl. Grete Waldau, die im Fache
der Architskturmalerei Tüchtiges leistet, einen staatlichen
Auftrag erhalten. Ls handelte sich um zwei große deko-
rative Stücke, bestimmt für die Ausschmückung des Saales
des Buchgewerbes, und die Künstlerin wählte Stadt-
ansichten von Mainz lPerspektive von Kastel gesehen) und
Leipzig (Alter Markt mit dem Rathause und R. Siemerings
Siegesdenkmali, also von jenen beiden deutschen Städten,
die ein bezügliches Interesse Hervorrufen, wir haben die
Bilder, die vor ihrer Fortschaffung in, Ausstellungsgebäude
zu Moabit gezeigt wurden, nicht selber gesehen; man
rühmt ihnen' kräftige dekorative Wirkung und malerische
Schönheit nach.
* Teltow. Der Geschichtsmaler Karl Röchling ist
mit der Ausschmückung des Sitzungssaal es im Palast
des Kreistages betraut worden. Lr soll zwei große Ge-
mälde ausführen, welche die Erinnerung an Friedrich
Wilhelm 1kl. und an Wilhelm 1. wacherhalten sollen; das
eine Bild soll eine Darstellung der Schlacht bei Großbeeren
sein, das andere soll den park von Babelsberg mit den
Kaisern Wilhelm I. und Friedrich zeigen. Für die beiden
Bilder sind 20000 Mk. als Kosten ausgeworfen.
* Breslau. In die Gemälde-Ausstellung Kunst-
verein Lichtenberg im Museum der bildenden
Künste wurden in letzter Woche verschiedene neue Bilder
ausgenommen. F. L.'wolfrom in Berlin brachte „Salome",
„Mädchenkopf", „Abundantia", „Madonna" und „Idyll".
Franz Bertram, Königsberg, zwei waldlandfchaften. Frau
ped. Mechle-Großmann, Gedenburg, die vor Jahren in
Breslau lebte, bringt „vor dem Ball", „Malerfrühstück"
(Stillleben) „Madonnenmaler" und „Die Neugierige"; Lurt
Agthe, Berlin, „Lampagna Romana"; Reinhold Bahl,
Danzig, „Inneres der St. Marienkirche in Danzig";
 
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