Nr. 5
Die Run st-Halle
69
Ls ist nicht leicht, das Näthsel dieser Gruppe, in
welcher der französische Linfluß minder groß ist, mit
zwei Worten zu lösen. Aus feuriger Lohe will ein
Genius sich frei gen Himmel erheben, aber ihn
halten die schönen Arme eines blühenden Weibes
rücksichtslos umstrickt, ihn mit dein Boden fest ver-
knüpfend. Wie Faust die „Zwei Seelen" der
hochfliegenden Natur des genialen Menschen schildert,
so und nicht schöner läßt sich uns auch der tiefe Sinn
dieser seltsamen Gruppe erklären:
Die Line will sich von der Andern trennen;
Die Line hält, in derber Liebeslust,
Sich an die Welt, mit klammernden Organen;
Die And're hebt gewaltsam sich vom Dust
Zu den Gefilden hoher Ahnen ....
Ls ist nach solchen Proben eines ernsten künst-
lerischen Wollens und schönen Könnens wohl noch
Größeres und Reiferes von dem jungen Bildhauer
in Zukunft zu erhoffen, um fo mehr, als ihm glück-
licher Weise nicht wie manchem Andern die Un-
gunst persönlicher Verhältnisse die Lntfaltung seiner
außerordentlichen Gaben stört und hindert, „zu den
Gefilden hoher Ahnen" beneidenswerth emporzu-
streben. G. G.
X
Aas Hresclsi).
je Aönrgl. Sknlpturensammlung im Albertinum, deren
Räume mit den umfangreichen Ankäufen auf der
internationalen Kunstausstellung vor 2 Jahren in uner-
freulichster Weise überfüllt sind, ist diesmal nur um wenige
plastische Werke bereichert worden. Das größte ist der
bekannte Siegesreiter von Tuaillon, der ja in diesen Blättern
schon bei anderer Gelegenheit besprochen wurde: daß er
hier auf dem niedrigen Sockel und von allen Seiten bedrängt
günstig wirkte, kann nicht behauptet werden. Ebenso kann
die große Figur des Mähers von Aug. Hudler, die, wie
bereits jüngst erwähnt, der Sammlung geschenkt wurde,
nicht als eine besonders werthvolle Bereicherung bezeichnet
werden, zumal der in der Nähe stehende Mäher von
Thornycroft, ein Werk ersten Ranges, zum Vergleich her-
ausfordert. Der Gedanke, daß Meuniers Eigenart auf
diese Weise die deutsche Plastik beeinflussen könnte, hat
nichts Verlockendes; daß es nachhaltig geschehe, brauchen wir
nicht zu befürchten, da die instinktiv der jeweiligen Mode
nachgehende Kunstübung ja stets in der ersten Zeit
billige Lorbeern erntet, um dann gewöhnlich bald beim
Auftreten der nächsten Mode acl acta, gelegt zu werden.
Daß Hudler mehr und Besseres kann, beweist seine aus-
gezeichnete Büste eines jungen Mannes, die feine beiden
früher erworbenen weit übertrifft und in diesem Sinne freuen
wir uns über diesen Ankauf: sollte aber jeder Künstler
von der Bedeutung Hudlers mit 3 oder Arbeiten in
unserer Sammlung vertreten sein, würden bald die riesigsten
Räume nicht mehr ausreichen. Von Dresdner Bildhauern
ist diesmal nur Erich Hösel durch den im Ausdruck frap-
panten Kopf eines Negers, die kleine Figur eines zur
Laute singenden Negers und die in der Bewegung unge-
mein lebendige Statuette eines orientalischen Bengels, der
die Hände in den sackartigen Hosen hält, vertreten. Sonst
freuen wir uns noch der Erwerbung der Marmorbüste
Klingers von Seffner, die sich von der etwas kalten
minutiösen Durchführung, der dieser Künstler sonst huldigt,
fern hält und ebenso des Besitzes der herrlich patinirten
Bronze der reitenden Amazone von Stuck, einer Arbeit,
die von Malern und Bildhauern aller Bekenntnisse freudig
als vorzüglich anerkannt wird. Das Marmorrelief „Leda
mit dem Schwan" von Hildebrand, das wir in seiner
Kollektiv-Ausstellung nicht eben zu den besten Arbeiten
dieses Künstlers zählen mochten, ist ebenso wie Stucks
Amazone noch nicht aufgestellt, so daß wir hoffen können,
es werde unter besseren Bedingungen günstiger wirken.
L. M.
Müycfieyei- Minsk
Von Leopold Gustav.
^^Hie Kunstvereins - Ausstellung bringt eine ziemliche
Anzahl von Studien und Skizzen ans Dachau von
B. von Ianowska. Wir glauben dem Namen der
Malerin zum ersten Male zu begegnen. Jedenfalls ist die
Bekanntschaft eine erfreuliche, denn die Künstlerin steht
die Landschaft nicht mit den Augen des offiziellen Dachauer-
thums, sondern sie weiß selbständig das Charakteristische
zu accentuiren. Sie begnügt sich nicht mit kleinen Land-
schaften, sondern malt auch Bauern und Blumen, Alles
was in der ländlichen Umgebung sich ihrem pinsel dar-
bietet. Das im Gras sitzende Malweib und einiges Andere
ist stark geklext und farbenfroh. Da Vieles schon so schön
ausgeglichen ist, hätten diese Uebungen nicht ausgestellt
werden brauchen. — Alfred Bachmann bringt von
Mondschein beglänztes Meer, eine sehr flott gemalte Marine,
die auch in der Stimmung gut wirkt. Ioh- Herterich
„Frühlingswehen" zeigt Frauengestalten in halber Figur,
welche, von lenzfrohen Menschen gefolgt, durch die erwachte
Natur schreiten. Eine vornehme Ruhe in der Komposition
macht das flott gemalte Bild besonders lobenswerth.
Schaltenegger bringt mehrere Landschaften, welche den
Duft der feuchten Atmosphäre meist ansprechend zu schildern
wissen; besonders jedoch müssen wir Meyer-Kassels
Pastelle und Zeichnungen hervorheben. Die Motive sind
meist intime Winkel mit Gestrüpp und kleinen Bächen mit
dem Gebirge im Hintergründe, wie sie die nächste Um-
gebung Münchens fo viel bietet. Es spricht jedoch aus
diesen Bildchen tiefe Naturempfindung, welche auch bei
der vielleicht Manchen zu sauberen Ausführung keine Lange-
weile aufkommen läßt. — Da nur durch einen Vergolder-
streik die Eröffnung der Kunstvereinssäle sich um eine
Woche verzögert hat, ist es natürlich, daß sich in den
Gasträumen in der Prinz - Regentenstraße nur noch das
eben Erwähnte einfand; es sei deßhalb noch ein Atelier-
besuch gemacht.
Paul Thiems Bildern begegnet man nicht allzu oft;
er gehört nicht zu denen, welche überall dabei sein müssen,
und ein Blick auf seine Gemälde zeigt, daß es schwer
wäre, ihn irgend einer „Gruppe" einzuordnen. Eine
große Leinwand schildert den eine uralte Eiche gleich einem
Grashalm knickenden Sturm mit dramatischer Kraft; doch
Die Run st-Halle
69
Ls ist nicht leicht, das Näthsel dieser Gruppe, in
welcher der französische Linfluß minder groß ist, mit
zwei Worten zu lösen. Aus feuriger Lohe will ein
Genius sich frei gen Himmel erheben, aber ihn
halten die schönen Arme eines blühenden Weibes
rücksichtslos umstrickt, ihn mit dein Boden fest ver-
knüpfend. Wie Faust die „Zwei Seelen" der
hochfliegenden Natur des genialen Menschen schildert,
so und nicht schöner läßt sich uns auch der tiefe Sinn
dieser seltsamen Gruppe erklären:
Die Line will sich von der Andern trennen;
Die Line hält, in derber Liebeslust,
Sich an die Welt, mit klammernden Organen;
Die And're hebt gewaltsam sich vom Dust
Zu den Gefilden hoher Ahnen ....
Ls ist nach solchen Proben eines ernsten künst-
lerischen Wollens und schönen Könnens wohl noch
Größeres und Reiferes von dem jungen Bildhauer
in Zukunft zu erhoffen, um fo mehr, als ihm glück-
licher Weise nicht wie manchem Andern die Un-
gunst persönlicher Verhältnisse die Lntfaltung seiner
außerordentlichen Gaben stört und hindert, „zu den
Gefilden hoher Ahnen" beneidenswerth emporzu-
streben. G. G.
X
Aas Hresclsi).
je Aönrgl. Sknlpturensammlung im Albertinum, deren
Räume mit den umfangreichen Ankäufen auf der
internationalen Kunstausstellung vor 2 Jahren in uner-
freulichster Weise überfüllt sind, ist diesmal nur um wenige
plastische Werke bereichert worden. Das größte ist der
bekannte Siegesreiter von Tuaillon, der ja in diesen Blättern
schon bei anderer Gelegenheit besprochen wurde: daß er
hier auf dem niedrigen Sockel und von allen Seiten bedrängt
günstig wirkte, kann nicht behauptet werden. Ebenso kann
die große Figur des Mähers von Aug. Hudler, die, wie
bereits jüngst erwähnt, der Sammlung geschenkt wurde,
nicht als eine besonders werthvolle Bereicherung bezeichnet
werden, zumal der in der Nähe stehende Mäher von
Thornycroft, ein Werk ersten Ranges, zum Vergleich her-
ausfordert. Der Gedanke, daß Meuniers Eigenart auf
diese Weise die deutsche Plastik beeinflussen könnte, hat
nichts Verlockendes; daß es nachhaltig geschehe, brauchen wir
nicht zu befürchten, da die instinktiv der jeweiligen Mode
nachgehende Kunstübung ja stets in der ersten Zeit
billige Lorbeern erntet, um dann gewöhnlich bald beim
Auftreten der nächsten Mode acl acta, gelegt zu werden.
Daß Hudler mehr und Besseres kann, beweist seine aus-
gezeichnete Büste eines jungen Mannes, die feine beiden
früher erworbenen weit übertrifft und in diesem Sinne freuen
wir uns über diesen Ankauf: sollte aber jeder Künstler
von der Bedeutung Hudlers mit 3 oder Arbeiten in
unserer Sammlung vertreten sein, würden bald die riesigsten
Räume nicht mehr ausreichen. Von Dresdner Bildhauern
ist diesmal nur Erich Hösel durch den im Ausdruck frap-
panten Kopf eines Negers, die kleine Figur eines zur
Laute singenden Negers und die in der Bewegung unge-
mein lebendige Statuette eines orientalischen Bengels, der
die Hände in den sackartigen Hosen hält, vertreten. Sonst
freuen wir uns noch der Erwerbung der Marmorbüste
Klingers von Seffner, die sich von der etwas kalten
minutiösen Durchführung, der dieser Künstler sonst huldigt,
fern hält und ebenso des Besitzes der herrlich patinirten
Bronze der reitenden Amazone von Stuck, einer Arbeit,
die von Malern und Bildhauern aller Bekenntnisse freudig
als vorzüglich anerkannt wird. Das Marmorrelief „Leda
mit dem Schwan" von Hildebrand, das wir in seiner
Kollektiv-Ausstellung nicht eben zu den besten Arbeiten
dieses Künstlers zählen mochten, ist ebenso wie Stucks
Amazone noch nicht aufgestellt, so daß wir hoffen können,
es werde unter besseren Bedingungen günstiger wirken.
L. M.
Müycfieyei- Minsk
Von Leopold Gustav.
^^Hie Kunstvereins - Ausstellung bringt eine ziemliche
Anzahl von Studien und Skizzen ans Dachau von
B. von Ianowska. Wir glauben dem Namen der
Malerin zum ersten Male zu begegnen. Jedenfalls ist die
Bekanntschaft eine erfreuliche, denn die Künstlerin steht
die Landschaft nicht mit den Augen des offiziellen Dachauer-
thums, sondern sie weiß selbständig das Charakteristische
zu accentuiren. Sie begnügt sich nicht mit kleinen Land-
schaften, sondern malt auch Bauern und Blumen, Alles
was in der ländlichen Umgebung sich ihrem pinsel dar-
bietet. Das im Gras sitzende Malweib und einiges Andere
ist stark geklext und farbenfroh. Da Vieles schon so schön
ausgeglichen ist, hätten diese Uebungen nicht ausgestellt
werden brauchen. — Alfred Bachmann bringt von
Mondschein beglänztes Meer, eine sehr flott gemalte Marine,
die auch in der Stimmung gut wirkt. Ioh- Herterich
„Frühlingswehen" zeigt Frauengestalten in halber Figur,
welche, von lenzfrohen Menschen gefolgt, durch die erwachte
Natur schreiten. Eine vornehme Ruhe in der Komposition
macht das flott gemalte Bild besonders lobenswerth.
Schaltenegger bringt mehrere Landschaften, welche den
Duft der feuchten Atmosphäre meist ansprechend zu schildern
wissen; besonders jedoch müssen wir Meyer-Kassels
Pastelle und Zeichnungen hervorheben. Die Motive sind
meist intime Winkel mit Gestrüpp und kleinen Bächen mit
dem Gebirge im Hintergründe, wie sie die nächste Um-
gebung Münchens fo viel bietet. Es spricht jedoch aus
diesen Bildchen tiefe Naturempfindung, welche auch bei
der vielleicht Manchen zu sauberen Ausführung keine Lange-
weile aufkommen läßt. — Da nur durch einen Vergolder-
streik die Eröffnung der Kunstvereinssäle sich um eine
Woche verzögert hat, ist es natürlich, daß sich in den
Gasträumen in der Prinz - Regentenstraße nur noch das
eben Erwähnte einfand; es sei deßhalb noch ein Atelier-
besuch gemacht.
Paul Thiems Bildern begegnet man nicht allzu oft;
er gehört nicht zu denen, welche überall dabei sein müssen,
und ein Blick auf seine Gemälde zeigt, daß es schwer
wäre, ihn irgend einer „Gruppe" einzuordnen. Eine
große Leinwand schildert den eine uralte Eiche gleich einem
Grashalm knickenden Sturm mit dramatischer Kraft; doch