Universitätsbibliothek HeidelbergUniversitätsbibliothek Heidelberg
Metadaten

Die Kunst-Halle — 5.1899/​1900

DOI Heft:
Nummer 17
DOI Artikel:
M., C.: Dresden: Kunstbrief
DOI Artikel:
Münchener Brief
DOI Seite / Zitierlink: 
https://doi.org/10.11588/diglit.63303#0305

DWork-Logo
Überblick
loading ...
Faksimile
0.5
1 cm
facsimile
Vollansicht
OCR-Volltext
Nr.

4- Die Nun st-Halle

265

gespann auf der Landstraße, in Lebensgröße, sowie 2 sehr
schön gemalte Knabenporträts, schienen uns die besten
Arbeiten zu sein. Als piooo äs rssistauoo war dann einige
Wochen das Kolossalrelief von Jes Lambeaux, „die mensch-
lichen Leidenschaften", aufgestellt. Es ist eine Riesenarbeit,
die mit einer Lulle gewaltigen Könnens und großem Auf-
gebot von Ausdrucksmitteln ausgeführt ist; daß sie aber
trotzdem als Ganzes nicht befriedigt, liegt wohl daran,
daß der Stoff der Reliefdarstellung zu wenig entgegen-
kommt. Line Reihe über- und nebeneinander angeordneter
Szenen, die einzelne Leidenschaften illustriren, mit einem
gedanklich erkennbaren, aber nicht künstlerisch zum Ausdruck
gelangten Mittelpunkte, das ist das, was wir sehen. pohe
Bewunderung aber müssen wir den Einzelheiten, die zum
Theil vor erstaunlicher Kühnheit der Bewegung und herr-
licher blühender Formenschönheit sind, zollen. Vielleicht
wird das Werk später in Marmorausführung, die vom
belgischen Staate in Auftrag gegeben ist, am Grte seiner
Bestimmung auch als Ganzes genießbarer wirken. Eine
folgende reichhaltige Sammlung seiner Bilder von Eugene
Iettel-Paris und Fehdmer-Amsterdam zeigte erfreulicher
weise das Bestreben der Leitung, die Verbindung mit
ausländischen Künstlern dauernd aufrecht zu erhalten.
Emil Richters Kunstsalon < Pragerstr,s hat in letzter
Zeit ebenfalls viel zur Belebung des Ausstellungswesens
beigetragen: sein neuer Gberlichtsaal bewährt sich als gut
verwendbarer Raum und macht einen behaglichen vor-
nehmen Eindruck, der zum Kunstgenuß einlädt. Die schor:
das letzte Mal erwähnte Ausstellung des Thiermalers
Franz Pochmann, die den guten Ruf des Künstlers in
einer stattlichen Reihe von Bildern und Studien befestigt,
wurde abgelöst durch Werke Fritz von Uhdes. Am in-
teressantesten waren hiervon wohl die kleinen Bilder, in
denen der Meister die Legende von Tobias in schlichter
deutscher von pumor durchleuchteter weise schildert, reiz-
volle Genrebilder, die von dem herkömmlichen feierlichen
Ernst biblischer Bilder weit entfernt sind uud dadurch
überraschend frisch und eigenartig wirken. Im Uebrigen
waren es ältere und zum größten Theile schon be-
kannte Bilder, wie die Porträts seiner Kinder und die
packende Darstellung, wie um Lhristi Kleider gewürfelt
wird Eine umfangreiche und äußerst interessante Aus-
stellung veranstaltete hierauf Leop. Graf Kalkreuth: sie
brachte Bilder aus der alter: Münchener und Weimarer Zeit,
zeigte dann die eigenartige Vertiefung, die sein Schaffen
durch die Aufgabe der Weimarer Professur und das Leben
auf dem Lande erfuhr, um dann Werke aus der Karls-
ruher und der neuesten Zeit vorzuführen. Es waren zum
großen Theil auserlesen schöne Sachen, aus denen ein
feiner künstlerischer Sinn und viel warmes Perz hervor-
leuchten, eine Liebe zur Natur, wie sie die Grundlage
jedes künstlerischen Schaffens sein sollte, und dabei mit
einer koloristischen Sicherheit hingestrichen, die gegenüber
dem tüpfelnden Lxperimentiren mancher Modernen wohl-
thuend berührt. Da sind vor Allem die Bildnisse der
Kinder des Künstlers, im Freien beim Mahle, im Zimmer
beim Spielen beschäftigt, zu erwähnen, die uns Kalkreuths
Können im besten Lichte zeigen: es find mustergültige Ar-
beiten in ihrer Art, reizend kindlich in der Auffassung und
im Ausdruck, schlicht gemalt, von ursprünglicher Natürlich-
keit und Frische; und weiter zweimal eine Weihnachtsfeier
der Kinder, allerhand Sachen vom Lande, heimkehrende
Erntewagen, landschaftliche Stimmungen, die älteren Bilder
„Kann nicht mehr mit" und die durch das reifende Korn-
feld sinnend und hoffend schreitende junge Bäuerin, der be-
kannte norddeutsche Gemeindevorstand u. a. m., kurz lauter
Bilder so recht zum intimen Studium und zum frohen Ge-
nuß gemalt. Und giebts mal eine Unebenheit, ein päkchen,
an dem der Nörgler anpacken will, so sieht er hart da-
neben so viel Schönes und werthvolles, daß er es ruhig
fahren lassen und sich mit uns freuen kann.
Nach ihm kam der künstlerische Nachlaß unseres leider
zu früh verstorbenen Landsmannes Prof, pugo König,
München.
wer es noch nicht wußte, konnte hier sehen, was für
ein trefflicher feiner Künstler mit ihm hingegangen ist: eine
der echten, wahren Künstlernaturen, die überall liebens-
werth sind, kein stacker Gestalter, kein Bahnbrecher oder

Neuerer, aber doch einer von den besten. Charakteristisch
für König ist neben seiner oft emailleartig wirkenden
malerischen Technik, die gedämpfte Akkorde vorzieht, das
innige Versenken in die intimen Reize der Natur, und die
Fähigkeit, den vollen Reiz derselben festzuhalten und einen
Theil persönlichen Empfindens mit ihm zu verschmelzen.
Besonders interessant war es, daß eine große Anzahl von
Naturstudien, die man sonst nie zu Gesichte bekommen
hätte, der Besichtigung zugänglich gemacht worden waren,
entzückende Ausschnitte aus der Natur, breit hingestrichen,
oft im kleinsten Format von erstaunlicher Technik der
Farben und naturwahrer Wirkung.
Ueber die Arnoldsche Kunstausstellung, die erst den
Berliner Max Rebel und jetzt den Londoner Brabazon und
Paolo Michetti in Kollektivausstellungen vorführt, sei das
nächste Mal berichtet. E. M.
X
Müycbeyei- N^iek.
'HZN Kunstverein hat Johannes Leonhard eine
Anzahl Porträts ausgestellt. Fein im Ton, sorg-
fältig, aber doch nicht zu ängstlich in der Ausführung,
überragt jedoch nur das Bildniß des Schriftstellers
Anton von Perfall durch seine vornehme Auffassung und
Ruhe des Vortrags das durchschnittliche Maaß einer
annehmbaren Leistung. Die „Bacchantin" rexräsentirt sich
als ein wohlgebildeter Akt, nur Dionysisches kann ich in
dem artigen Gesichtchen nicht erblicken. Lin neuer Name
ist uns Gertrud Lb ersten:, welche Aquarellporträts und
Zeichnungen ausstellt, die schon rein technisch genommen
mehr wie eine schöne Talentxrobe bedeuten. Das Selbst-
porträt und das Bild eines Jägers scheinen ungemein
ähnlich zu sein, wenigstens sprechen sie mit seltener Un-
mittelbarkeit zum Beschauer. Auch pedwig Dümlein
hat viel gelernt; die Studie eines langohrigen Knaben ist
sogar nicht ohne pumor gemacht, die zeichnerisch tüchtigen
Porträts sind jedoch vor der pand noch herzlich nüchtern,
w. Wachtel bringt ein Selbstporträt und Studien, die
mit Verve hingestrichen sind und jedenfalls einen
besseren Platz verdienen, als die unglücklichste Ecke des
Saales, die sogar bei Sonnenschein in Dämmerung liegt.
Alfred Meyer hat technisch interessante Luft- und Wolken-
studien gemacht; F. Anke lens „Klippe des Todes" ist
theilweise von der „Todteninsel", theilweise von der „von
Seeräubern überfallenen Burg" angeregt; dabei ist die
Böckliniade nicht einmal sonderlich gut gemalt, peinrich
Justus Königs große punnenhistorie ist zwar eine kühl-
laffende Theaterszene, aber sie ist doch wenigstens
koloristisch und zeichnerisch tüchtig. Earlo wuttke bringt
zwei Bilder aus China, von denen das eine aus dem Be-
sitze des Kaisers ist. Die Insel Tscha-lien-tao mit den:
ersten deutschen Leuchtfeuer ist wirkungsvoll und doch
schlicht gegeben. Das Pekinger Stadtthor in Abend-
stimmung ist auch sehr fein in der Farbe und vergißt
nicht durch die Schilderung des Fremdartigen die Betonung
des Reinmalerischen. Pans Vö Ickers Feld mit Pappel-
bäumen und den dunklen Abendwolken athmet eine schwer-
müthige Stimmung, welche durch die bei diesen: Maler
meist schweren Farben noch erhöht wird. Ferd. Pacher
läßt aus den Wolkenschleiern des Sternenhimmels Gestalten
herauswachsen, wie er dies seinerzeit aus dem Dampfe
eines fahrenden Lifenbahnzuges gethan hatte. Das ist ja
ganz graziös gemacht, aber schließlich doch nur -ein Spiel.
Kleinschmidts Velasquezkoxien verdienen eine freundliche
Erwähnung; schon deshalb, um sie aus der Fabrikwaare
herauszuheben, die sich im Kunstverein oft breit macht.
I. pautmann bringt eine Prinzregentenbüste, die gerade
durch ihre schlichte Einfachheit wirkt.
Bei aller Gleichgültigkeit gegen Uniformmalereien wird
man doch nicht in Louis Brauns „Nürnberger Kaiser-
parade" die Eleganz des Vortrags und das hohe Maaß
zeichnerischen Könnens übersehen. Da außer den: Kaiser-
paare und dem bayerischen Regenten noch eine stattliche
Anzahl Prinzen und Generale xortähnlich sind, so kann
 
Annotationen