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Die Kunst-Halle — 5.1899/​1900

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Nummer 3
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Galland, Georg: Berliner Bilder-"Vorstellungen"
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Haenel, Erich: Künstler und Konkurrenzen
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https://doi.org/10.11588/diglit.63303#0047

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Nr. 3

3Z

4- Die Aun st-Halle

sagen können (weil sie eben unsagbar dürftig sind):
durch den Mund eines phantasievollen Rhetors
sprechen zu lassen. Zureden hilft ja! Und es paßt
dieser geniale Gedanke überdies so prächtig in den
Rahmen des Programms vieler Modernen, die
litterarisch ja schon immer auf die suggestive Gewalt
des Mortes spekulirten, daß man sich über die neueste
Lösung ihres Rechenexempels kaum irgendwo ge-
wundert haben wird. Mas bisher in der legalsten
und schüchternsten Form von Seiten eines Besitzers
oder Ausstellungsleiters nur gelegentlich geschah:
nämlich Erläuterungen oder Anregungen zum Ver-
ständniß dieses oder jenes Kunstwerkes zu geben,
diese vortheilhafte Sprechfreiheit in unseren Kunst-
salons soll jetzt in konsequenter und absoluter Meise
ausgebeutet werden. Das Publikum, dem noch
immer gar Manches, was gewisse Herren als Kunst-
werthe auf den Markt werfen, ehrlich mißfällt, soll
von scheinbar autoritativer Seite bearbeitet, rektifizirt
werden, am eindringlichsten ohne Frage von königlich
preußischen Professoren, Männern in Amt und
Mürden, denen sogar die stolze Kritik der Tages-
presse ein bestimmtes Maß von vertrauen nicht zu
verweigern pflegt.
Daß mit dieser fragwürdigen Neuheit die gegen-
wärtige Entwickelung ihre letzte Phase erlebt haben
wird, ist kaum anzunehmen. Die ehrgeizigen Unter-
nehmer werden sich hüten, auf der einmal kühn be-
tretenen Bahn der Bilder-„Vorstellungen" umzu-
kehren, so lange solche Geschäfte noch gehen und ihr
Musengaul nicht flügellahm geritten ist. vielleicht
erwerben wir uns inzwischen noch ihren Dank, wenn
wir den verehrten Herren einige weitere Vorschläge
im Interesse ihrer (heiligen) Sache nachstehend
empfehlend unterbreiten. Man veranstalte schleunigst,
um berechtigten Bedürfnissen würdig zu entsprechen,
etwa die folgenden Schaustellungen:
H Die Neu-Symbolisten, pariser Maler-
gruppe. Die persönliche Theilnahme des Mr. Sar
peladan (im Magierkostüm) ist gesichert. Alle Abend
spiritistische Seance mit Geisterklopfen und Staffelei-
rücken. Es werden dazu nur fOO Billets.(ü 50 Mk.)
in einem jüngst vielgenannter: Klub ausgespielt.
2. Schottische Bildhauer-Vereinigung.
(Borer von Glasgow.) Lebende Aktstellungen unter
Mitwirkung des Berliner Athletenklubs „Kohlrübe".
3. „Der schöne Mensch", Eliteausstellung der
Berliner „Sezession". Feierliche Ansprache des Herrn
Dr. Georg Hirth aus München, der gleichzeitig das
Preisrichteramt in einer mit der Ausstellung ver-
bundenen lebender: „Schönheitskonkurrenz" gütigst
übernommen hat ....
Man sieht, es braucht der: geschäftskundigen
Herren in Berlin noch lange nicht der Stoff auszu-
gehen . . . Bis wie weit aber die Geduld des jetzt
noch williger: Publikums reicht, steht wohl auf einen:
andern Blatte. . . . Noch scheinen ja die Kunstverhält-

nisse nicht völlig reif zu seir: für den Kehraus des alten
Hexenmeisters, der aber kommen wird und muß nut
seinem weiser: Spruch:
In die Ecke,
Besen! Besen!
Teid's gewesen.
G. Gal land.
X
Künstler una Konkurrenten,
von Erich Haenel, Dresden.
(Schluß).

Ls gab einst eine Zeit, wo es als eirre der
edelsten und schönsten Aufgaben eines Künstlers er-
scheinen konnte, sich im freier: Spiel der Kräfte, aber
verbunden durch die Gemeinsamkeit des Vorwurfs,
mit dem Genossen zu messen, wo man in dein
Schiedsspruch des Richters gleichsam die Aeußerung
einer göttlichen Macht verehrte, der zu widerstreiten
Frevel war. Die klassische Periode der hellenischer:
Kultur, aus der wir die berühmte Amazone des
polyklet als das Ergebniß eines solcher: Mettstreits
kennen, die italienische Renaissance — ich erinnere
nur ar: die berühmter: Arbeiter: Ghibertis und
Brunelleschis für die Baptifteriumthürer: irr Florenz,
die Reliefdarstellungen vor: Abrahams Opfer in:
Bargello — liefern der: Beweis, daß es Kunstwerke
allererster: Ranges sein können, die bei solcher Ge-
legenheit entstehen. Es ließerr sich diese Beispiele
bei genauerem Sucher: wohl noch vervollständigen;
stets aber, wenn wir sie überhaupt noch werthvoll
für die allgemeine Entwicklung der Kunst nennen,
werde:: sie die Ergebnisse eines Mettbewerbes seir:,
der unter einer kleineren Gruppe persönlich er-
korener Künstler stattfand, rächt aber sich ar: die
Allgemeinheit wandte, mag sie durch die gemeinsame
Nationalität weiter oder enger umgrenzt sei::. Und
das hatte seine guten Gründe. Denn es erschien
einerseits klar, daß ein Mettstreit, bei den: die
einzelnen Käufer sich gegenseitig bekannt sind, und
das Maß der einzusetzenden Kraft also vor: vorn-
herein gegeben ist, weit interessanter und ersprießlicher
seir: muß, als einer, der sie zwingt, sich gleichsam nut
verbundener: Augen ins Treffen zu wagen, ungewiß,
ob der Gegner der ungeheuren Anstrengung werth
oder umgekehrt ohne größere Mühe doch überleger:
ist. Ich möchte nicht mißverstanden werde::. Das
Einsetzen der voller: schrankenloser: künstlerischen Kraft ist
auch nur natürlich die unbedingte Voraussetzung für das
Gelingen einer wirklicher: künstlerischen That, mag es
bewußt oder unbewußt dem Schaffenden vor: Natur
eigen oder für der: einzelnen Fall nut Aufbietung
aller Energie abgerunger: sei::. Es bestand nur,
scheint mir, schor: früher die Erkenntniß, daß die
Summe der jedesmal ohne Nutzer: verbrauchten Kraft
bei einen: Mettbewerb ohne Beschränkung der Theil-
 
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