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Die Kunst-Halle — 5.1899/​1900

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Nummer 21
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Gustav, Leopold: Münchener Kunstgewerbe-Ausstellung
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Ferrars, Max Henry: Die Perspektive in der Photographie
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https://doi.org/10.11588/diglit.63303#0377

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Nr. 2f

Die Aunst-Halle

329

fältige, frische, kräftige Ansätze zu einer schönen Ent-
wickelung des modernen Kunstgewerbes, der man sich trotz
aller Auswüchse freuen konnte. Die diesjährige Sommer-
ausstellung bietet dagegen das klarste Bild einer inzwischen
eingetretenen Verflachung. Noch gelingen zwar in der
Kleinkunst entzückende Sachen, wenn auch das Beste des
Ausgestellten nicht mehr ganz neu ist; aber in den großen
Dingen, den Zimmereinrichtungen, bleibt der „neue Stil"
noch immer etwas Unfertiges. Die Sachen haben jetzt
freilich selten mehr etwas Gewaltsam-Exzentrisches, dafür
fehlt aber auch jede Originalität. Der ftauptreiz dieser
Einrichtungen liegt in einem sestgehaltenen Grundton.
Die Biedermeierzeit scheint allmählich wieder abzuwirth-
schasten; noch ein paar kleine Schrittchen und wir sind
wieder in der heillosen Stillosigkeit der siebziger Jahre.
Man sehe nur die prächtig ausgeführten Kopien alter
Ritterrüstungen von Ernst Schmidt. Für derlei war doch
in den letzten Jahren das Interesse sehr gering. Doch um
noch von den Möbeln zu reden: Georg Schöttler-Stuttgart
bringt mit seinem Verfahren recht hübsche Wirkungen her-
vor. Das Tyleotyponverfahren läßt die Maserung des
ftolzes stark hervortreten und verwendet dies zu dekorativem
Zwecke. Sonst seien noch die Möbel und Einrichtungen
von Ball in, List, Mößl und Müssen bacher genannt,
tüchtige und theilweise geschmackvolle Sachen, wie schon
angedeutet ohne Zukunft verheißende Symptome. Die Zier-
kunst macht einen glücklicheren Eindruck. Die Vasen mit
Blumenornamenten von Schmuz-Baudiß, die Vase mit
Fischornament von ft ab ich und vor Allem die famosen
Steingefäße von Scharvogel seien erwähnt; auch Laenger
(Karlsruhe) bringt Thontöpfe von schöner Farbenwirkung
der Glasuren. Von Zinnsachen sehen wir von Lichtinger
Gutes; Kupfergegenstände sind von Winhart nach Zeich-
nungen von Berlepsch hergestellt, freilich Alles Dinge,
die wir in den Verkaufsläden alle Tage sehen können.
Es ließe sich ja das Eine und das Andere noch hervor-
heben, aber es ist nicht nöthig. Es fehlt die Möglichkeit,
Neues zu sagen. Die Ausstellung vermag kaum einem
Künstler neue Anregungen zu geben und für das Publikum
ist zu wenig die Wirkung des Kunstgewerbes auf Wohn-
räume gezeigt, und nur dieses kann den Geschmack ver-
feinern und den Blick zum Künstlerischen erziehen.
Leopold Gustav.
Vie Perspektive in der
Photographie.
^Il^an müßte meinen, daß es über die Perspektive
zwei Ansichten geben könne. Bildet sie doch
einen Zweig der Geometrie — der reinen mathematischen
Wissenschaft. Und trotz alledem besteht in einem ange-
sehenen Blatte des Auslandes eine Kontroverse über das
Wesen der „photographischen" Perspektive, wobei sich die
Redaktion zu der Ansicht bekennt, daß für die Photographie
die Perspektive einen gesonderten Begriff bilde, während
ein anderes Blatt sich folgendermaßen ansdrückt: „Theore-
*) Aus Liesegangs „Der Amateurphotograph" No.
OOO.

tisch müßte ein Objektiv die ihm vorliegenden Gegenstände
genau abbilden. In der Praxis geschieht dies aber nicht.
Es besitzt die lästige Eigenschaft, die Größenverhältnisse
der ihm naheliegenden Gegenstände zu übertreiben und der
ihm sernliegenden ans ein unansehnliches Maß zu ver-
kleinern" u. s. w., u. s. w.I Wie liegt nun die Sache
einfach? Der Charakter der Perspektive wird lediglich
durch den Standpunkt und nicht im Mindesten durch die
Linse bedingt. Man denke sich nur den Fall der Lochkamera.
Das von ihr entworfene Bild unterscheidet sich in nichts,
als in der relativen ftelligkeit und in der Schärfe von dem
Linsenbild. Woher entstammt denn die populäre Ver-
wechslung? warum bekommt man mit einer rechtwink-
ligen Linse eine Perspektive, die das Auge befremdet?
Einfach aus dem Grunde, weil es die Eigenschaft einer
solchen Linse ist, sich an Verhältnisse anzupassen, denen sich
unser Auge nicht anpaßt. Denken wir uns ein hohes
Straßengebäude, das vom Gegenüber aus mittlerer ftöhe
betrachtet wird. Wollen wir den oberen Theil übersehen,
so müssen wir die Augen in die ftöhe richten, interessirt
uns der untere Theil, dann wird das Senken der Augen
erforderlich sein. Wir glauben das Ganze mit einem Mal
zu übersehen, theils weil wir die Bilder, die bei dem
Streifen der Augen über den Gegenstand sich auf der Netz-
haut bilden, im Geiste vereinen, theils auch, weil das
Gesichtsfeld des Auges ein weit größeres ist, wenn
wir flüchtig auf einen Gegenstand blicken, als wenn
wir einen besonderen Theil fixiren. Im letzteren Falle ist
der Gesichtswinkel kaum so groß, als der eines Feldstechers,
der immer aus einen beschränkten Fleck gerichtet wird. Ein
schmalwinkliges Objektiv verhält sich ebenso. Von dein
einen oder anderen Theile entwirft es ein Bild, das inso-
fern dem Bilde aus der Netzhaut entspricht. Dehnen wir
in diesen: Falle das flache Feld, aus den: das Bild ent-
worfen wird, aus, so bleiben die Ränder ohne Zeichnung.
Fassung und Wölbungen der Linse lassen Strahlei:, die
außerhalb eines gegebenen Winkels liegen, nicht mehr in
die Kamera dringen. Ist dies ftinderniß aber beseitigt,
so erstreckt sich die Zeichnung weiter, und zwar streng
mathematisch nach den Gesetzen der flachen Perspektive.
Das weitwinklige Bild enthält dann viel mehr, als wir
mit einen: coup ct'ooil in der Natur übersehen können,
und wirkt aus diesem Grunde fremdartig. Ein ähnlich
nach geometrischen Regeln konstruirter Plan würde genau
so ausfallen. Je mehr die Zeichnung umfaßt, um so fremd-
artiger wirkt sie, in den: einen Fall wie in den: anderen.
Was den zweiten Vorwurf betrifft, daß die Linse das
Größenverhältniß der nahen Gegenstände übertreibe, so
beruht dies ebenfalls auf einer Illusion. Die Berge, die
wir aus dem Feuster eiues Iuterieurgemäldes erblicken,
sind im Verhältniß zu den Figuren im Zimmer, ihrer Ent-
fernung entsprechend klein. Sie wirken noch, weil der
Fensterrahmen die Ausdehnung der Landschaft beschränkt.
Erst wenn die Umrahmung entfernt ist, werden sie unan-
sehnlich, weil dann der „Bildausschnitt" einen größeren
winkel umfaßt als vorher. Oder sind es die Füße einer
sitzenden Figur, die, dem Objektiv zugewendet, nnverhält-
nißmäßig groß erscheinen. — Bei gleicher Nähe an den:
Gegenstand würde die perspektivische Zeichnung das Gleiche
ergeben. Erstens aber wird der Zeichner dem Gegenstände
nicht so nahe kommen, als es der Photograph mit einer
unzureichenden Brennweite zu thun gezwungen ist, um
 
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