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Die Kunst-Halle — 5.1899/​1900

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Nummer 19
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Hood, Fred: Französische Tapeten auf der Pariser Weltausstellung
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Meyer, Bruno: Berlin: die 2. Sezessions-Ausstellung
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https://doi.org/10.11588/diglit.63303#0339

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Nr. s9

Die Aunst-^alle -l—

295

nie zuvor für Tapeten so Helle Farben gemischt habe. Man
denke sich die hellsten und zartesten Blumenmuster in den
mannigfachsten Farben auf ganz Hellem, zitronenfarbenem
Grunde; und bei anderen Hellen Tapeten ist der Grund
noch derart geglättet, daß er wie lackirt erscheint. Sehr
prächtig ist eine dreitheilige Wandfüllung mit ganz großen
Schwertlilien und grünen Riesenblättern dieser Pflanze,
welche, natürlich aus dem Boden aufwachsend, den Vorder-
grund einnehmen; im Hintergründe die grüne Landschaft
mit verschwimmenden Konturen.
Die Phantasie der französischen Dessinateure ist un-
erschöpflich, aber noch habe ich kein Interieur gesehen, in
welches diese Tapeten so recht hineinxassen, noch weiß ich
nicht, wo die französischen Möbel zu finden sind, die mit
diesen Tapeten harmoniren sollen. Denn die modernen
französischen Möbel zeigen vorwiegend den Münchener
Geschmack und hoffentlich wird inan Empire- oder Louis
(puatorze - Möbel nicht in Zimmer hineinsetzen, die mit
Tapeten von Grantil oder Petitjean geschmückt sind. Darin
aber besteht gerade der große Erfolg der deutschen Zimmer
auf der Pariser Weltausstellung, daß alle Gegenstände
desselben Interieurs nach Entwürfen eines Künstlers ge-
fertigt sind, so daß wir Räume aufweisen können, welche
den eigenartigen Lharakter eines Bruno Paul, eines Bern-
hard pankok und eines Richard Riemerschmied zeigen —,
die nicht nur eine Sammlung von Ausstellungs-Gbjekten
enthalten, sondern auch wirkliche Wohnräume sind.
(Kerkm:
Vie r. Zerenionz-Ausstellung.

n dein Vorwort zu dem Katalog der zweiten Kunst-
ausstellung der Berliner „Sezession" treffen wir auf
folgende köstliche Stelle: „An das Wort „Sezession" knüpft
sich immer noch die falsche Deutung, als ob wir, die
Gründer derselben, auf irgend eine gerade herrschende
Mode in der Kunst eingeschworen wären; im Gegentheil
haben wir uns getrennt, um desto freier eintreten zu können
für jedes Talent, in welcher Richtung es sich auch äußern
möge. Kunst ist für uns — nach dem Worte des heiligen
Augustinus — was die großen Künstler gemacht haben."
Ja, für wen in der Welt denn nicht?! und wer hat
wohl Talenten jemals sich zu äußern verwehren wollen?!
Um für diese beiden Selbstverständlichkeiten Raum zu schaffen,
hätte sich Niemand zu „trennen" brauchen! Aber der
Stilist des Vorwortes übersieht — bei der ersichtlichen
großer: Gewandtheit seiner Gestaltung wohl absichtlich, d. h.
bewußt irreführend —, daß die Anwendung dieses Gemein-
platzes zwei Urtheile zur Voraussetzung hat, bei denen sich
leicht die allerwillkürlichste Subjektivität Geltung verschaffen
kann: das Urtheil darüber, wer als „großer Künstler" an-
zusehen ist, und das Urtheil darüber, wer als ein selbst zu
befremdlichen „Aeußerungen" berechtigtes „Talent" zu gelten
hat. Durch die Art, wie sie — d. h. zuerst ihre „Gründer"
inan möchte es beinahe für bezeichnend halten, daß sie
sich selbst so, und nicht, wie es anderen Leuten näher liege::
dürfte, „Begründer" nennen! und dann ihre Anhänger —
diese beiden Beurteilungen ausgeführt haben, ist die „Se-
zessions-Bewegung charakterisirt, und nur, so weit sie es
vermag, an diesen Entscheidungen oder Auffassungen offen

und ehrlich festzuhalten, kann sie als berechtigt gelten
wollen. Diese Art aber war von Anfang an dadurch ver-
dächtig, daß ihre Methode an einer Stelle die entgegen-
gesetzte von der an der anderen beliebten war. Bei der
Prüfung der „Talente" wurde mit einer Milde verfahren,
daß der pegelsche Satz wieder aufzuleben schien: „Alles,
was ist, ist vernünftig"; bei der Prüfung aber der „großen
Künstler" wurde der Bedingtheit alles Menschlichen durch
Natur und Umstände so wenig Rechnung getragen, daß
keine normgebenden Autoritäten in der Kunst-Lrscheinungen
Flucht übrig blieben, und es als nothwendig erschien und
verkündet wurde: die Kunst müsse auf ganz neuen Grund-
lagen sozusagen von vorn erfunden werden. Betreffs der
Talente soll nach glaubwürdigen Berichten bei der Er-
öffnung der gegenwärtigen Ausstellung mündlich, aber in
offizieller Rede ein sehr bemerkenswerther Ausspruch ge-
fallen sein: die Sezession habe die Absicht, jedem ehrlichen
Streben den Schritt in die Meffentlichkeit zu ermöglichen.
Indem man so statt der einzig sinn- und sachgemäßen künst-
lerischen Gesichtspunkte einen sittlichen unterschiebt, bindet
man naturgemäß der Beurtheilung die bfände. Denn
welcher selber ehrliche Mensch würde sich denn wohl dazu
entschließen, nicht ein Kunstwerk als stümperhaft, sondern
einen Künstler als nicht ehrlich von der Schwelle einer
Ausstellung zurückzuweisen?! Und betreffs der großen
Künstler sucht der Stilist des Vorwortes mit gewandtem
Fuchsschwänze die Spuren zu verwischen, die zu dem Rich-
tigen und wahren führen: welchem zurechnungsfähigen
Menschen wäre es denn jemals eingefallen, die Sezessionisten
„auf eine gerade herrschende Mode eingeschworen" zu
wähnen. Sind doch die „Moden", die alle unter der
Flagge der „Sezession" segelten und segeln durften, ein-
ander mit solcher betäubenden Schnelle und Vergänglichkeit
gefolgt, daß es sogar den Witzblättern willkommenen Stoff
geboten hat, also wohl selbst dem Durchschnitts-Philister
wahrnehmbar gewesen sein muß. Nein! Ihre Einheit
hat die Sezessionsbewegung in der Ablehnung jedes von
der Vergangenheit der Kunst hergenommenen Maßstabes
für die Erzeugnisse unserer Zeit, in speeis unserer jüngsten
Künstler-Generation, das heißt also in der Leugnung irgend
welcher großen Meister, deren Vorbild noch immer —
wenigstens doch relativ — maßgebend sein könnte, gefunden,
wenn ihre „Gründer" das jetzt in Abrede zu stellen wagen,
so ziehen sie damit selber ihrer sogenannten „Schöpfung"
den Boden unter den Füßen weg.
Schon haben sich in München „Genossenschaft" und
„Sezession" für das nächste Jahr wieder zu einer gemein-
samen Ausstellung im Glasxalaste zusammengefunden.
Trügt nicht Alles, so wird wohl auch für Berlin eine
solche „Selbsterkenntniß" entdeckt werden. Denn noch ein-
mal einen solchen Schritt rückwärts wie von der vorjährigen
„ersten" zu der heurigen „zweiten" Kunstausstellung kann
die Berliner Sezession auch nicht einmal annähernd wieder
riskiren, ohne undefinirbare Grade unter dem Nullpunkte
anzukommen. Nachdem man nut imposantem Männerstolz
vor Künstlernamen eine weile kokettirt und Reklame ge-
macht, hatte man da mit geschäftsmännischem Genie das
erst hochmüthig Behandelte schließlich dankbar ausgenommen,
um es nun abermals und zwar als positiven Anziehungs-
punkt reklamehaft zu verwerthen; und das lohnte sich.
Auch die paar geduldigen wirklichen und anerkannten
 
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