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Die Kunst-Halle — 5.1899/​1900

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Nummer 4
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Meyer, Bruno: Der Kunstfrevel in der Berliner Sieges-Allee
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Zur Bilderpflege
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https://doi.org/10.11588/diglit.63303#0067

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Nr. §

Die A u n st - a N e

53

weisen und Gesinnungen aber sind weder zu lehren
noch anzuerziehen. Lehren lassen sich nur diejenigen
Dinge, die wir Thatsachen oder auch wohl „Wahr-
heiten" nennen. Die Erziehung aber schasst die
Zucht, jene sittliche Freiheit, die in der einsichtigen
und bewußten Unterwerfung unter die Regeln des
Gemeinschastlebens besteht. Ein zu sittlicher Freiheit
erzogener vorurtheilslos kenntnißreicher Mensch ent-
wickelt seine Gesinnungen selber. Systematische und
konsequente Versuche der Einimpfung von Gesinnungen
aber führen nur in den allerseltensten Fällen, und
dann mit Aufopferung der Festigung durch die eigene
innere Erfahrung und Gestaltung, zu etwas dem
beabsichtigten Ziele Aehnlichem. Zn der Regel er-
zeugen sie Lseuchelei oder Widersetzlichkeit. Religiöse
wie vaterländische Gesinnung hat nur Werth, wenn
sie als Blüthe einer freien und feinen rein mensch-
lichen Geistesbildung mit individueller Färbung hervor-
tritt. Man verarmt ein Genrüth, wenn man sich
vermißt, ihm fertig darzureichen, was nicht der Anfang,
sondern die Vollendung der niemals abgeschlossenen,
sondern sich in beständigem Flusse durch das ganze
Leben entwickelnden individuellen Bildung ist und nur
sein kann, wenn es an sich von Werth und für feinen
Besitzer von idealem Nutzen sein soll.
Wird die abergläubische Furcht vor einer rein-
menschlichen Bildung auch — und namentlich —
der breiten Volksmassen überwunden, so wird wahre
Gesittung das Ergebniß sein, und werden mit allem
anderen Rohheits - Verbrechen auch solche Sünden
wieder den heiligen Geist der Menschheit wie die in
der Siegesallee begangene aufhören, weil sie inner-
lich zu Unmöglichkeiten geworden sind.
Bruno Meyer.
X
Zur NilclerpkleAe.
(Schluß).
„Die zweite Art des Zerspringens der Farbe ist die
vollständige, bis auf den Malgrund der Leinwand. Die
Ursache dieses Zerreißens liegt hauptsächlich in der Bei-
mischung zu der verwandten Farbe; dieselbe zieht sich im
Laufe des langsamen vollständigen Erhärtens in sich zu-
sammen und bildet die verhaßten weißen Kanäle. Aber
dieser Grund ist es nicht allein, und abermals spielt die
Einwirkung der Feuchtigkeit ihre Rolle; diesmal durch das
Eindringen in die Rückseite der Leinwand. Ist die Farbe
lange elastisch und geschmeidig, so wird sie durch das Zu-
sammenziehen der Leinwand nach aufgenommener Feuchtig-
keit in sich zusammengeschoben; wird die Leinwand wieder
trocken, so dehnt sie sich aus, die einmal zusammen-
geschobene Farbe vermag aber nicht zu folgen, und die
ersten Risse sind da.
Menn die Farbe nicht geschmeidig ist, sondern hart
und spröde, so entstehen statt der Risse reibeisenartige
Brüche. Ze länger indeß die Farbe geschmeidig bleibt,
um so williger gehorcht sie dem wiederholten Zusammen-
ziehen der Leinwand. Nun wirken auch beide Faktoren
zusammen; erst hat die Farbschicht das Bestreben sich zu-
sammenzuziehen, und darin wird dieses Bestreben noch
unterstützt durch die Leinwand, die sich bei jeder Feuchtig-
keitsausnahme ebenfalls, und ganz erheblich, zusammen-
schiebt.
Um der Farbschicht die Fähigkeit zu nehmen, sich in
sich zusammenzuziehen, hat der Gedanke Berechtigung,

dieser durch Zuführung von darin eindringenden Stoffen
einen Ersatz zu leisten für die nach allen Richtungen hin
auftretende Verringerung ihres Volumens. Soviel sich
durch Zusammentrocknen an Substanz verliert, soviel Sub-
stanz wird wieder zugeführt. l)r. Büttner, Konservator
in Dessau, hat zu diesem Behuf ein Vaselin-Gel zubereitet.
Diese Flüssigkeit hat die Fähigkeit, sich in den Farben-
auftrag einzusangen und Substanz zu bilden, leider hat
sie auch die Eigenschaft, bei reichlichem Auftrag zu ver-
gilben und nachzudunkeln, weßhalb eine starke Anwendung
nicht rathsam erscheint.
Nach der Erfahrung des Erfinders sind Bilder, die
ansingen, Risse zu zeigen, damit angerieben, nicht nur
stehen geblieben, sondern die Risse haben sich sogar bei
häufiger Anwendung geschlossen. Bei Bildern, deren Rück-
seite, die Leinwand, nicht Gelegenheit hat, Feuchtigkeit
aufzunehmen, ist ein Aufhören des Reißens erklärlich; es
wird aber überall da wirkungslos sein, wo die Leinwand
von ihrer hygroskopischen Eigenschaft Gebrauch machen
kann, um sich selbst und damit die Farbe zusammenzu-
ziehen. Daher ist in erster Linie darauf Bedacht zu geben,
der Leinwand ihre hygroskopische Eigenschaft zu
nehmen. Es liegt nun nahe, dazu das Vaselin-Gel von
der Rückseite zu benutzen. Ls übt in der That auf die
Leinwand eine zusammenziehende Wirkung aus, so daß
auch ein Schließen bereits bestehender Risse möglich ist,
hat aber nicht die. Eigenschaft, die Leinwand vor dem
fernerer: Aufsaugen von Feuchtigkeit zu bewahren.
Um die jdrobe der Aufnahmefähigkeit für Feuchtigkeit
bei Ukal-Leinwand zn machen, habe ich bemalte und un-
bemalte Stücke der jetzt im Gebrauch befindlichen Sorten
von der Rückseite naß gemacht. Bei den nicht geölten
zieht sich die Leinwand so stark zusammen, daß Malgrund
und Farbe zerbrochen, zerknittert und in Runzeln zu-
sammengedrückt werden; die geölten verhalten sich zwar
etwas widerstandsfähiger, aber noch lange nicht genug, um
die Absorptionsfähigkeit für Feuchtigkeit aufzuheben. Selbst
die fernere Tränkung mit verschiedenen harzigen oder
öligen Stoffen erreicht dies noch immer nicht. Die Lein-,
wand bleibt trotzdem hygroskopisch und zieht sich nach auf-
genommener Feuchtigkeit gewaltsam zusammen.
Der richtige Schutz gegen Einwirkung von Feuchtigkeit
ist erst dann erreicht, wenn die Rückseite absolut un-
empfindlich gegen Nässe bleibt. Erst bei derartig be-
handelten Bildern ist es zu erwarten, daß ein ferneres
Reißen unterbleibt, wo, wie im Alten Museum in Berlin,
in den Räumen neben jedem Thermometer ein thygro-
meter hängt, und der Wärme- und Feuchtigkeitsgehalt der
Luft genau regulirt wird, können allerdings die Bedenken
gegen den Einfluß der Feuchtigkeit verschwinden; indeß
eine so musterhafte Soignirung der Kunstschätze wird nicht
oft in der Welt anzutreffen sein, und der Restaurator
wird immer gut thun, darauf nicht zu rechnen.
Man hat oft den verständnißlosen Versuch gemacht,
Bilder, bei denen sich Risse zeigten, mit einer Glasscheibe
zu bedecken. Gegen die Glasscheibe als Schutz gegen
Verschmutzen und gegen Berührungen ist nichts einzu-
wenden, auf das weitere Verhalten des Bildes hat sie
aber nicht nur keinen günstigen Einfluß, sondern direkt
ungünstigen, da zwischen Bild und Glas eingedrungene
Feuchtigkeit schwerer entweichen kann, und darum ebenso
wirkt, wie zwischen Doppelfenstern.
 
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