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Die Kunst-Halle — 5.1899/​1900

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Nummer 15
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Genfel, Walther: Alfred Stevens
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Galland, Georg: Zur Erinnerung an Gottfried Schadow
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https://doi.org/10.11588/diglit.63303#0265

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Nr. s5

4- Die Kunst-Halle

229

er Liner unter Vielen. Nicht nur die in allen Dingen
konservativen Söhne der Herzöge und Grafen des
Second Empire, sondern auch die Freunde der Im-
pressionisten bleiben vor den älteren Bildern stehen
und gehen an den neuen vorüber.
Der lverth solcher Sonderausstellungen wird
immer mehr erkannt. Sie machen uns den schlechten
Künstler vollends unerträglich und lassen uns den
guten erst recht lieb gewinnen. Stevens hat die
Hrobe glänzend bestanden. Möge der schöne Erfolg
auf sein verbittertes und vereinsamtes Alter einen
lViederschein des einstigen Glanzes werfen!
Lur krinlMling
an SottMea Zcvaaow isso).
Von Georg Galland.
II.
aß Schadow sich nicht auf der einmal er-
folgreich betretenen Bahn des Klassizis-
mus konsequent weiter entwickelte, daß, im Gegentheil,
das in seiner Kunst vorübergehend unterdrückte Vater-
ländische immer sichtlicher wieder zum Ausdruck
kam, wurde schon hervocgehoben. Man muß dabei
aber wahrnehmen, daß sein am märkischen Boden
haftendes, durch die Erinnerungen an die große
friderizianische Zeit genährtes, also gleichsam konkretes
Heimathsgefühl doch dem Wesen nach verschieden
war von jener nationalen Begeisterung, die darauf
durch die Befreiungskriege erwachte, während Bauch
selbst in der Ferne, in Italien, im Geiste der deut-
schen Volksbewegung, ergriffen folgte — findet sich
in Schadows Schriften nicht eine Stelle, die auf ein
gleiches Mitgefühl schließen läßt. Er blieb Hreuße
der friderizianischen Zeit; und diese reaktionäre
Empfindung ließ ihn auch als Künstler nur bis zu
einer gewissen Grenze der neuen formalen Richtung
folgen, die immer deutlicher den künstlerischen Aus-
druck des neuen Zeitgeistes bildete. Am meisten ge-
fördert hat seinen Umschwung zum Realen natürlich
die große Aufgabe seines Lebens: das Friedrichs-
den km al.
Gerade im Jahre der Vollendung des Grab-
mals in der Dorotheenstädtischen Kirche lebte der
Hlan für jenes National-Monument wieder auf, dieses
Mal an zwei Stellen, in Berlin und in Hommern.
Für Berlin erklärte der regierende König das Werk
auf seine Kosten Herstellen zu wollen. Ferner dekretirte
Friedrich Wilhelm II.: es müsse eine „Statue im
römischen Kostüm" werden, „weil unsere zusammen-
gestickte faltenlose Kleidung sich in solchem Denkmale
nicht zieme".
Schadow war im Herzen anderer Meinung,
wenn er auch immer wieder, dem allgemeinen Ge-
schmack nachgebend, neben seinen Entwürfen mit dem
Zeitkostüm auch solche mit antiker Gewandung

komponirte. Seine Ueberzeugung wurde noch durch
die Erfahrungen auf einer amtlichen Studienreise
nach Kopenhagen und Stockholm, die freiwillig nach
St. Petersburg ausgedehnt wurde, bestärkt; offiziell
sollte er lediglich das technische Verfahren des Bronze-
gusses studiren. Er bewunderte vor Allem das
Stockholmer Gustav Adolph-Denkmal von Sergell,
weil hier der Schwedenkönig kostümlich getreu nach
dem Leben dargestellt ist. Jede fremde Tracht,
meinte er hierzu, ist eine Verstellung und dient nur
dazu, die Sache unkenntlich zu machen. Innerlich
fing damals bei Schadow der nordische Realismus
an über den Idealismus des Südens zu triumphiren.
Der erste monumentale versuch in der neuen
Richtung ist das 7 Fuß hohe Standbild Friedrichs
des Großen in Stettin, enthüllt im Oktober s793.
Der König trägt Generals-Uniform, dreieckigen Hut
und Hermelinmantel. Das wirkt zusammen immer
etwas gesucht; auch fehlt es hier nicht an einigen
allegorischen Hinweisen. Befriedigt war deshalb der
Meister keineswegs von dieser Lösung der Aufgabe.
Die erste wirklich neue That seines Realismus
war das Zieten stand bild auf dem wilhelmsplatz
von s?9ch das später durch eine Bronzekopie ersetzt
wurde. Hier ist eine streng zeitgeschichtliche Figur-
gegeben und eine schlichte, aber markante Hose für
einen Truppenführer gewählt. Die drei Reliefs am
Hostament schildern in sonderbar abgekürzter weise
drei Kriegsthaten Zietens; ihr halb malerischer halb
plastischer Stil entspricht der knappen künstlerischen
Ausdrucksweise der Hauptfigur. Aehnlich charakteristisch
wirkt die Statue des Alten Dessauers von s800,
die ursprünglich im Lustgarten stand; aber nicht ganz
so glücklich wie der Zieten.
Diese und andere Denkmalsarbeiten zeigen deut-
lich die Richtung an, in der sich der unermüdliche
Bildhauer immer entschiedener bethätigen wollte.
Aber das große Werk blieb auch in der Folgezeit
aus, und statt der Erfüllung seiner Hläne zog sich
die Angelegenheit des Friedrichsdenkmals fruchtlos
durch drei Dezennien. Mancher wird da vielleicht
an Michelangelo und sein Hapst Giulio-Denkmal in
Ron: erinnert werden, wenn unser Meister die Ent-
täuschung minder tragisch empfand als der große
Buonarroti, so geschah das wohl darum, weil für
ihn ein thatsächliches Recht auf diese Arbeit nicht
bestand. Bewarben sich doch sortgesetzt neben ihm
Andere, auch Maler und Architekten. Auf den
Berliner Kunstausstellungen z. B. von NsH und s?97
wimmelte es förmlich von Modellen und Zeichnungen
zu einem Friedrichsdenkmal. In letzterem Jahre
hatte Schadow allein wieder 7 neue verschiedene Ent-
würfe hergestellt: 2 Standfiguren, 3 Reiterfiguren,
s Thronender Friedrich und s Sarkophagfigur für
ein Mausoleum. Noch unter diesen Ideen befanden
sich einzelne, die mit des regierenden Königs notorischer
Vorliebe für das antike Feldherrnkostüm rechneten;
 
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