Universitätsbibliothek HeidelbergUniversitätsbibliothek Heidelberg
Metadaten

Die Kunst-Halle — 5.1899/​1900

DOI Heft:
Nummer 23
DOI Artikel:
Kunstchronik
DOI Seite / Zitierlink: 
https://doi.org/10.11588/diglit.63303#0415

DWork-Logo
Überblick
loading ...
Faksimile
0.5
1 cm
facsimile
Vollansicht
OCR-Volltext
Nr. 23

Die Run st-Halle

363

Jahren seines Kunstschaffens am Münchener pofe bildet
sich Candid einen eigenen Stil, der so den gegebenen Ver-
hältnissen, Land und Leuten angepaßt erscheint, daß er fast
als national bezeichnet werden kann und die große Popu-
larität und wahre Werthschätzung erklärlich macht, deren
sich der Künstler zu allen Zeiten erfreute.
Mit Pilse der erhaltenen prachtvollen Kunstdenkmäler,
vor Allem auch an der pand zahlreicher vortrefflicher
Zeichnungen Candids skizzirt der Verfasser die künstlerische
Persönlichkeit des Meisters in scharfen Umrissen.
Nachdem Candid in Italien an den bedeutendsten
Meistern der Pochrenaissance gelernt hatte und auch in
engere Beziehungen zu der Schule vasaris getreten war,
die sich das Studium und ost ja auch die Nachahmung der
großen Italiener zur Pflicht gemacht hatte, wurde er ;586
von perzog Wilhelm V. von Florenz nach München berufen.
In der ersten Zeit seiner Münchener Thätigkeit sehen wir
den Künstler noch nach Entwürfen des Sustris arbeiten,
doch schon vor Z600 werden im Antiquarium große
dekorative Werke geschaffen, an deren Ausführung eine
Anzahl Schüler Candids betheiligt war. Von zahlreichen
bedeutenden Altarbildern und Tafelgemälden abgesehen,
entstehen nach ;600 in rascher Folge die berühmten Gobelin-
entwürfe für die Münchener Residenz, der Bennobogen in
der Frauenkirche, dann seit ;6;2 die künstlerisch vortreff-
lichen und aus das Sorgfältigste vom Meister selbst aus-
geführten Deckenmalereien in den Trierzimmern. Pier wie
in den später vollendeten Steinzimmern (—töt?') und dein
Kaisersaale wendet Candid allerdings mit manchen deutschen
Modifikationen das venetianische Dekorationsprinzip an,
wofür die Sala del Maggior Lonsiglio im Dogenpalaste
das berühmteste Beispiel ist: In der polzdecke mit theil-
weiser Vergoldung sind große Gemälde aus Leinwand ein-
gelassen, unter der Decke zieht sich ein Fries hin, der durch
kleinere Bilder belebt ist. In der Kaisertreppe und dem
Wappengange dagegen finden wir Gewölbe mit stuckirten
Theilungslinien, im Scheitel Füllungen mit figürlichen
Malereien, auf den Gewölbeflächen Grottesken.
Jin alten Schleißheimer Schlosse (- ;620), dem letzten
bedeutenden Werke Candids, sind die Gewölbe der Räume
in Rustikatechnik behandelt und durch einzelne Füllungen
mit allegorischen Figuren dekorirt, die zum Besten und
Schönsten gehören, was uns von Gewölbemalereien dieser
Zeit in Deutschland erhalten ist. Die ausführenden Künstler
bei allen diesen Werken Candids waren zum größten Theile
Deutsche, im Gegensatz zu der früheren Kunstperiode unter
Sustris vor Z600.
Mit Candids Tode (;628) kann die Entwickelung der
Renaissancemalerei am bayerischer: pofe als abgeschlossen
erachtet werden. Als dann nach dem dreißigjährigen
Kriege, in dein an ein wirkliches Fortblühen der Künste
nicht zn denken war, sich die Verhältnisse wieder zu festigen
begannen, traten unter dem Einflüsse der Gegenreformation
andere künstlerische Strömungen aus, die für Alibayern
den Sieg des italienischen Barocks bedeuteten, das unter
Kurfürst Ferdinand Maria in München seinen Einzug hielt."
Aunskchronik.
* Berlin. In den Ausstellungsräume!: der Kgl.
Akademie der Künste wird im kommenden perbst eine

Franz von Defregger-Ausstellung, welche die Zeit von
Ende Oktober bis Mitte Dezember umfassen wird, eröffnet
werden. Nach der Ludwig Knaus- und der B. vautier-
Ausstellung in Berlin wird man auch dieser Sammlung,
die sehr umfangreich zu werden verspricht, die gebührende
Beachtung schenken.
* Berlin. Am westliche:: Pauxtportal des Domes
werden jetzt zwei überlebensgroße Engelssigu ren (z,?o rn
hoch), „Gnade" und „Wahrheit" versinnlichend, aufgestellt;
sie sind, angeblich nach den Entwürfen des Kaisers, von
Prof. Wiedemann modellirt und in Kupfer getrieben
worden.
* Berlin. In Ed. Schultes Kunstsalon ist der
nunmehr in modernem Sinne geschmackvoll umgestaltete
sogenannte elektrische Saal wieder geöffnet worden und
zwar mit der Ausstellung des Max Klingerschen Zyklus
„Wandschmuck für eine Villa", figürliche und landschaft-
liche Vorwürfe, welche bekanntlich wegen ihres großen
farbigen Reizes zu den besten Arbeiten des Meisters ge-
hören, und ferner einer Kollektion des talentvollen Bracht-
Schülers Günther-Meltzer, ernste großzügige Landschaften
voll Stimmung und Wirkung. Auch hat die Kollektion
von A. p. Schram in den letzten Tagen noch eine wesent-
liche Bereicherung erfahren.
* Fraustadt (Posen). Die von: preußischen Kultus-
ministerium dem Berliner Geschichtsmaler Fritz Grote-
meyer in Auftrag gegebene Malerei, „Rückkehr des
Arminius nach der Schlacht im Teutoburger Walde", welche
die Aula des hiesigen Gymnasiums schmücken wird, ist in:
Atelier des Künstlers vollendet. Das Gemälde hat das
Format 6 X 3 Meter.
* Krefeld. Pier wurde kürzlich eine Ausstellung
moderner, nach Künstler-Entwürfen ausgeführter Damen-
kleider eröffnet.
* Köln. Für ein Museum für Völkerkunde stiftete
Frau Kommerzienrath Rautenstrauch die Summe von
250000 Mk.
* Bamberg. 8io transit Aloriu muucli. Durch
Inserate wird das berühmte Bauwerk der Barockzeit,
das Prellshaus, aus Abbruch zum Kauf ausgeboten. Es
heißt in der Anzeige u. a.: Ein Kunstschatz, erste Sehens-
würdigkeit, das prellshaus in Bamberg, ist zu verkaufen.
Dasselbe besteht aus 6 Prachtportalen, 70 Fensterstöcken,
jedes mit anderen reichen Skulpturen, Ballustraden, Vasen,
Figuren, Büsten, Kapitälen, Aussätzen und Bekrönungen,
sämmtliches aus wetterfesten:, harten: Sandstein in tadel-
losem Zustande, wird auch nach Vereinbarung unbeschädigt
unter Garantie an jede Baustelle geliefert. (Alle Achtung
vor der Gesinnung der heutigen Bamberger! D. R.)
* Ulm. Line katholische Garnisonkirche wird nach
Plänen des Baudirektors Meckel in Freiburg errichtet
werden. Baubeginn im nächsten Frühjahr. Kosten ca. 800000
Mark. — Für die Renovirungsarbeiten am Münster sind
noch p/2 Mill, erforderlich, die dnrch eine neuerliche Lotterie
ausgebracht werden sollen.
* Reichenberg (Böhmen). Die Fachschulenaus-
stellung im Nordböhmischen Gewerbe-Museum ist für die
Dauer von: t5. bis 30. September festgesetzt und übertrifft
ihre beiden Vorgängerinnen von ;888 nnd ;89-t quantitativ
und qualitativ bedeutend. Zum ersten Male sind alle
kunstgewerbliche!: Fachschule:: des Reichenberger Kammer-
bezirkes vereinigt, nämlich Gablonz, Grülich, paida, pohen-
elbe, poritz, Königgrätz, Königinhof, Lomnitz a. p., Nachod,
Nixdors, Reichenau a. K., Reichenberg, Rochlitz, Rumburg,
Schluckenau, Schönlinde, Starkenbach, Starkstadt, Steinschönau,
Texlitz, Turnau und Warnsdorf u. zwar mit gediegenen Leistun-
gen. Gerade in der Zeit der Stilbildung ist die Erkenntnis;
wichtig, daß die Direktionen nicht nur auf die pflege der
besten Traditionen ihrer Anstalten Gewicht legen, sondern
auch den ästhetischen Anforderungen unserer Tage gerecht
zu werden bemüht sind, was namentlich bei einzelnen An-
stalten bereits zu Schöpfungen führte, die geradezu als
absolut gelungen und mustergiltig im modernen Geiste be-
zeichnet werden können.
* Paris. Kongresse. Lin Internationaler Kon-
greß für öffentliche Kunst sand in den Tagei: vom
8. bis August statt. Damit verbünde:: war eine Aus-
stellung von Stadtansichten und Ausnahmen von Bau-
 
Annotationen