Die Aunst-^alle
Nr. 7
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stellen ließ. An den schlaffen Bauchdecken sehen
wir auch, daß die Göttin schon einmal geboren
haben muß, daß sie vielleicht schon eine inultipara
ist — das kommt davon, wenn man das Modell
einfach abschreibt. Beruhigen wir uns jedoch —
die Göttin ist ja verheirathet.
Das Merk wurde um 35000 Mk. verkauft.
Herr M. findet den Preis unsinnig. Das möchte ich
nicht sagen. In der Preisbestimmung eines Kunst-
werkes giebt die Liebhaberei den Ausschlag, der
Preis aber für die Amphitrite ist nicht Kenner-
sondern Liebhaberpreis und mitbestimmt durch den
Namen Klinger. Ich möchte hier an ein Wort der
Kaiserin Elisabeth zu Lhristomanos erinnern: „Man
sollte alle Sachen", sagte die hohe Frau, „nach dem
werthe bezahlen, den sie für uns haben. Es giebt
nichts Absolutes in unserem Umkreise. Ich würde
für ein Buch, das ich gerne haben möchte oder für
eine Blume, die sehr hoch auf einer Hecke steht,
mehr ausgeben als für ein Haus." So zu denken
und zu zahlen, können sich eben reiche Leute ge-
statten.
Ich schließe hiermit meine Bemerkungen, die sich
indessen leicht vermehren ließen.
Mit der Bitte also, diese Zeilen in Ihre „Kunst-
volle" aufnehmen zu wollen, verbleibe ich
in Hochachtung und Ergebenheit
Robert Wirth.
Plauen V., den sO. Dezember s89ft.
Müycheyer Griek.
Von Leopold Gustav.
ie „Sezession" führt uns in der Mitte Dezember er-
öffneten Winterausstellung Donatello und Velasquez
in Nachbildungen vor. Da wir hier, sonderbar genug, noch
immer keine Abgüsse der Werke des großen Florentiners be-
sitzen, so ist diese Ausstellung recht verdienstlich. Die Ab-
güsse sind nach dem Original getönt und geben diese 69
Nummern von Donatello einen guten Begriff seiner Art;
weitere so Nummern in photographischen Abbildungen sind
als Ergänzung jener Sammlung hinzugesügt. Da das
Publikum sonst wohl selten Muße findet, derartige Werke
zu sehen, so dürfte die Ausstellung dieser Reproduktionen
seinen Zweck nicht verfehlen. Mn so mehr als es auffallen-
muß, wie viel die individuelle Plastik Donatellos sich mit
dem besten unserer Tage berührt, von velasquez besitzt
unsere Pinakothek ja so wenig, daß es gleichfalls nicht un-
nöthig war, die Gemälde dieses Meisters in Kopien und
Reproduktionen vorzusühren. — Die Zahl der Kopien, die
übrigens bereits in Berlin schon ausgestellt waren, ist zwar
keine erhebliche, aber es ist Einzelnes von Belang darunter.
So der Don Juan d'Austria von Lenbach, ein Bildniß von
Pradilla, Arbeiten von Penther, Hornstein, Kornelia Paczka
und Franz paczka. Immerhin hat es erstaunt, daß grade
die „Sezession" mit dieser retrospektiver! Ausstellung hervor-
getreten ist.
Aus dem Kunstverein ist nicht viel Neues, noch
weniger Bedeutsames zu melden. Die Bilder hängen hier
wieder so dicht wie einst und verderben dadurch den intimen
Charakter der Räume. Paul Klinisch' Landschaften aus
dem Taunus zeigen den jungen Maler in tüchtigem Fort-
schritt; dagegen steckt Jakob Nußbaum trotz einzelnem Gmen
noch tief in den Kinderschuhen der pleinairbehandlunq.
Bössenroths Herbstlandschasten zeigen zwar keinen Reichthum
an Motiven, aber seine Farbenstimmung. Seine Sachen sind
ausgeglichener als früher. — —
Auch wenn wir, nach Schluß des Jahres, uns über
die Tageskritik stellend, Umschau halten, müssen wir die
Thatsache konstatiren, daß unser so geräuschvolles Kunst-
leben sich wieder in einer Epoche des innern Stillstandes
befindet. Und eine andere Thatsache nicht minder eigen-
thümlicher Art ist die, daß im Lause der Zeiten Viele, die
einst beim Austauchen von einer Klique begeistert gepriesen
wurden, ruhig wieder vom Schauplatz verschwanden. Man
hat sie nicht zur Reise kommen lassen. Ls fehlte ihnen
die Ruhe des Schaffens, der Respekt vor der abgerundeten
Leistung, womit auch jene so ost getadelte Ueberschätzung
der Skizze zusammenhängt. Ein Beispiel hierzu: Exter,
jenes schon so lange zu den „schönsten Hoffnungen" be-
rechtigende Talent, das immer noch nicht fertig ge
worden ist.
Wie wird ferner im Kunstgewerbe nach dem Styl der
Zukunft gesucht. Mit welchem Eifer, mit welch heißem
Bemühen, mit welchem Aufwand von Raffinement. Aber
in künstlerischen Dingen gilt wohl kaum, wer sucht, der
findet. Es ist nicht der Verstand, der die Kunst macht! . . .
Ist es nicht heute ein — Armuthszeugniß, wenn wir
aus wahrer Verlegenheit zum Biedermeierstyl zurückgreisen,
nur weil dessen kleinstädtische Traulichkeit wohlthuend aus
unsere überreizten Großstadtnerven wirkt . . . And dem-
ungeachtet: grade die Nervosität ist es, die nicht nur in
der Malerei das zeitgemäße Gepräge bildet: Habermann
und Richard Strauß, Maeterlinck und die Düse, da haben
wir, willkürlich herausgegriffen, einige Vertreter der ner-
vösen Kunst aus verschiedenen Gebieten. Stehen nicht diese
und verwandte Größen allzu stark in ihrer Zeit, statt wie
das Genie über ihr zu stehen? Ich glaube, es steckt zuviel
Temperament und Blut in ihnen, als daß sie nicht auch zu
kommenden Tagen sprechen müßten. Aber welche Em-
pfindungen werden sie dann in den Genießenden wachrusen?
Reine und erhebende wohl nicht, das ist sicher.
Die Unruhe in der künstlerischen Produktion findet
ihre Erklärung naturgemäß auch in den wirthschastlichen
Ursachen. So bedeutend der Absatz heute ist, er steht zum
Angebot noch immer im starken Mißverhältniß. Ls ist mir
ein Münchener Maler bekannt, welcher in den letzten zwei
Jahren kaum 2000 Mark eingenommen hat. wenn dies
Einer der Allzuvielen wäre, so wäre nichts Sonderliches
dabei, aber es ist Einer, von dem man, wie Dr. Weiße in
„Sodoms Ende" sagen kann: „man nennt ihn eine Berühmt-
heit; schlagen Sie irgend eine Zeitung aus, so finden Sie
sicherlich seinen Namen". Ls ist ja hinlänglich bekannt, daß
alle die Sezessionen und Separationen in erster Linie nicht
durch rein künstlerische Differenzen gezeitigt wurden, sondern
aus dem Streben der Einzelnen, sich der erdrückenden Masse
zu entziehen. Und gewiß ist es menschlich verzeihlich, wenn
Jemand, dem es in natürlicher Haltung an Erfolg fehlt,
sich einmal gleichsam aus den Kops stellt. Für die Un-
sicherheit unserer ästhetischen Begriffe freilich ist es be-
zeichnend genug, daß sofort viele sich dem Manöver des
Kopsstehens anschließen. Aber der damit gewonnene Ruhm
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stellen ließ. An den schlaffen Bauchdecken sehen
wir auch, daß die Göttin schon einmal geboren
haben muß, daß sie vielleicht schon eine inultipara
ist — das kommt davon, wenn man das Modell
einfach abschreibt. Beruhigen wir uns jedoch —
die Göttin ist ja verheirathet.
Das Merk wurde um 35000 Mk. verkauft.
Herr M. findet den Preis unsinnig. Das möchte ich
nicht sagen. In der Preisbestimmung eines Kunst-
werkes giebt die Liebhaberei den Ausschlag, der
Preis aber für die Amphitrite ist nicht Kenner-
sondern Liebhaberpreis und mitbestimmt durch den
Namen Klinger. Ich möchte hier an ein Wort der
Kaiserin Elisabeth zu Lhristomanos erinnern: „Man
sollte alle Sachen", sagte die hohe Frau, „nach dem
werthe bezahlen, den sie für uns haben. Es giebt
nichts Absolutes in unserem Umkreise. Ich würde
für ein Buch, das ich gerne haben möchte oder für
eine Blume, die sehr hoch auf einer Hecke steht,
mehr ausgeben als für ein Haus." So zu denken
und zu zahlen, können sich eben reiche Leute ge-
statten.
Ich schließe hiermit meine Bemerkungen, die sich
indessen leicht vermehren ließen.
Mit der Bitte also, diese Zeilen in Ihre „Kunst-
volle" aufnehmen zu wollen, verbleibe ich
in Hochachtung und Ergebenheit
Robert Wirth.
Plauen V., den sO. Dezember s89ft.
Müycheyer Griek.
Von Leopold Gustav.
ie „Sezession" führt uns in der Mitte Dezember er-
öffneten Winterausstellung Donatello und Velasquez
in Nachbildungen vor. Da wir hier, sonderbar genug, noch
immer keine Abgüsse der Werke des großen Florentiners be-
sitzen, so ist diese Ausstellung recht verdienstlich. Die Ab-
güsse sind nach dem Original getönt und geben diese 69
Nummern von Donatello einen guten Begriff seiner Art;
weitere so Nummern in photographischen Abbildungen sind
als Ergänzung jener Sammlung hinzugesügt. Da das
Publikum sonst wohl selten Muße findet, derartige Werke
zu sehen, so dürfte die Ausstellung dieser Reproduktionen
seinen Zweck nicht verfehlen. Mn so mehr als es auffallen-
muß, wie viel die individuelle Plastik Donatellos sich mit
dem besten unserer Tage berührt, von velasquez besitzt
unsere Pinakothek ja so wenig, daß es gleichfalls nicht un-
nöthig war, die Gemälde dieses Meisters in Kopien und
Reproduktionen vorzusühren. — Die Zahl der Kopien, die
übrigens bereits in Berlin schon ausgestellt waren, ist zwar
keine erhebliche, aber es ist Einzelnes von Belang darunter.
So der Don Juan d'Austria von Lenbach, ein Bildniß von
Pradilla, Arbeiten von Penther, Hornstein, Kornelia Paczka
und Franz paczka. Immerhin hat es erstaunt, daß grade
die „Sezession" mit dieser retrospektiver! Ausstellung hervor-
getreten ist.
Aus dem Kunstverein ist nicht viel Neues, noch
weniger Bedeutsames zu melden. Die Bilder hängen hier
wieder so dicht wie einst und verderben dadurch den intimen
Charakter der Räume. Paul Klinisch' Landschaften aus
dem Taunus zeigen den jungen Maler in tüchtigem Fort-
schritt; dagegen steckt Jakob Nußbaum trotz einzelnem Gmen
noch tief in den Kinderschuhen der pleinairbehandlunq.
Bössenroths Herbstlandschasten zeigen zwar keinen Reichthum
an Motiven, aber seine Farbenstimmung. Seine Sachen sind
ausgeglichener als früher. — —
Auch wenn wir, nach Schluß des Jahres, uns über
die Tageskritik stellend, Umschau halten, müssen wir die
Thatsache konstatiren, daß unser so geräuschvolles Kunst-
leben sich wieder in einer Epoche des innern Stillstandes
befindet. Und eine andere Thatsache nicht minder eigen-
thümlicher Art ist die, daß im Lause der Zeiten Viele, die
einst beim Austauchen von einer Klique begeistert gepriesen
wurden, ruhig wieder vom Schauplatz verschwanden. Man
hat sie nicht zur Reise kommen lassen. Ls fehlte ihnen
die Ruhe des Schaffens, der Respekt vor der abgerundeten
Leistung, womit auch jene so ost getadelte Ueberschätzung
der Skizze zusammenhängt. Ein Beispiel hierzu: Exter,
jenes schon so lange zu den „schönsten Hoffnungen" be-
rechtigende Talent, das immer noch nicht fertig ge
worden ist.
Wie wird ferner im Kunstgewerbe nach dem Styl der
Zukunft gesucht. Mit welchem Eifer, mit welch heißem
Bemühen, mit welchem Aufwand von Raffinement. Aber
in künstlerischen Dingen gilt wohl kaum, wer sucht, der
findet. Es ist nicht der Verstand, der die Kunst macht! . . .
Ist es nicht heute ein — Armuthszeugniß, wenn wir
aus wahrer Verlegenheit zum Biedermeierstyl zurückgreisen,
nur weil dessen kleinstädtische Traulichkeit wohlthuend aus
unsere überreizten Großstadtnerven wirkt . . . And dem-
ungeachtet: grade die Nervosität ist es, die nicht nur in
der Malerei das zeitgemäße Gepräge bildet: Habermann
und Richard Strauß, Maeterlinck und die Düse, da haben
wir, willkürlich herausgegriffen, einige Vertreter der ner-
vösen Kunst aus verschiedenen Gebieten. Stehen nicht diese
und verwandte Größen allzu stark in ihrer Zeit, statt wie
das Genie über ihr zu stehen? Ich glaube, es steckt zuviel
Temperament und Blut in ihnen, als daß sie nicht auch zu
kommenden Tagen sprechen müßten. Aber welche Em-
pfindungen werden sie dann in den Genießenden wachrusen?
Reine und erhebende wohl nicht, das ist sicher.
Die Unruhe in der künstlerischen Produktion findet
ihre Erklärung naturgemäß auch in den wirthschastlichen
Ursachen. So bedeutend der Absatz heute ist, er steht zum
Angebot noch immer im starken Mißverhältniß. Ls ist mir
ein Münchener Maler bekannt, welcher in den letzten zwei
Jahren kaum 2000 Mark eingenommen hat. wenn dies
Einer der Allzuvielen wäre, so wäre nichts Sonderliches
dabei, aber es ist Einer, von dem man, wie Dr. Weiße in
„Sodoms Ende" sagen kann: „man nennt ihn eine Berühmt-
heit; schlagen Sie irgend eine Zeitung aus, so finden Sie
sicherlich seinen Namen". Ls ist ja hinlänglich bekannt, daß
alle die Sezessionen und Separationen in erster Linie nicht
durch rein künstlerische Differenzen gezeitigt wurden, sondern
aus dem Streben der Einzelnen, sich der erdrückenden Masse
zu entziehen. Und gewiß ist es menschlich verzeihlich, wenn
Jemand, dem es in natürlicher Haltung an Erfolg fehlt,
sich einmal gleichsam aus den Kops stellt. Für die Un-
sicherheit unserer ästhetischen Begriffe freilich ist es be-
zeichnend genug, daß sofort viele sich dem Manöver des
Kopsstehens anschließen. Aber der damit gewonnene Ruhm