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Die Kunst-Halle — 5.1899/​1900

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Nummer 13
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Galland, Georg: Das Frauenkostüm in der Kunst der letzten Jahrhunderte: ein Vortrag von Georg Galland
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Gustav, Leopold: München: Frühjahrs-Ausstellung der "Sezession"
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https://doi.org/10.11588/diglit.63303#0231

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Nr. p

4- Die Kunst-Halle

l99

toilette. Aber die Volkstracht blieb auch in Spanien
damals von solchen Uebertreibungen merkwürdig un-
beeinflußt.
So tyrannisch wie einst die spanische Hofmode,
war darauf die französische unter Ludwig XlV.
Ihr Lrgebuiß ist z. B. das Korset und die Wespen-
taille, die sog. Stöckelschuhe und eine hochgethürmte
Spitzenhaube, die man nach der Mad. de Fontauges
benannte, von den beiden Kleidern, die auch damals
zum Salonkostüm gehörten, war das Gberkleid meist
weit geöffnet und zur Schleppe verlängert. Das
Unterkleid ließ vorn manchmal die Füße sehen, die
dagegen in früheren Jahrhunderten sorgfältig versteckt
wurden... Gewiß gab es damals auch ein Haus-
kleid, ein Neglige von einfacher gefälliger Form.
Und es spricht sehr für den Geschmack der belieb-
testen französischen Porträtkünstler jener Zeit, daß sie
der Kranäe prwnre der pariser Modedame das ein-
fache Neglige sichtlich vorzogen. In Folge dessen
konnte die Auffassung ihrer Bildnißschöpfungen durch
echt französische Grazie glänzen. Freilich, in der
Fähigkeit, menschliche Physiognomien zu beseelen, ver-
mochten die Nigaud, Miguard, Nattier, Largilliere
nicht mit den ältern großen Meistern zu rivalisiren.
Das lag aber wohl ebenso sehr an den Modellen.
Jedenfalls drängte der gewählte Geschmack der
besten Maler oftmals zu einer geistreichen Umgehung
der tatsächlichen Mode. Und da überhaupt die
Tendenz der französischen Kunst in jenen Epochen
eine Verklärung der Wirklichkeit erstrebte — so wurde
das Idealismen auch des Bildnisses dort immer mehr
üblich. Und dies erscheint uns noch als ein wahres
Glück, wenn man erwägt, welchen Einfluß auf den
Ausdruck des weiblichen Kopfes jetzt Puder, Schminke
und Schönheitspflästerchen ausübten. Dazu kam auch
im l.8. Jahrhundert die Neubelebung der Krinoline ...
Von alledem geben uns die berühmten Rokoko-Maler
die Watteau, Boucher, Laueret, Antoine pesne, unr-
einen verhältnißmäßig schwachen Begriff. Und wenn
sie uns ihre graziösen Ouellnymphen und ihre Hir-
tinnen beim Tanz oder Spiel schildern, so ahnen
wir eben nur die seltsamen Kontraste des französischen
Hofkostüms unter Ludwig XV., das eine maßlos
eingeengte Taille, ein zierliches Köpfchen mit niedriger
Frisur und einen ungeheuren Reifrock für ein Unter-
und ein Gberkleid verlangte.
Die Krankheitsgeschichte der Mode hatte aber
selbst damit im s8. Jahrhundert noch nicht ganz
ausgespielt. Auf die niedrigen Frisuren folgten aber-
mals die hohen. Dementsprechend überzeugt mm:
sich aus den französischen und englischen Zeit-
gemälden, daß hohe Stirn und hochgekämmtes Haar
wieder für schön gelten. Außerdem kamen nach
sOOjähriger Pause die Hüte wieder auf, bei uns
z. B. der schlichte Wertherhut mit schmalem Rande,
in England und in Frankreich breitränderige Hüte
zumeist nut Band- und Federbesatz. Gainsborough,

Reynolds, Lawrence, Höppner u. A. haben sehr sym-
pathisch wirkende Porträts mit solcher Kopfbeklei-
dung gemalt.
In Frankreich erzeugte endlich die Mode, bevor
sie vollends zur Einfachheit des Empires überging,
eine wahrhaft groteske Ausgeburt, das eigentliche
Revolutions-Kostüm, für das die Namen „Incroyable"
und „Merveilleuse" damals aufkamen. Die Mer-
veilleuse protestirte in jener sozialen Sturmzeit in
Kleidung und auch in Haltung gegen die Ueberkultur,
die Verfeinerung der bisherigen höfischen Moden.
Sie that es durch eine Tracht, die im wesentlichen
aus einem sonderbar zugeschnittenen Stücke bestand,
auch durch ihre wilde Frisur. Für 'die künstlerische
Darstellung war sie indeß kein geeignetes Objekt; sie
wirkte mehr als lebende Karikatur.
Schroffheiten des Modegeschmacks, hervorge-
gangen aus dem plötzlich und tief in die öffentlichen
Verhältnisse einschneidenden Gesinnungswechsel einer
Zeit, hatten begreiflicher weise stets nur kurze Lebens-
fähigkeit ... Das ist auch in Ihren Kreisen voll-
ständig gewürdigt worden. Sie erstreben daher, im
Begriff, eine Reform der heutigen Frauentracht nach
praktisch-hygienischen Grundsätzen durchzuführen —
dennoch keinen Gegensatz zur bisherigen Tradition
des weiblichen Kostüms. Als Betheiligte und Kenne-
rinnen mögen Sie selber entscheiden, was werth sei,
daß es im neuen Kleiderreiche fortlebe. Schwer ist
freilich zugleich zu wissen, was Bestand haben wird;
und ich schließe mich gern jenen Worten der geehrten
Rednerin an, die hier früher über „Die Zukunft der
Mode" die Worte sprach: es kommt in dieser Frage
allein auf das Publikum an. Ich unterlasse es aber
vor Allem nicht, den damals daran geknüpften Wunsch
zu wiederholen: den eigenen Geschmack zu bilden und
zu Nathe zu ziehen, die Gesetze der Schönheit zu
studiren!
Denn das haben ja grade die großen Künstler
gethan, denen es gelang, das angebliche Laster
kostümlicher Eitelkeit durch ihre Schöpfungen zu ver-
golden.
München: sriibjalm-
-lusstellung üer „Zerezzion."
von Leopold Gustav, München.
^an darf einige der jüngeren Künstler zu ihren
Fortschritten beglückwünschen. Ls gilt dies be-
sonders von den beiden Zügel-Schülern Schramm und Wolff,
von Rudolf Schramm-Zittau hatten wir ja schon manches
treffliche Hühnerbild gesehen. Allein es war doch meist
bei einer interessanten Skizze geblieben; aber eine so ge-
schlossene Bildwirkung, wie in einem der hier befindlichen
Stücke dieser Gattung, erreichte Schramm bisher noch nie-
mals. wie famos ist Sonne und Luft behandelt, die
 
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