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Die Kunst-Halle — 5.1899/​1900

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Nummer 16
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Meyer, Bruno: Die Meyerheim-Ausstellung in der Akademie
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Gold, Alfred: Wiener Kunstbericht
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https://doi.org/10.11588/diglit.63303#0287

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Nr. ^6

Die Aunst-Halle

2O

bescheidene Unterordnung des Motiv-Reichthums unter die
Bildidee, unter das rein Malerische — geradezu erstaunlich
in seinem „Biel Glück" von ;887 — im schärfsten Gegen-
sätze zu den Verirrungen der Modernen steht, die den un
malbarsten Gedanken ohne Empfindung sür die Lächer-
lichkeit die Malerei opfern. Und daß es ihm nicht an
Idealismus gefehlt, beweist der freudig erhebende Ge-
sammteindruck seiner Merke. Nichts Menschliches ist ihm
fremd, er schildert nicht bloß die Lichtseiten des Daseins.
Aber Zweierlei muß ihm die Dinge verklären, um sie für
ihn malenswerth zu machen: ein wonniger und sonniger
Humor und ein Anhauch der Schönheit. Fade und ge-
zwungene Witzelei ist ihm fremd, aber das Helle Mit-
klingen eines Herztones gehört für ihn zu der vollen
Harmonie, auf die er seine Schöpfungen stimmt. Und nie
ist wohl ein Künstler weniger einem abgeblaßten formalen
Schönheits-Ideale nachgegangen: nur lebendige und lebens-
fähige Menschen erwärmen seine Seele. Aber bei allem
gewissenhaften Anschluß an die Wirklichkeit sieht und betont
er stets mit Vorliebe die anmuthigen Züge, und er weiß
mit Sicherheit die Art des Reizvollen zu finden, welche
dem Gegenstände die angemessenste ist. Man denke an die
beiden Märchen-Gestalten des Rothkäppchens und des
Aschenbrödels, und man erinnere sich — aus einem weit
entlegenen Kreise — der beiden entzückenden und doch
unter einander so grundverschiedenen Gestalten der „Thier-
bändigerin" (t888), die in dem niedrigen Käfig in einer
beispiellos anmuthigen und doch überzeugend wahren
Haltung ihre Hyänen durch einen Reifen springen läßt,
und das brünette Zirkusweib in dunkelrothem Kostüm,
das im „Affentheater" lÜ89t) über den Tisch vorgebeugt
das vorgeführte Aeffchen ein Stück Zucker zwischen ihren
Lippen herausnehmen läßt. Und dazu nehme inan jene
„drei musizirenden Mädchen" in lebensgroßen Halbfiguren
(t88p, die den Beschauer in eine Atmosphäre reinster
Lebensfreude einhüllen, — Repräsentantinnen genußfroher
Stimmung, wie fie etwa Paolo Veronese schildert, aber
unserem Herzen und unserer Anschauung so unendlich viel
näher gerückl. . .
Ich habe nicht daran denken können, den Reichthum
der Anregungen, die von dieser Ausstellung ausgehen, auch
nur annähernd zu erschöpfen. Ich habe nur einige Ge-
danken mehr andeutend als ausführend zusammengestellt,
ein Stimmungsbild mehr als ein so zu sagen kritisches
Resums. Zu solchem ist ja noch immer Zeit, wenn —
was hoffentlich noch in weiter Ferne liegt — das Lebens-
werk des Meisters abgeschlossen einem besseren Beurtheiler
vor Augen steht. Einstweilen sind wir noch die Mit-
lebenden, und der Lebende hat Recht, sich mit dem
Lebenden zu freuen. Bruno Mever.
X
Wieyev ^uysktxrvichk.
Von Alfred Gold, Wien.

je Klimtsche „Philosophie" ist nunmehr in die Pariser
Weltausstellung übergesiedelt; an ihre Stelle trat
in der Sezession die plastische Gruppe „Arbeit" von Theresa
Feodorowna Ries. Eine neue Sensation — allerdings
nicht so sehr Sensation, um den enormen Besucherandrang
der „Philosophie"-Tage auf der Höhe zu erhalten. Fräulein
Ries, eine sehr strebsame Schülerin Hellmers, die sonst in

der That auch die Sensation des großen Formats und der
großen Geberde in ihren Skulpturen liebt, kommt diesmal
verhältnißmäßig sogar sehr einfach, natürlich und be-
scheiden. von Meunier' ließ sie sich zu einem Arbeiterbild
in Gips anregen: vier halbnackte Männer zeigt sie, die in
gespannter Haltung eine angeseilte Last ans der Tiefe ziehen.
Frisch und eigenartig ausgeführt ist die Arbeit zweifellos;
kein Museumston, keine akademisch überlieferte Linie legt
ihr Fessel an. Frl. Ries scheut sich auch garnicht, ihre Plastik
in jener ausgesprochen m a lerisch e n Form zu
komponiren, wie sie in Frankreich bereits eine Geschichte
hat; die ganze Gruppe entwickelt sich eigentlich nur in der
Fläche, und irr einer einzigen Kurvenlinie, die sich um die
verschieden gekrümmten Arbeiterkörper von selber scblingt,
ist der Augenblickseindruck der Szene wie in einer
impressionistischen Zeichnung festgehalten. Aber mit dieser
kühnen Selbständigkeit verbindet sich auf der anderen Seite
ein leiser Zug von weiblichem Dilettantismus. Glaubhaft
ist diese Gruppe von Körper an Körper klebenden, einander
hemmenden statt fördernden Arbeitergestalten nicht. —
Ein lehrreiches Gegenstück dazu ist die Bildnißbüste des so-
eben verstorbenen Plastikers Falguiere, von seinem großen
Kunstgenossen Rodin. Die impressionistische Technik tritt
hier mit einer Schlichtheit und Natürlichkeit auf, durch die
sie erst zur richtigen Geltung kommt. Die deutsche Plastik
fällt daneben ab. Eni Pole, Biegas, mit einer eigen-
artigen Phantasie „David" (hockender Knabe, der auf dem
Rücken den Kopf eines Riesen trägt) und ein italienischer
Schüler der wiener Akademie, Eanciani, mit einem
preisgekrönten Entwurf zu einem Dante-Denkmal können
nicht übersehen werden. Dieser starr versunkene Dante, in
patiuirter Bronze hochaufgerichtet auf einem Felsvorsprung,
zu dein aus der Grotte herauf die Leiber der Verdammten
drohen — dieses auch dekorativ prächtige Werk soll in
Venedig seinen Platz finden. Die größte Kollektion bringt
der belgische Plastiker Van der Stapp en. Sein mehr als
gewöhnlich eigenartiger Geschmack in der Drapirung, der
Geberde, der dekorativen Zuthat findet großen Anklang;
sein starker technischer Fonds darf dabei nicht übersehen
werden. — Unter den hier vertretenen Malern zeigt
Charles Eottet verschwisterte Züge, zumindest von
nationaler Verschwisterung. Vollendeter künstlerischer Takt
ist auch bei ihm die Hauxtstärke; damit weiß er eine alte
Blinde am Meeresstrand, zwei Segelboote im letzten
Sonnenschein, bäuerliche Interieurs u. a. gleich suggestiv
darzustellen. Auf unseren heimischen Durchschnittsbetrachter
freilich dürfte er in erster Linie erotisch wirken, und darin
berührt er sich mit Manchem, was die Sezessions-Aus
stellung sonst bringt. Da ist Signac, der Wortführer und
praktische Schüler des französischen Neo-Impressionismus,
des von Delacroix übernommenen unvermischten Farben-
auftrags, der toneüs clivise?. Seine Marinen werden den
Unbefangenen nicht überzeugen können. Man müßte sie
aus der Entfernung betrachten, um die neben einander
gesetzten Farben sich optisch vereinigen zu lassen. Aber
kein Ausstellungspalast dürfte so viel Raum haben, um die
dafür genügend große Entfernung zu ermöglichen.
Da ist endlich noch der buchstäblich erotische Ian Toorop,
der mit seinen zur Erklärung nicht geeigneten verschnörkelten
Kompositionen immer neue Besucher empört uud empörend
sesthält.
von deutschen Malern gefällt Dettmanu, der Maler
der Sonne über dem Gebirgsthal, der Bauernrast im
 
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