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Die Kunst-Halle — 5.1899/​1900

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Nummer 24
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Galland, Georg: Zur Frage des künstlerischen Dilettantismus
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Grünewald: Die Miturheberschaft in der bildenden Kunst
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https://doi.org/10.11588/diglit.63303#0425

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Nr.

4- Die Nun st-Halle

37s

Vers, ferner nicht als eine der bedenklichsten Folgen
der oft genug verspotteten „Klcwierseuche" die . un-
geheuere Misere des heutigen Konzertwesens? Der-
artige Erscheinungen sollte inan überhaupt mehr von
der sozialen und wirthschaftlichen, als von der rein-
künstlerischen Seite zu würdigen, zu beurtheilen
suchen. Die Befürchtung besteht, daß eine lleber-
tragung jener englischen Verhältnisse auf unsere
Runstproduktion auch die berührte Misere aus den
oft nur mit Freihörern gefüllten Konzertsälen in die
Ausstellungssäle übertragen würde.
Die pflege schrankenloser Augenlust in England,
die setzt in so hohem Maße die Bewunderung, die
Nacheiferung gerade der deutschen Auslandsfreunde
hervorruft, ist ohne Frage etwas Denkwürdiges.
Für den Kulturkenner ist es verständlich, daß man
dort gerade diese auf das Aeußerliche gerichtete Seite
des ästhetischen Genießens so sehr bevorzugt. Ls
ist wohlbekannt, daß man von der körperlichen
Schönheit der englischen Frauen nie ohne Hinweis
auf ihre „Kälte" redet; und dem körperlichen Sport
der Männer entspricht dort keine gleich hohe Pflege
des Seelenlebens. Dem Psychologen wäre ferner
nicht nebensächlich zu bemerken, daß, weil das be-
gehrliche englische Auge ohne Schwierigkeit alle
Schätze dieser Welt überblickt, es auch gern davon
das Schönste und Beste, also an: liebsten den durch
die Kunst geadelten Besitz, in seinem Boms aufge-
häuft sehen möchte.... Mir Deutsche aber wollen
doch etwas Anders bewerthet werden. Alan nennt
uns ein musikalisches, ein philosophisches Volk. Und
wenn wir auch zeitweise in den bildenden Künsten
sehr Hervorragendes geleistet haben, so nehmen diese
doch unser Denken und Fühlen nicht in so hohem
Maße gefangen, wie es in dem Inselreiche der Fall
ist. Unser ästhetisches Genießen bewegt sich vielmehr
im harmonischen Wechsel zwischen den im Sinnlich-
Schönen gebotenen Augenfreuden und den heimlichen
Reizen eines vielfältigen Empfindungslebens. Den
Maßstab für unsere künstlerischen Bedürfnisse kann
man daher auch nicht aus den — wenn auch noch
so glänzenden — englischen Verhältnissen hernehmen.
Wenn man in England der Mitarbeit eines pro-
duktiven Dilettantismus bedarf, so ist damit noch
nicht der Gegenbeweis für dessen Entbehrlichkeit bei
uns geliefert.
Außerdem lehren uns geschichtliche Erfahrungen
auf dem Kontinente, daß schon früher der Dilet-
tantismus eine Erscheinung des künstlerischen Ver-
falls gewesen ist. Man erinnere sich des alten
Hollands. In der klassischen Epoche der hollän-
dischen Malerei gab es wohl nur einzelne Dilettanten,
die aber ohne Bedeutung waren. Später, nach dem
Tode von Franz Hals und Rembrandt, schossen überall
„lcunMisvenäe" Gesellschaften wie Pilze aus dem
Boden. Die Künstler, die sich vordem bescheiden zu
den Handwerker-Gilden hielten, setzten seitdem ihren

Stolz darin, sich mit Amateuren, vornehmen Myn-
heeren und Myvrouwen, zu vereinigen. And wie im
heutigen England, so mag auch einst am Zuidersee
der Gedanke der künstübenden reichen Amateure
nebenbei gewesen sein: sich nach unten hübsch leut-
selig zu zeigen, schroffe soziale Gegensätze zu mil-
dern. Auch in dieser Hinsicht liegt bei uns ein
Zwang zu gleichgearteten Maßnahmen glücklicher-
weise nicht vor.
Um Gesagtes nochmals zu betonen: Soweit die
dilettantische Beschäftigung ein ästhetisches Bildungs-
nüttel sein will, verdient sie Würdigung und Förde-
rung im vollen Maaße. Aber allen Versuchen, eine
empfindliche Konkurrenz der berufsmäßigen Künstler
durch die dilettantische Beschäftigung herbeizuführen,
kann man nur mit dem höchsten Mißtrauen be-
gegnen, weil dergleichen auf einer Verkennung der
sozialen, wirthschaftlichen und künstlerischen Verhältnisse
unseres Landes basirt.
G. G.
V
Vie Mitulbeberzebaft in cier
biiaenüen Wnst.
von Geh. Iustizrath Grünewald, Metz.
usammenwirken mehrerer Personen bei Herstellung
von Werken der bildenden Künste ist ebenso wie
bei jeglichem andern mit einer äußeren Formgebung in die
Erscheinung tretenden Lrzeugniß möglich und in ver-
schiedenen Richtungen denkbar. Doch trägt nicht jede ge-
meinschaftliche Thätigkeit von Mehreren an einem solchen
Werke die rechtliche Natur der Miturheberschaft an sich.
Wird ein größeres Bauwerk (Kirche, Staatsgebäude,
Palast, Villa u. dergl.) errichtet, so wird ihm stets ein ein-
heitlicher Gedanke zu Grunde gelegt, und zur Ausführung
werden mehrere Arten der bildenden Künste herangezogen.
Zur Baukunst tritt meistens die Bildhauerei und Malerei
(Glas- oder Freskomalerei) behufs Ausschmückung des
Bauwerkes hinzu. In diesen Fällen greift eine gegen-
seitige Miturheberschaft der an den verschieden gearteten
Kunstgebilden betheiligten Künstler nicht Platz. Denn
wenngleich jede Kunstart für sich nur theilweise zum Ent-
stehen des Ganzen beiträgt und sich auch dessen vorher
bestimmten Gesammtgedanken unterzuordnen hat, so ent-
wickelt sie hierbei doch keine blos nebensächliche Thätigkeit,
sondern schafft unabhängig von der andern Kunstart eine
wesentliche, äußerlich unterscheidbare selbstständige Einheit
des Gesammtwerkes. Es bleibt deshalb jeder Schöpfer
seiner Kunstart alleiniger und ausschließlicher Urheber seines
Erzeugnisses.
Gleiches findet im verhältniß der Leistungen des
Meisters der einzelnen Kunstwerke zu denen seiner Gehilfen
und Schüler statt. Die Mitthätigkeit dieser unterstützt
lediglich die Geistesarbeit des Meisters, ist ihr also unter-
geordnet, ohne schöpferisch mitzuwirken. Unerheblich ist es
hierbei, ob die von den Gehilfen herrührenden Bestand-
tcheile des Werkes als solche wahrnehmbar sind oder nicht.
 
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