Universitätsbibliothek HeidelbergUniversitätsbibliothek Heidelberg
Metadaten

Die Kunst-Halle — 5.1899/​1900

DOI Heft:
Nummer 9
DOI Artikel:
F., A.: Die Herkunft der ornamentalen Blattreihen: Vortrag vonProf. M. Meurer, Rom
DOI Artikel:
Venedig: EIne Skizzenausstellung
DOI Seite / Zitierlink: 
https://doi.org/10.11588/diglit.63303#0158

DWork-Logo
Überblick
loading ...
Faksimile
0.5
1 cm
facsimile
Vollansicht
OCR-Volltext
K- Die Kunst-Halle -s-—>

Nr. 9


bindung war jedoch wesentlich verschieden von der
jetzt üblichen. Die Kränze im Besonderen bestanden
in einer regelmäßigen Aneinanderreihung von Blättern
mit Blüthen abwechselnd in einer solchen Anordnung,
daß im Fall erheblicher Größenunterschiede zwischen
Blatt und Blüthe die Blätter in ihrer Breitenrichtung
geknickt und übergeklappt und so den kleineren Blüthen
angepaßt wurden. Die Verbindung war durch Bast
hergestellt, auf den man vermuthlich mit der Nadel
alle Krauztheile aufreihte. Als Material dieser Art
Herstellung von Hfl anzenschmuck, welcher ersichtlich
keine Aehnlichkeit mit unserm Kranz-Flechten oder
-Winden besitzt, dienten zumeist die Lotosblume und
die Hapyrusstaude, erstere das beliebte Symbol des
vom Wasser ausgehenden Fruchtsegens. Sowohl die
schöne Blüthenform der Lotos und ihre den Blättern
unserer Seerose sehr ähnlichen Blätter, als die schilf-
förmigen Blätter des Hapyrus und dessen von drei
Hüllblättern eingefaßte, charakteristische Blüthendolde
sinden sich in allen trockenen Kränzen und Sträußen,
sowie in allen auf uns gekommenen Abbildungen von
bei festlichen Aufzügen Blumentragenden und da-
mit geschmückten Menschen. Nächstdem sind es
Olive, Sykomore, der auch bei den Juden als Be-
gleiter von Trauer und Tod in Ansehen stehende
Eppich (Sellerie), einige Korbblüthler u. A., welche
sich angewendet finden.
Ls lag nahe, als man anfing zunächst im Wege
der Zeichnung oder des Flachornamentes, thönerne
und hölzerne Gegenstände mit irgend welchem Schmuck
zu versehen, sich den beliebten Blumenschmuck in der
konventionellen Form, die man ihm gab, zum Muster
zu nehmen. Zn der That zeigen ihn älteste Erzeug-
nisse der egyptischen Keramik erst in roherer, dann
in immer sorgfältigerer die Vorbilder genau kopirender
Nachahmung, endlich auch in freierer Stilisirung,
wenn auch in deutlicher Anlehnung an die Natur-
formen, an Friesen egyptischer Tempel und an Säulen-
schäften. Wahrscheinlich waren die uns nicbt erhaltenen
Holzbauten der Egypter bei der leichteren Bearbeitung
des Materials noch ungleich reicher in solcher Art
geschmückt. Doch genügen zum Nachweis der Ver-
breitung und allmählichen Entwickelung gerade
dieser Form des Ornaments sowohl die zahlreichen,
dreitausend Zahre umfassenden Gräberfunde, als die
Flachreliefs der egyptischen Tempel. Es ist nun
höchst erstaunlich und ein unleugbarer Beweis für
den Zusammenhang der antiken Welt und die be-
ständige Berührung der um das Mittelmeer herum
wohnenden Völker untereinander, ganz derselben
Ornamentik der Blattreihungen sowohl in der Kunst
0er Mykener als in derjenigen der Etrusker wieder
zu begegnen, obwohl weder die Lotosblume noch die
Hapyrusstaude an den nördlichen Gestaden des Mittel-
meeres heimisch und bekannt war. Nicht blos die
Thon- und Steingefäße mykenischen und etruskischen
Ursprungs zeigen den Einfluß und die Nachahmung
der egyptischen Vorbilder, auch beispielsweise eine
kyprische Figur aus dem 6. Jahrhundert und eine
Astarte-Axhrodite ähnlichen Ursprungs, die sich im
Louvre befindet, verleugnen in ihrem Schmuck die
Beziehungen zu Egypten nicht. Der griechischen Kunst
aber war es vorbehalten, diese Vorbilder, welche in
ihrem Ursprungslande zumeist aus gemalten oder
eingelegten Flachmustern bestehen, zur Höhe plastischer
Darstellung zu entwickeln. Der Beweis hierfür wurde
vom Vortragenden mit ebensoviel Eifer als Gründ-
lichkeit geführt. Auch die Verwendung der Blatt-
reihungen in der Hlastik hat ihre Sondergeschichte.

Auch sie trat nur ganz allmählich in die Erscheinung,
anfänglich fast wie ein schüchterner versuch, sich dann
gliedernd in einen dorischen, einen jonischen und
einen lesbischen Typus, zuletzt aber um die Blüthe-
zeit der griechischen Architektur vollen und uneinge-
schränkten Besitz ergreifend von den überkommenen
Vorbildern und sie zu den vollendetsten Formen des
Hochreliefs weitergestaltend, die wir an den Karniesen
und Säulenkapitelleisi griechischer Tempel bewundern.
Der Redner legte diese Zusammenhänge in besonders
eindringlicher Weise an einigen Beispielen dar. Die
als „Eierstab" bekannte Grnamentform Hatz. B. gar-
nichts mit den: Li zu thun, es ist nur eine zufällige
Aehnlichkeit, welche ihr diesen Namen verschafit hat;
dagegen ist sie entstanden, wie aus der Aneinander-
reihung der Uebergänge klar ersichtlich, aus einem
Kranz von Lotosblumen und Blättern. Der jonische
Typus zeigt die Blätter nach oben gerichtet, während
der dorische und lesbische in strenger Anlehnung an
die egyptische Darstellung die Blätter herabhängen
läßt und das zusammenfassende Band oben zeigt.
Zum Schluß seines Vortrages gab Hrofessor
Meurer noch einen wiederum durch lichtbildliche Be-
weise begleiteten Ueberblick, wie diese egyptischen
Blattreihungen nicht blos in die Kunst und in das
Kunstgewerbe aller Völker als Schmuckformen Auf-
nahme gefunden, der Assyrer und Herser, ebensowohl
als später der Römer, sondern auch sich immer weitere
Gebiete der Anwendung erschlossen gesehen haben.
Wir begegnen ihnen an Sesseln, auf Teppichen, in
Wandmalereien, an Rüstungen, an Vasen und Spiegel-
griffen; vor Allem aber hat die antike und die spätere
Goldschmiedekunst sie sich reichlich zu Nutze gemacht.
Zn Wirklichkeit erscheinen sie als eine unerschöpfliche
Fundgrube für künstlerische Gestaltungen und von
einer Anpassungsfähigkeit, welche der Vortragende in
Vergleich stellt mit derjenigen von Organismen an
neue Verhältnisse. Bei andern Völkern, anderm
Material, andern Zweckbestimmungen ändern sie fort-
während ihre Erscheinungsform, ohne doch ihren
Ursprung zu verleugnen. Zu diesem Sinne dürfen
die ornamentalen Blattreihungen als ein schönes Bei-
spiel von der Kontinuität menschlicher Entwickelung
gelten und zugleich als ein Beispiel, wie unsere,
edelsten Kunstschöpfungen in ihrem letzten Ursprung
auf die Natur zurückkehren. A. F.
X
(leneOig-
Hiye SstiLLSyrmsskelluyZ.
Verein ,.8o<üstü Uromotrlee äi Kelle Krti st
welcher hier zweimal des Zahres tagt, hat seine
erste Skizzenausstellung kürzlich eröffnet. Vorauszuschicken
ist, daß auch in Venedig die Künstlerschaft in zwei Lager
sich trennte, in eine geschlossene Korporation, welche
Kollektivausstellungen bezweckt, und in eine freie Ver-
einigung. Manchen Antagonismus hat diese Theilung ver-
anlaßt. Die Skizzenausstellung aber scheint den Streit zu
mäßigen, ihm wenigstens die Spitze abzubrechen. Denn
aus beiden Gruppen haben sich die Künstler an diesem
Unternehmen betheiligt.
Ls find ca. soo Blätter vorhanden, die den Werdegang
der künstlerischen Konzeption uns vor Augen führen, wie
auch sonst überwiegt die Landschaft, während die Figuren-
 
Annotationen