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Die Kunst-Halle — 5.1899/​1900

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Nummer 4
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Gustav, Leopold: Münchner Brief
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Berliner Kunstschau
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https://doi.org/10.11588/diglit.63303#0069

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Nr. q

Die Aunst-P»alle

55

geschlossen haben. Das Eine ist eine Folge des Anderen.
Die meisten Kunstwerke verlassen München, ohne hier vor
das Publikum gekommen zu sein und es wäre sür uns
Kunstschreiber am Ende rathsam, die Herren Spediteure
zu bitten, uns zur Bilderschau einzuladen . . .
Der Kunstsalon peinemann hat den Kunstverein noch
bei sich zu Gaste und es scheinen die bekannteren Namen
mit ihren Arbeiten bis zur Neueröffnung des neugeschmückten
peims zurückzuhalten. - G. Keitel bringt eine Weide
mit trefflich gezeichneten Kühen, Th. Weber ein Dachauer
Gehöft in Dämmerstimmung; schön gemacht, wenn auch
nicht Kunst aus erster pand. pierher gehört auch Robert
Raudners Schleißheimer Kanal, über dem schwere Nebel
träumen. Aus Le Suires „Abend am Altwasser" spricht
eine gewisse Größe der Naturauffassung. Stähle stellt in
eine ernstgestimmte Landschaft charakteristische Gestalten
heimkehrender Arbeiter. Aus Wimmers großer Leinwand
sehen wir zwei am Userrande stehende Damen, welche, wie
man uns erzählt, die Töchter des Grafen Eulenburg in
Wien darstellen. Die Birkenbäume am Abhange und das
Wasser, in welchem sich die Bläue des Pimmels spiegelt,
sind nicht ohne Reiz, während die Damenporträts zu
illustrativ behandelt sind; letzteres gilt auch von Friedr.
Rauxps Dame in lila, welche sich auf einer Waldbank
niedergelassen hat. Doch ist das farbige Kleid mit dem
Baumgrün gut zusammengestimmt. R. Büchtger bringt
russische Bauern, die in lebhafter Verhandlung mit ein-
ander begriffen sind; Mienen und Packung eines Jeden
sind mit großer Lebenswahrheit festgehalten. L. Streckers
Rosen sind wieder recht hübsch; nur können wir uns nicht
mit der Sorte von Pflaumen befreunden, welche daneben
liegen. Büh rings Blumen sind koloristisch kräftig; dem
feschen Mädchen hinter dem Stande freilich ist nur eine
Augenblickswirkung zuzuerkennen. L. von Wagners Gel-
studie bringt die fein charakterisirten Züge eines jugend-
lichen Mönches. In F. von Koch tritt uns eine sehr er-
freuliche Erscheinung entgegen. Die Dame mit dem Bern-
hardinerhund ist mit einer Eleganz hingestrichen, die mehr
als bloßen Lhik bedeutet. Wie ungemein stimmungsvoll
ist auch das modern-künstlerische Interieur, in welchem die
Dame steht.... Lin altes Bild, die Münchener Dieners-
gasse im Jahre t8Z9 mit dem jetzigen Prinzregenten
Luitpold als Schildwache, ist anläßlich des Militär-Jubiläums
des hohen perrn zur Ausstellung gelangt. In nüchterner
Bravheit gemalt, besitzt es wohl nur Loyalitätswerth.
Uepliyep T"vsksct)au.
1. Saksn LS. Schutte.
ohn Lavery, Mitglied der R. s. A. (Kgl. Schottische
Akademie), ist kein Jüngling mehr, und seine Bilder
bei Schulte zeigen eine Reife der Ausdrucksweise, die er
nicht nur seinem eigenartigen Temperament, sondern auch
einer adäquaten Schulung durch die Werke verschiedener
Meister verdankt: velasquez, Stevens, Whistler u. a. Der
Schotte verleugnet sich nirgends, aber auch nicht der Schüler
gewisser Franzosen. Freilich übertrifft er diese Vorbilder
in der würde der Tonschönheit, der Packung, des ver-
geistigten Ausdrucks; ich sage nicht Eleganz, denn darin
brilliren jene allein. Das Bildchen, „Die Dame in Schwarz"

auf dem Sopha sitzend, erinnnert sehr an Stevens. Der
gleichen Sphäre gehört ein Männerporträt an (Lord M.):
es giebt frühere Arbeiten von Leibl, die dieser Leinwand
ähneln. „Vater und Töchterchen", beide in versunkener
Packung gemalt, lebensgroße Figuren, erinnern in der
Lmpsindungsweise des Ganzen an keinen Geringeren als
an velasquez. Der Künstler gefiel sich darin, eine Aus-
wahl weiblicher Typen der besten Gesellschaft verschiedener
Nationen und darin eine Essenz moderner Vornehmheit in
mancherlei Fassung zu geben: die pikante Schottin im Barett
und blauer Blouse, die stolze Italienerin mit mausgrauer
pelzcaxe, im schwarzen paar eine weiße Rose, die zarte
englische Lady ganz silbergrau verschwommen, pastelltönig,
die rothhaarige dekolletirte Amerikanerin im scharfen Profil,
an eine Florentinerin des Guattrocento erinnernd, noch
eine ganz junge blonde Miß im weißen Kleide mit rosa
Schärpe, ü la Whistler, perrlich sind die beiden Damen-
porträts in ganzer Figur. Die eine Blonde mit den sanften
Zügen im schwarzem put und brauner Pelzcape möchte
man für eine „German Lady" halten. Sie ist ein wirk-
sames Gegenstück zur „Dame in Schwarz" vis-L-vis, die
bei halber Rückenansicht ihr brünettes Paupt nach vorn
wendet. Wunderbar gemalt ist der Nacken und das schwarze
Kostüm mit den blauschillernden Tupfen: eine geniale Studie
in Schwarz. Endlich fallen von Lavery ein kleineres
Reiterbild, ein „Gaucho-Päuxtling" durch die Energie der
Darstellung und fast venetianisches Kolorit auf; ein zier-
liches Atelier-Interieur mit einem Modell ist dagegen auf
grau feingestimmt.
Neben diesem Schotten, der sich seit kurzem in London
den ältern berühmtesten Damenmalern anreihte, hat sein
Landsmann Alexander Roche, ein echter Neuromantiker,
und außerdem ein Münchener, — F. A. von Kaulbach, je
eine Frauengestalt von ganz anderer Empfindung, als die
jener Stücke ausgestellt. weit wichtiger ist hier die
Sammlung echt schottischer Landschaften von Whitelaw
Pamilton: „In den Klippen", „Jur Ebbezeit", „peim-
kehrende peringsfischer", „Nordsee-Pafen", „Abendroth",
„Dämmerung", „Sturm", „Schottische Farm", „Pochland-
Landschaft", „Idyll", „Dorfkirche" - so lauten mehrere
Titel der vorhandenen Motive. Selbst wenn sie das Licht
des Tages zeigen, herrscht ein nebeliger grauer Ton. Ge-
wöhnlich sieht man einen stellenweise blauen Pimmel, eine
seltsame vergißmeinnicht-farbige Email-Bläue, und ebenso
seltsame bunte, aber gedämpfte Farben des Bodens, die
man schon wiederholt mit halbverblichenen Gobelintönen
verglichen hat. Jedenfalls gehören die Arbeiten von
Whitelaw Pamiltorr zu jenen, die, indem sie die Wirklich-
keit zu schildern vorgeben, vielmehr deren poesievolles Ab-
bild reflektiren und uns einen Blick ins veritable Märchen-
land thun lassen.
Auch die Bekanntschaft mit einem Belgier F. willaert
und einem Dänen p. Mönsted vergönnt uns die eifrige
Leitung dieses Salons. Willaert malt Straßenarrsichten,
Fruchtmärkte und Kanäle seiner Vaterstadt Gent, Alles in
einem hellgraublauen Nebelton, der Freilicht vorstellen soll,
für mich aber gesucht wirkt. Mönsted schildert den Sommer
und den Frühling der waldigen Umgebung von Kopenhagen,
in zum Theil großen farbenfrischen Bildern, die uns mit
ihrer unglaublich liebevollen Durchführung an die schönsten
Leistungen der Düsseldorfer Dückerschule gemahnen, stofflich
aber gradezu an die reizvollsten parthien unserer märkischen
 
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