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Die Kunst-Halle — 5.1899/​1900

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Nummer 7
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Gustav, Leopold: Münchener Brief
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Vom Hamburger Kunstverein
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Nr. 7

.——Die Aunst-Halle -s-

H05

ist häufig höchstens ein papierner; gekauft wird das Neueste
in der Kunst nur selten. Statt dessen kauft die Mehrzahl
der Leute, die das Geld zu guten Sachen haben, noch
immer am liebsten Talmiwaare in der festen Ueberzeugung,
damit das peim würdig zu schmücken. Diese Gegenstände
passen dann freilich ganz zu den päusern, in welche sie gestellt
werden . . . Don der Unehrlichkeit hinsichtlich des Bau-
materials will ich nicht einmal reden, sondern nur von den
architektonischen Geschmacklosigkeiten einzelner päuser, z. B.
im Dillenviertel des Münchener „Bavariaringes", in der
jetzigen Jahreszeit, in welcher die entlaubten Bäume nichts
mehr mitleidig verhüllen. . .
So giebt es viel zu tadeln im Bereiche unseres gerühmten
Kuüstlebens. Aus dem Boden aber, dem eine so stattliche
Zahl unermüdlicher Kräfte angehört, dürften doch wohl
die Keime entsprießen, welche zu der lange erhofften großen
Kunstepoche führen, für die unsere großen Zeitgenossen,
um mit Nietzsche zu reden, „nur Brücken und Pfeiler der
Sehnsucht" bedeuten.

(lom fiambulger isllimverein.
-^^-n den Dormittagsstunden des t5. November hat der
Kunstverein sein neues peim, Neuerwall durch
einen im engen Kreise des Dorstands und Ausschusses
stattgehabten Festakt eingeweiht und zugleich dem öffent-
lichen Besuche freigegeben. Selbst weihevolle Festakte mit
schwungvollsten Festreden stehen heute nicht besonders hoch
im Kurs, wenn sie nicht von äquivalenten Thatsachen be-
gleitet sind. Auf letztere kommt es wohl allein an. Da
die „Kunst-Dalle" bereits über die schöne Rede, mit der
der erste Dorsitzende des Vereins, perr Baudirektor Zimmer-
mann die Eröffnung der neuen Ausstellungsräume ein-
leitete, in Pest 5 berichtet hat, so bleibt uns nur
übrig, Einiges über die Vorgeschichte der Erwerbung des
neuen peims nachzutragen. Die Unzulänglichkeit der alten
Behausung war längst als ein unleidlicher Uebelstand em-
pfunden worden. Nicht nur von der Leitung des Vereins,
der die Trennung der Verwaltungsräume von der Aus-
stellung — erstere befanden sich bekanntlich im Souterrain
der Kunsthalle, letztere in der Börse — schwer auf der
Seele lastete, sondern auch vom Publikum, dem die wenig
zweckdienlichen, abgelegenen, ewig dunklen Räume in der
Börse garnicht mehr zusagten, vor ungefähr Jahresfrist,
als der Verein in der Person des perrn Baudirektors
Zimmermann einen höchst einsichtsvollen Vorsitzenden er-
wählt und dazu in dem Maler perrn Ed. Sack einen neuen
energischen Geschäftsleiter gewonnen hatte, faßte man im
Vorstand den freudig begrüßter: Beschluß, das alte peim
aufzugeben und sich ein neues einheitliches zu schaffen.
Der Pläne waren viele. Manche scheiterten an dem Kosten-
punkt, der großartigste allerdings, der ein pavillonartiges
Ausstellungsgebäude am (puai des verbreiterten Jungfern-
stiegs ins Auge gefaßt hatte, an der Unwillfährigkeit des
Senates, der eine bezügliche Eingabe ablehnte. Endlich
fand inan in Berücksichtigung der verfügbaren Mittel im
Pause Neuerwall was man suchte. Freilich mußte
gebaut resp. umgebaut werden, was nach einer Abmachung
mit dem Besitzer des Grundstückes alsbald geschehen konnte.

Den Bau leitete perr Rathsbaumeister paller, nach dessen
Plänen die neue Kunstvereinslokalität entstand, die zwei
größere und einen kleinen Mberlicht-Saal im Erdgeschoß
und drei Räume im ersten Stock mit Seiten- resp. auch
Oberlicht aufzuweisen hat. Der Festredner hatte nicht zu-
viel gesagt, als er die neugewonnenen Räume als an-
muthende bezeichnete und heute sind das allgemeine Urtheil
und die Stimmen der wirklich Urtheilsfähigen sich darin
einig, daß sie nicht nur schön und vornehm, sondern auch
zweckdienlich nnd was nicht zu unterschätzen, auch be-
haglich sind.
Der weg, den die Leitung des Vereins auch in Zu
kunft einzuhalten gedenkt, wird durch die vornehmste der
Vereinssatzungen: „Die bildenden Künste in pamburg zu
fördern uud die Liebe zur Kunst zu wecken" klar und be-
stimmt vorgezeichnet. Sie umschließt den Grundsatz der
Toleranz. „Alle Werke bildender Kunst, welcher Richtung
sie auch angehören und so sie von künstlerischem Sinne ein-
gegeben und von kunstgeübter pand geschaffen worden sind",
sollen willkommen und gleichberechtigt sein. Jedem „gleiche
Sonne und gleicher wind." Da konnte es denn auch nicht
fehlen, daß die angewandte Kunst hier zu ihrem Rechte
kam; ihrer Vermittelung sind in der That die oberen Säle
der Vereinslokalität gewidmet. Unsere Kunstgewerbler
haben die dargebotene pand freudigst ergriffen. Eine
prächtige Sammlung ihrer Erzeugnisse, nahezu das gescannte
Gebiet umfassend, ist zusammengekommen und darf sich wie
jetzt auch in Zukunft von den kauflustigen und kaufkräftigen
pamburgern eine werkthätige Förderung erhoffen.
Das die gegenwärtige Ausstellung ausmachende
Bildermaterial, das sich einer glücklichen und günstigen
pängung erfreuen darf, ist ein ebenso umfangreiches wie
gewähltes. Die Glanznummern find in Werken von Karl
Marr, Lenbach, Samberger, Diez, Earlos Grethe, Albert
pertel und dem jungen pamburger Arthur Illies, der eine
reizvolle, farbige, kräftig gemalte Alxenlandschaft sandte,
zu suchen und zu finden. Marr brachte seine „pesxeriden"
von der diesjährigen Münchener Ausstellung, und die liebens-
würdig feinsinnige Legende von der „Maria in der Laube",
die unter allen Bildern wohl dasjenige ist, welches die
Beschauer zumeist fesselt. Es hätte nun freilich keinen
schöneren Platz finden können, als den, den es, von Lorbeer-
bäumen flankirt, an der Pauptwand des pauxtsaales er-
halten, denn es wirkt dort in seinem filbergrauen Rahmen
wie eigens für den Platz gemalt. Aber das ist es nicht,
was es zum Nummer-Lins-Bild stempelt. Ls ist vielmehr
die Fülle seiner malerischen Qualitäten, die geistvolle Auf-
fassung seines Themas und die von Können und Empfinden
zeugende Ausführung. Lenbach ist durch eine Porträtstudie
Paul peyses vertreten, die im Ausdruck und in der Be-
schränkung der Mittel hoch bedeutend ist und in jedem
Striche, jedem Farbensteckchen den ganzen Umfang seines
Künstlerthums dokumentirt; Samberger durch ein Frauen-
bildniß idealisirten Lharakters und Wilhelm von Diez durch
eines seiner kleinen, auf dem Studium wouvermans nnd
der Natur basirenden Bildchen historischen Genres. Ihn:
schließen sich von Münchenern Ed. parburger, polmberg,
Löwith, Firle, Fritz Aug. v. Kaulbach und Stuck an, und
von jüngeren Kräften R. Schuster-Waldan. Viel und gern
bemerkt und diskutirt wird eine Arbeit peinrich Lessings,
„Fronleichnamsprozession" betitelt, die sich durch lebendig
empfundene Schilderung wie durch Klarheit des Tons aus-
 
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