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Die Kunst-Halle — 5.1899/​1900

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Nummer 22
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Wirth, Robert: Ueber die "Stimmung" des Landschaftsgemäldes
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Thomas, Bertha: Die Londoner Ausstellungen von 1900
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https://doi.org/10.11588/diglit.63303#0390

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Die Kunst-Halle

Nr. 22

für starke. Die Stimmung ist gesichert, wenn etwas
Schwermuth mit in das Bild hineindrang. „Das
Schöne ist sanft/' Hierauf beruht die Wirkung der
Glasgower. So ist der Abend „das wehmuthvolle
Vermächtniß des Tages", abgesehen von seinen
Farben, eine Hauptmalzeit, weil mit ihm das süße
Sehnen kommt, der große Wunsch, der nie gestillt
wird. Die Nachmittagsstunde dagegen „will nichts
bedeuten", sie „begnügt sich mit ihrem ländlichen
Lächeln". Ts empfiehlt sich, eine Statistik in unseren
Ausstellungen anzulegen nach landschaftlichen Rubriken
— nebst Jahreszeit, welche Tageszeit wird am meisten
gemalt und warum? Ts giebt Morgen- und Abend-
lieder, aber keine Mittaglieder.
wie viel noch läßt sich über landschaftliche
Stimmung sagen (ist sie nicht schließlich die „Witte-
rung"?)! Manches habe ich in Dorstehendem be-
rührt, Weniges ausgeführt — man betrachte den
Aufsatz als eine Napsodie. Vielleicht komme ich später
auf Tiniges ausführlicher zurück. Hören wir auch
hier noch das Wort Goethes:
Innre Wärme,
Seelenwärme,
Mittelpunkt!
Vie Lonüoim Ausstellungen
von >000.
Von Bertha Thomas, London.
Schluß.
^(ttM/ächst den schon besprochenen Werken enthält
die - Ausstellung kein hervor-
ragenderes als Mr. Abbeys „Tlle Trial ot'
Katllerme" (Königin Katharina vor den: Ge-
richtshof); eine seiner Kompositionen nach Shakespeare-
schen Dramen, durch die er sich die Gunst des
Publikums in so hohem Grade erworben hat. Die
hohe Begabung dieses Künstlers sür Farbengebung
und noch größere Geschicklichkeit, ein Gewühl vieler
Menschen auf die Leinwand zu bringen, kommen hier
beide zur schönsten Geltung. Bei einer Fülle von
Pracht und Glanz, bei großer Mannigfaltigkeit der
Typen und Kostüme, ist nirgends Verworrenheit zu
spüren. Interessant als äußerst geschickte Farbenstudie
von Noth und Schwarz, Fleischtönen und Juwelen,
Glasmalereien, blitzenden Waffen und Rüstungen, ist
die Komposition zugleich wegen der Klarheit des
komplizirten Entwurfes zu bewundern. Die Aus-
führung aber läßt zu wünschen. Vollendung und
doch nicht den Eindruck von technischer Sorgfalt her-
vorzubringen, ist das Geheimniß verhältnißmäßig
Weniger. Mr. Abbeys Kunst reicht so weit nicht.. .
Briton Niviöre, dieser geistvolle, aber ungleich
arbeitende Künstler zeigt sich von der besten Seite
in seinem „Reiher", einer Falkenjagd zu Pferde.
Vorzüglich ist die Malerei des von einem Fluß durch-
schlängelteu Wiesenlandes und des tiefblauen klaren
Himmels mit großen weißflockigen Wolken, an dem
der Reiher, nur noch als winziger Fleck erkennbar,

emporsteigt. Und nicht minder ist die Wiedergabe im
figürlichen Theil gelungen — zwei feurige Rosse, die
einen Herrn und eine Dame tragen, welch letztere
eben den Falken von ihrem Handgelenk zum Fluge
freiläßt. Das Frische einer Szene im Freien, die
lebendige Bewegung und Sportlust konnten gar nicht
charakteristischer und intensiver erfaßt sein.
Lin neues, doch malerisch schwer zu gestaltendes
Motiv, den von Aegyptern unter der Leitung englischer
Ingenieure ausgeführten Bau des großen Nildammes
bei Assuan, hat Mr. Gow in einer weise dargestellt,
die eben nicht viel mehr anstrebt, als eine genaue
Vorführung eines solch monumentalen industriellen
Werkes. Immerhin ein gediegenes und trefflich ge-
maltes Bild, das Beachtung verdient. Dicksee
spekulirt in seinen „Zwei Kronen" etwas aufdringlich
auf die Gläubigkeit. Der siegreiche Held mit
goldener Krone und im Prachtgewand, der durch
eine ihm zujubelnde Menge reitet, während Jung-
frauen ihm Rosen auf den Pfad streuen, erblickt
plötzlich die dornengekrönte Heilandsgestalt eines
Kruzifixes am Wege. Der Ankauf dieses Gemäldes
aus dem Thantrey-Fonds für die Nation dürfte kaum
allgemeine Billigung finden.
Obgleich die Nichtakademiker in diesem Jahr
selten günstige Thancen hatten, stehen wir doch der
Thatsache gegenüber, daß von den außerhalb des
akademischen Verbandes Stehenden sehr Wenige Be-
merkenswerthes geleistet haben. Da haben wir eine
Fülle mythologischer Bilder, die aber alle kaum mehr
als Atelierstudien sind. Unter den von der auf-
strebenden Künstlergeneration hier ausgestellten Werken
offenbart sich am meisten Kraft des Ausdrucks in
Miß Luoy Kemp-Welch's „In der See badende
Pferde". Tadellos in Zeichnung und Komposition,
zeichnet sich die Schilderung auch durch ihre Lebendig-
keit aus. Die Thiere — es sind ihrer zehn — die
von Bauernburschen an den Strand und in die
brandenden Wogen geführt werden, geberden sich
bei der Prozedur verschieden, wobei sich, ganz wie
in der Natur, das Temperament eines jeden deutlich
zu erkeuneu giebt. An ausländischen Künstlern sind
zu nennen: Bouguereau mit einer „Visr^s au Vy8-*
(dem einzigen religiösen Gemälde in der Akademie);
Fritz Thaulow mit mehreren vielbewunderten
Proben seines Könnens; Constant mit einigen
Bildnissen und Emile wauters mit einem, doch
ausgezeichnetem Werk seines Pinsels.
In der Skulptur en Hal le ist das Modell des
Grabmals Lord Leightons aufgestellt. Gegen die
Figur in zurückgelehnter Stellung ist im Allgemeinen
nichts einzuwenden. Doch das schwerfällige und
konventionell gehaltene Monument, von dem sie nur
einen verhältnißmäßig kleinen Theil bildet, ist keine
glänzende Bereicherung unseres nationalen Denkmäler-
bestandes. Dahingegen unstreitig besriedigend ist die
große Porträt-Statue Huxleys in Bronzeguß von
Onslow Ford, was gleichfalls von der in Marmor
ausgeführten gilt, die jüngst im naturgeschichtlichen
Museum enthüllt wurde. (Schon in der „Kunst-
Halle" besprochen). Zwar erscheint die klassisch an-
muthende akademische Robe einigermaßen befremdend
bei einer Persönlichkeit, welche die Verkörperung des
modernen Geisteslebens war. Der Figur ist indessen
ein hochgradig entwickelte Kraft der Intelligenz so
unverkennbar ausgeprägt, daß in dem Bildwerk die
Aufgabe, den großen Geist, dessen Gedächtniß es ge-
weiht, zu verewigen, würdig gelöst ist. —
 
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