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Die Kunst-Halle — 5.1899/​1900

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Nummer 19
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Meyer, Bruno: Berlin: die 2. Sezessions-Ausstellung
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Gustav, Leopold: München: die Internat. Kunstausstellung der "Sezession"
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https://doi.org/10.11588/diglit.63303#0340

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296 > Die Aunst-^alle

Kunstgrößen, die sich als Vorspann unter dem unerwehr-
baren Namen von „Ehrenmitgliedern" haben dem Karren
der Sezession vorlegen lassen, traten ihrer würdig und so-
mit säst imposant aus. Davon ist diesmal keine Rede,
von Boecklin eine so schwache Vertretung zu Stande zu
bringen, ist ein bewunderungswürdiges Kunststück oder —
ein namenloses Unglück. Leibl sehlt. Adolph Hilde-
brand's „Kugelwerser" in Marmor verdient allein einen
Besuch der Ausstellung von Allen, die ihn noch nicht
kennen; mag auch der seelenlose Kops (wie auch schon bei
manchem früheren Werke des Meisters) nur mit Unbehagen
in den Kauf genommen werden, so ist die Schönheit der
Bewegung und der süße Reiz der jugendlichen Formen in
ihrer diskreten, aber nirgends unter dem vollen Eindrücke
bleibenden Behandlung von bannender Gewalt. Auch das
bekannte Terrakotta-Relief des Dionysos mit feiner Be-
gleitung wirkt ähnlich, d. h. durch die Vornehmheit der
Formengebung anheimelnd, der Belebung freilich noch
etwas bedürftig. Herrlich ist das sehr hohe Bronze-Relief
eines „Flötenbläsers". Die zahlreichen Bildnisse in Büsten-
und Relief-Form sind in der Eharakteristik leider alle ziem-
lich oberflächlich und entgehen kaum dem Vorwurfe,
ihre durchweg ja der geistigen Elite angehörigen Originale
zu vergröbern, — um nicht einen nur allzu stark sich auf-
drängenden gröberen Ausdruck zu gebrauchen.
Linen schwer auszugleichenden Vorzug besaß die vor-
jährige Ausstellung durch ihre umfangreiche und nichts
weniger als uninteressante Schwarz-Weiß-Ausstellung, von
welcher Abtheilung diesmal kaum bemerkbare Pröbchen
vorhanden sind. Das ergiebt nirgends einen so empfindlich
fühlbaren Mangel wie gerade auf einer Sezessionsausstel-
lung, weil in der Zeichnung oder der graphischen Arbeit
die unleugbar vielfältig vorhandenen trefflichen Eigen-
schaften und Fähigkeiten der fezessionistischen Künstler un-
mittelbarer zur Geltung kommen als im Gemälde, und
ihre theils unbeabsichtigten, theils mit Raffinement kajolirten
Mängel da weniger störend hervortreten. Auch ist dies
Gebiet sozusagen parteiloser, sodaß viel eher auf Zuzug
brauchbarer Hülfsvölker aus dem Kreise der nicht Ein-
geschworenen gerechnet werden kann, als bei der Malerei.
Aber auch in dem Eindrücke glaube ich mich nicht zu
täuschen, daß die besseren und besten Namen der Sezession
selbst nirgends mit etwas Hervorragendem auf dem plane
erschienen sind, und mit ihrem Durchschnitt tief unter ihrem
richtigen Durchschnitt bleiben. Oder hat das starke Gewürz
schon Ueberreizung gewirkt, und der gewöhnliche Rummel
schon jeden Eindruck eingebüßt? was wäre bei dem, was
nur „modern" ist und sein will, am Ende natürlicher?
Heute roth, morgen todtl
Das, wobei Einem ein bischen warm werden kann, ist
bereits erwähnt. Aus dem Uebrigen sei nur noch das Line
oder Andere, das zu Bemerkungen Veranlassung zu geben
scheint, ausgewählt.
Der verstorbene Hans von Maröes giebt wenigstens
in dem Bildnisse des Bildhauers Adolph Hildebrand eine
gelungene Frucht seines Bestrebens, „alte" Bilder, d. h.
verschmutzte und verscheuerte, zu imitiren: Ein Bestreben,
das den entgengesetzten Pol zu jenem zu bilden scheint,
das jede Art von primitiver Ungeschicklichkeit nachbildet,
— bekanntlich ein Haupttruc der „Modernen". Manch-
mal gelingt eine hübsche Einzelheit, ein Bildchen im Bilde.
So bei Hans Glde, „vor Sonnenaufgang". Da ist ja die

Naturstimmung freilich völlig verfehlt, aber die Gruppe
des Milchmädels und des jungen Schnitters bringt ein
Element hinein, das gut verwerthet, d. h. nicht in einem
weitfchichtigen öden Bilde verzettelt, vortrefflicher Wirkung
fähig gewesen wäre. Aehnlich ist es mit dem anmuthigen
Figürchen eines nackt dem Bade im „Waldbach" ent-
steigenden Mädchens von Anders Zorn (Stockholm). Aber
es ist zu viel Unfertiges und Unbewältigtes daran.
Auch in seinem Selbstporträt, mit dem überflüssigen Modell
im Hintergründe, kann nur etwa das Brustbild mit dem
sehr wirksamen Kopfe als Bild gelten.
Den Ruhm der Malerei rettet (wie Hildebrand den
der Plastik) Franz Skarbina. Seine Werke füllen eine
ganze wand eines der kleineren Säle und erfreuen durch
charakteristische Auffassung und tüchtige Stimmung. Er
schaut mit wirklich offenem Auge ins Leben hinein, wenn
er nicht durch Tendenzmacherei verleitet wird, was ihm
leider gelegentlich passirt. Hier aber ist er frei davon.
Namentlich die beiden Zeichnungen „Schildwache" (Uni-
formen der Friedrichszeit) und „Hof in Alt-Berlin" zeigen
sein brillantes Können von der vortheilhaftesten Seite.
Das eine vorhandene wirklich hervorragende Stück
der Schwarz-Weiß-Kunst darf nicht unerwähnt bleiben:
Hugo Strucks „8on 80ir, lVls.ssisurs!'tz große Radirung
nach Adolph Menzels Bilde.
Line „Saale-Landschaft", Temxerabild von Paul Schultze-
Naumburg, fällt sehr zu ihrem vortheil durch die breit-
flächige Behandlung und die wirksame Sonne auf. —
Hans Thoma und Fritz von Uhde, siehe Böcklin!
Unter der Plastik ist auch Konstantin Meunier ver-
treten, in nichts sonderlich. Martin Schauß hat eine aus
verschiedenen Materialien geschickt zusammengesetzte weib-
liche Büste und eine zierliche Silberstatuette „Schweigen"
ausgestellt. Mit zwei hübschen Bronzestatuetten, einem
ihr Haar flechtenden Mädchen und einer sehr viel belebteren
und graziöseren „Sandalenbinderin" tritt Louis Tuaillon
hervor. Ein „Raubritter" zu Pferde, bemalte Holzstatuette,
von Ignaz Taschner, mag ihrer eigenartigen Technik wegen
und als nicht übel gelungen erwähnt werden.
Der Rest ist Schweigen!
Bruno Meyer.
X
München:
Vie Internal. NutMauzztellung
cter „Zeression".
von Leopold Gustav.
I.
uch in der diesjährigen Sezessionsausstellung finden
wir keinen neuen Namen, dafür aber die alten
meist auf ihrem früheren Stande. Auch ein sog. „clon"
dürfte in dieser Exposition schwer zu nennen sein; Stucks
Furien nicht, zumal der Künstler den Stoff schon einmal
ganz ähnlich behandelt hat; und Uhdes großes Genrebild
„Ruhepause im Atelier" bei allen später zu nennenden
Vorzügen doch wohl auch nicht. Jur Uebrigen machte ich
die interessante Wahrnehmung, daß die Sezessionisten sich
jetzt dem Genrebilde wieder nähern, z. B. dieses Mal noch
Adalbert Niemeyer, Robert Haug und Andere mehr, wie
lange ist es her, daß nicht Jeder vom „Verein bildender
 
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