Universitätsbibliothek HeidelbergUniversitätsbibliothek Heidelberg
Metadaten

Die Kunst-Halle — 5.1899/​1900

DOI issue:
Nummer 21
DOI article:
Thomas, Bertha: Die Londoner Ausstellungen von 1900
DOI article:
Imhof, Franz: Grosse Berliner Kunstausstellung 1900
DOI Page / Citation link: 
https://doi.org/10.11588/diglit.63303#0372

DWork-Logo
Overview
loading ...
Facsimile
0.5
1 cm
facsimile
Scroll
OCR fulltext
32§

Die Kunst-Halle

Nr. 2s

früheren nicht gar viel besagen. Indessen ist der
Abstand nicht etwa nur auf vereinzelte Lacher be-
schränkt. Sie alle — die Historienmalerei, das
Genre, die Landschaft, die Thiermalerei und das
Porträt — weisen Stücke auf, die das Maaß des
Gewöhnlichen weit überragen. Der große Treffer
in der Bildnißmalerei ist Mr. Sarge nts umfang-
reiches Gruppenbild der Lady Elcho und ihrer
beiden Schwestern. Das Merk besitzt jenen wwklich
großen Zug, für den unseren jungen Malern,
selbst den besseren, das Zeug fehlt. Mit Genug-
tuung haben Kritik und Publikum sich hier dem
Banne der Mittelmäßigkeit entrückt gesehen, obwohl
keineswegs von einer ganz untadeligen Malerei die
Rede sein kann. Ist doch z. B. die nachlässige Be-
handlung von Hand und Arm geradezu unbegreiflich.
Aber die schöpferische Kraft ist da, das untrügliche
Merkmal des Genies. Meisterhaft ist das Porträt
in Bezug auf die Komposition zu nennen. In der
Stellung der Figuren tritt das individualistische
Moment höchst lebendig hervor. Da ist nichts kon-
ventionelle Hose, alles Natürlichkeit und Grazie,
wunderbar real dabei der Ausdruck einer jeden der
drei Physiognomien. Tine der Damen, im Profil
gesehen, steht hinter einem Sopha, auf die Lehne
gestützt, links, etwas vorgebeugt, wie im Begriff zu
sprechen, sitzt die Zweite, während auf dem Sopha
die Mittelfigur ihren Platz hat, lässig hintenüber ge-
worfen, eine Bewegung, durch die ihre Jugendlich-
keit vortrefflich markwt ist — die Augen direkt auf
Len Beschauer gerichtet. Das reiche und glänzende
Kolorit ist ohne irgend welchen grellen Ton erzeugt:
Weiß die Farbe der aus Atlas und Gaze bestehenden
Gewänder, ein stumpfes Grün die Holster. Als
Zimmerschmuck dienen Vasen mit weißen Magnolia-
blüthen und alterthümliche runde Wandspiegel, und
auf dem dunkel gehaltenen Hintergrund sieht man
ein wohlbekanntes Gemälde von Matts, das Bildniß
der Mutter der Damen, Mrs. Myndham. Das
Ganze athniet eine Vornehmheit und wohlthuende
Schönheit, wie wir sie bisher selbst von dem flotten
Hinsel Sargents nicht gewohnt waren. Hier wie
in einem prächtigen Kinderporträt, das zu bewundern
wir in der sonst nur mäßig beschickten Asvv (Fnllery
Gelegenheit hatten, giebt Mr. Sargent bedeutende
Fortschritte zu erkennen.
Auch Mr. La Thangue ist in diesem Jahr
vortrefflich vertreten. Sein ,IVM6r-lllL8tG sder
Wassertümpel) — mit einem Trupp Gänse, die sich
zum Maffer hinunter begeben — zeichnet sich sowohl
durch Lebendigkeit wie Originalität aus. Die
Reflexe des Sonnenlichts, das durch grünes Laub auf
das Gefieder der Gänse fällt, kommen der Natur so
nahe, wie es mittelst der Malerpalette nur irgend
möglich ist. Sämmtliche von dem Künstler aus-
gestellten Stücke besitzen einen uns bei ihm noch
neuen Reiz, ohne seine von früher per uns bekannten
Vorzüge im geringsten vermissen zu lassen. Der
poetischer schaffende Tlausen wird die Bewunderer
seines auch vielseitigeren Könnens nie enttäuschen.
In der Wiedergabe des englischen Hirten- und
Bauernlebens kommt ihm Keiner gleich. Ans seinen
vier kleinen Bildern, die von dem feinen Zauber-
englischer Szenerie durchweht sind, ist weit mehr-
innerliches Empfinden für Natur ausgedrückt, als in
all den recht guten, doch stimmungsarmen Land-
schaften großen Formats, die einen ungebührlich
breiten Raum in der Akademie einnehmen. Ts
scheint, als ob der englische Landschafter von heute,

ob er auch in der Naturwahrheit und der Lösung
von Licht- und Luftproblemen seine Vorgänger zu
überflügeln strebt, seine Motive mit weniger Liebe
erfaßt und ihnen weniger verständniß entgegenbringt,
als die Vertreter der von ihm überwundenen An-
schauungen. Tin wahres Stimmungsbild wird nie
durch bloßes Kopiren der Natur erzeugt werden.
Ls gereicht unserer Künstlerschaft zur Lhre, daß
sie von dem bei uns ausgebrochenen kriegerisch-
nationalen Begeisterungstaumel sich nicht hat ver-
leiten lassen, die Leidenschaften des Tages zu ver-
herrlichen, um eine wohlfeile Popularität zu er-
zielen. Die Versuchung lag um so näher, als unser
Publikum nur allzu sehr geneigt ist, sich durch Ge-
fühle das Kunsturtheil trüben zu lassen. Von den
wenigen Bildern, deren Motive an den jetzigen Krieg
gemahnen, unterscheidet sich fast keines wesentlich
von den Trauer- und Abschiedsszenen, die jede Aus-
stellung aufzuweisen hat. Zehn der Mitglieder sind
in der Akademie der unvertreten, und siebzehn haben
sich mit nur je einem Merk begnügt. Sir L. Alma
Tadema hat mit seinem einzigen Beitrag „Gold-
fische" einem kleinen, doch hoch vollendeten Bilde,
eine Probe seiner Meisterschaft in der Schilderung
römischer Interieurs gegeben. Beachtenswerth ist
ein Porträt seiner ältesten Tochter, Miß Alma
Tadema, von Mr. Tollier gemalt; in Lebensgröße,
aufrecht stehend, im lang herabwallenden schwarzen
Kleide, einen orangefarbenen Thüle nachlässig um
die Schultern gelegt. Der Künstler hat sein ebenso
interessantes, wie malerisch reizvolles Modell
charakteristisch in natürlicher Tinfachheit und großer
Lebenstreue dargestellt. Mr. Mrchardsons großes
Gruppenbildniß ,IVmä8or (NMe, sffOO" könnte auch
betitelt sein: ,,H.neen Vietoris, nt llomo". Die Königin
Urgroßmutter, in sitzender Stellung, nimmt einen
Theil des Gemäldes für sich ein, so daß zwischen
Ihrer Majestät und den Vertretern der folgenden
Generationen eine respektvolle Entfernung inne ge-
halten ist. Der Kronprinz-Großvater — ganz vor-
züglich getroffen steht hinter einem Tisch und be-
obachtet mit sichtlichem Vergnügen die Bemühungen
seines Sohnes, des Herzogs von pork, den blond-
köpfigen kleinen Prinzen Edward zu bewegen, einen
Rosenstrauß, der fast so groß ist, als er selbst, der
hohen Urahne zu überreichen. Das weißgekleidete
Knäblein, welches beinahe Miene macht, zu rebelliren,
und offenbar in seinem kindlichen Sinn noch nichts
von Hofetikette weiß, bewahrt das Bild vor dem bei
derlei Darstellungen meist unvermeidlichen Eindruck
der Förmlichkeit und Banalität. Ganz mag auch in
vorliegendem Fall die Schwierigkeit nicht zu über-
winden gewesen sein. Doch Alles in Allem ist das
Werk ein des trefflichen, ob auch etwas manierirten
Pinsels seines Schöpfers nicht unwürdiges.
sSchluß folgt.)
grosse
berliner Kunstausstellung 1000.
6. Die Konkurrenzentwürfe in der „Ma-
schinenhalle."
ie Ausstellung und die öffentliche Kritik von
Wettbewerbsarbeiten hat etwas Mißliches,
werden sie dem Publikum vor der Ent-
scheidung vorgeführt, so befindet sich das Preisgericht, es
 
Annotationen