Universitätsbibliothek HeidelbergUniversitätsbibliothek Heidelberg
Metadaten

Die Kunst-Halle — 5.1899/​1900

DOI Heft:
Nummer 21
DOI Artikel:
Ferrars, Max Henry: Die Perspektive in der Photographie
DOI Artikel:
Das Goethe-Bund und seine Zukunft
DOI Artikel:
Kunstchronik
DOI Seite / Zitierlink: 
https://doi.org/10.11588/diglit.63303#0378

DWork-Logo
Überblick
loading ...
Faksimile
0.5
1 cm
facsimile
Vollansicht
OCR-Volltext
330

Die Aunst-Halle

Nr. 2s

eine bestimmte Bildgröße zu erzielen, zweitens wird der
Zeichner, wenn ihm auch die Perspektive dieses große Ver-
hältniß vorschreibt, sie nicht einhalten, sondern einen mathe-
matisch durchaus falschen Kompromiß mit ihr schaffen,
schließlich kommt noch das Moment der Tiefe in Betracht.
Wenn wir die Augen auf einen nahen Gegenstand richten,
der verhältnißmäßig sehr viel vom Gesichtsfeld ausfüllt,
so wird das Bild der entfernteren Gegenstände auf der
Netzhaut so verschwommen, daß wir ihrer kaum gewahr
werden — sie dringen sich nicht auf. Umgekehrt wirkt
das Nahe nicht aufdringlich, wenn das Auge für das Ent-
ferntere eingestellt wird. In dem Bilde aber, wo durch
das Abblenden eine erkünstelte Tiefe hergestellt wird, die
Nah und Fern gleich scharf erscheinen läßt, tritt wiederum
eine Erscheinung auf, die in dem Netzhautbilde kein Ana-
logon besitzt. Die gekrümmte Fläche der Netzhaut kommt
hier nicht in Betracht, weil es sich um den Vergleich
zwischen der zeichnerischen und der photographischen Per-
spektive auf ebener Fläche handelt. Selbst bei dem Auge
bleibt aber die erwähnte Vergrößerung des Naheliegenden
nicht aus, sonst würden die Bildhauer die Proportionen
der Figuren nicht von dem Naturtypus verändern, um
diese Wirkung zu kompensiren, wie das bekanntlich bei
Statuen, die auf hohen Sockeln stehen, geschieht.
Max Ferrars.
X
Der üoethe-vuna una seine
Ankunft.
-Xis Ersuche» der Red. der Reime", sich über
die Zukunft des Goethe-Bundes zu äußern, nennt
Lheodor Mommsen im Augustheft jener Zeitschrift das
durch den Fall der lex peinze für die bedrohte Sache bisher
Erreichte nur einen halben Erfolg.
Die Erweiterung des Begriffes der Anzucht durch
„Handlungen, welche, ohne unzüchtig zu sein, das Scham-
gefühl verletzen," diese Roerensche Rechtsverbesserung mit
dem Nieberdingschen Normalmenschen im Gefolge sei zwar
praktisch weggefallen, aber in einem stillen Winkel des
Gesetzes theoretisch stehen geblieben.
Einer: Kulturzweck würde, wie Mommsen meint, die
Fortdauer des Bundes dann erfüllen, wenn es gelänge,
durch die Macht des Namens Goethe den aufgeklärten
Theil der deutschen Katholiken von dem unnatürlichen
Bündniß mit den Ultramontanen zu trennen . . .
„Auch nach einer andern Seite hin wird die Stiftung
des Goethe-Bundes wohl als ernste Mahnung empfunden
morden sein. Dies Anfbäumen der Nation, soweit sie noch
nicht auf geistige und staatliche Freiheit Verzicht geleistet
hat, richtete sich nicht gegen das eigentliche Uebel,
sondern gegen ein einzelnes Symptom desselben. Was
liegt denn thatsächlich an diesen Schaufenster- und
Theaterparagraphen? Die Gerichte treten bei der Hand-
habung der staatlichen Sittlichkeitsordnung nothwendiger
Weise in den ^Hintergrund; auf die Verwaltung kommt
dabei der Sache nach so gut wie Alles an. Eine kultur-
feindliche Administration kann auch unter dem gegenwärtig
geltenden Gesetz ziemlich Alles erreichen, was sie bezweckt;
und bei verständigem und schonendem Verfahren der Polizei
würde auch die Normalmenschdoktrin bloß lächerlich ge-
blieben sein. Wäre das Gesetz durchgegangen, es hätte
unsere Zivilisation weniger geschädigt als geschändet; es
mar das Aufziehen der weißen Flagge gegenüber den
Knlturfeinden. — Ernste Abwehr hat sich nicht gegen diese
Paragraphen zu richten, sondern gegen die kulturfeindliche

Reichstagsmajorität. Das Böse sind wir los; die Bösen
sind geblieben.
Und an ihrem Bleiben ist mitschuldig nicht blos, wer
bei den Wahlen einem solchen Manne seine Stimme giebt,
sondern auch, wer am Wahltag zu Pause bleibt. An der
Gleichgiltigkeit gegen das politische Leben mehr noch als
an der Feindseligkeit gegen die gesunde staatliche Entwick-
lung krankt unsere Nation. Gewiß ist nicht blos das
politische Lied ein garstiges; auch die politische Thätigkeit
ist wohl bei dem Berufenen als Lebensarbeit das Größte
und pöchste, was der Mensch zu leisten vermag; aber wo
sie nur beiläufig an den Menschen herantritt, immer un-
dankbar und oft recht unbequem. Aber sie ist Männerpflicht;
und es ist recht übel, daß unsere Literaten und Künstler
in dieser Pinsicht vielfach sich verhalten wie die Frauen.
Pier wird nun einmal eben diesen sehr nachdrücklich zum
Bewußtsein gebracht, daß diese politische Gleichgiltigkeit
auch das geistige Leben der Nation bedroht. Möchten alle
Diejenigen, die nach Goethes Wort Wissenschaft und Kunst
besitzen, alle die, die dem Goethe-Bund beigetreten sind
oder innerlich sich ihm zugehörig empfinden, sich die Frage
vorlegen, ob nicht ein Jeder an seinem kleinen Theil an
dieser unseligen Majorität eine Schuld mittrage, und möchte
in Zukunft Keiner von diesen bei den Reichstagswahlen
seine Stimme einem Andern geben, als wer sich verpflichtet
hat, unter dem Zeichen Goethes die deutsche Kultur zu
achten und zu schützen.
Gb nun aber für den Goethe-Bund Aussicht ist auf eine
unmittelbare und erfolgreiche Thätigkeit, ist eine andere
Frage. Daß die lox peinze wieder auferstehen wird, ist
außer Frage; das Unkraut ist gekappt, aber nicht entwurzelt,
und diejenigen, die es in den deutschen Boden gepflanzt
haben, melden sich schon zur weiteren Ausbildung ihres zur
Zeit impotenten pomunkulus. Kehrt das Gesetz in der
einen oder der andern Form wieder, so wird auch der
Widerstand sich erneuern; ob auch diejenige Energie des
Widerstandes, an der das Gesetz diesmal gescheitert ist, ist
minder gewiß. „Begeisterung ist keine peringswaare, die
man einpökelt aus einige Jahre." Soll die Gluth dereinst
wieder zu Heller Lohe entfacht werden, so wäre es wohl
zu wünschen, daß sie nicht inzwischen verglimme. Ich habe
mich manchmal gefragt, ob es nicht möglich wäre, ein
periodisches Blatt zu gründen zur Bewahrung dieses Feuers,
eine Zeitschrift, in der namhafte Dichter und Schriftsteller,
hervorragende Künstler von Woche zu Woche dem deutschen
Publikum zeigten, daß auch wir Epigonen des großen
Namens, den wir führen, nicht unwerth geworden sind,
und daß, wie unseres Bodens Blumen von Jahr zu Jahr
sich erneuern, so auch wir unserer Nation stetig frische und
schöne Kunstblüthen zu bieten vermögen; weiter aber von
Woche zu Woche dem Publikum zeigten, was in den trüben
pinterwinkeln an Verungeistigung geleistet und meist durch
seine Obskurität vor der entsprechenden Verachtung geschützt
wird. Dazu gehören Führer und Mittel und vor Allem
Muth und Jugend. Ich habe beides nicht, und es ist dies
vielleicht ein Traumbild. Aber wir leben psrlluvs ro
clreum, und auch ein alter Mann darf ja wohl noch
träumen I"
G
AunstcßroniK.
* Berlin. Die Kgl. Gemäldegaller ie ist jüngst
durch eine Anzahl von Werken vermehrt worden, die Seitens
des Kaiser Friedrich - Mus eumsvereins angekaust oder
von Gönnern geschenkt wurden. Da früher die Ankäufe
der Gallerie oft' einer heftigen Kritik unterworfen und die
von ihr gezahlten Preise als exorbitant bezeichnet wurden,
so ist von perrn Direktor Dr. Bode ein Verein mit patriotisch
klingendem Namen gegründet worden, der die von ihm
bezeichneten alten Werke provisorisch aufkauft und sie der
Gallerie zunächst nur leiht. Erst nachdem sich die Kritik
mit den sog. Leihgaben des Museumsvereins, dessen ehr-
würdiger Name als ein Schutzmittel alle scharfen Federn
fern halten soll, genügend abgefunden, gehen die Sachen
 
Annotationen