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Die Kunst-Halle — 5.1899/​1900

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Nummer 22
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Gustav, Leopold: Die Münchener Jahresausstellung im Glaspalast
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Dresdener Kunstbrief
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https://doi.org/10.11588/diglit.63303#0393

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Nr. 22

Die Aun st-Halle -z-

3^3

glänzenden Kolorismus; auch Karl Böhme behandelt das
bewegte Meer nach dem Gewitter (Isola di Lapril famos
und ist auch in der Stimmung gut und dein Konventionellen
abhold. Karl Gesterley fr. malt seine Fjorde in einer
ruhigen, klaren Art.
Und nun das Figurenbild! Lllengroße Maschinen ent-
hält die Ausstellung glücklicher Meise nur eine, eine Ger-
manenschlacht. — Groß genug ist auch Karl Gebhardts
Hämon, der sich an Antigones Leiche ersticht. Man sage
nicht, wir hätten keinen Sinn „fürs Höhere". Ls ist eben
Theater und nichts, als Theater. Louis Lorinth hat
bei allem Anfechtbaren immer durch seinen kecken Koloris-
mus zu interessiren gewußt. Auch an seinen „Dämon",
in dein er grelle Farben verschmäht, geht das Braun des
Haares mit dem Braun der Taille wundervoll zusammen.
Dämon? Diese mattblickende, blaßlixpige Kourtisane, die
sich die Taille aufreißt, ist eigentlich schon jenseits des
Dämonischen.
Laupheimer bringt einen guten Akt, nicht mehr und
nicht weniger, Heinrich Rasch seine holländischen Strand-
bilder, von denen besonders „Strandleben" frisch erfaßt ist;
in Pastell schildert er uns thüringische Grnmmeternten,
Bildchen von ungeschminkter Natur. Bei Alexander
v. Wagners ungarischer Heuernte ist besonders das son-
nige Blau des Himmels und die Luft ohne alle Kunststücke
von zwingender Wahrheit, ebenso sein Bild „in Granada";
bei wopfners Heuboot ans „dem Lhiemsee" sind die Ge-
witterwolken etwas frostig, dagegen sind die dramatisch
bewegten Gebärden der Schiffer von glücklichem Naturalis-
mus; auch Rauxp findet wieder seine hübschen Mo-
tive am Lhiemsee. Bredt stellt Lva und Maria neben-
einander, ein Bild von feinen: Kolorismus; der Akt des
von der Schlange verführten Weltkindes ist zwar ein wenig
süßlich, wie bei Bredt meist, aber sonst fein gezeichnet.
Gut sind auch ihre koketten Augen, jedenfalls ist die Lva
viel interessanter, als die Maria darstellende konventionelle
Betschwester- L. de Grimberghe (Paris) bringt eine
rauchende Abessinierin, die koloristisch nicht uninteressant
ist. Hier in der Welt des Genrebildes ist die Auswahl
am größten und doch braucht nur das Allerwenigste ge-
nannt zu werden. Salinas farbenfreudige Sächelchen
finden immer Freunde, Simms Biedermeierbildchen haben
eine tadellose zeichnerische Ausführung; Mtto Seitzs
Zecher sind von vornehmem Kolorismus; Ritzbergers
Süßigkeiten haben eine schöne Lichtwirkung; bei Anton
Lovens Holländerin wirkt das zweifache Roth recht gut,
Pacher malt einen schwarzen Ritter, dem wieder aus Nebel
und Dunst allerhand Gestalten und Geister entgegengaukeln.
Faber du Faur bringt einige famose Sachen, die ich schon
im Kunstverein würdigte (Napoleon); bei anderen ist die
virtuose Zeichnung des laufenden Pferdes hervorzuheben.
Nun die Porträts! Bei Wilhelm Räubers Damen-
porträt sind besonders die Spitzen mit großem Können ge-
malt, wimmer bringt auf seinem Prinzregentenbildniß
eine schöne Farbenwirkung hervor; über Lüszlos „tadel-
lose" Fürstenxorträts läßt sich nichts Neues sagen; Julius
Adam malte sich inmitten seiner Katzen; das Fell der
Thiere ist wieder von seiner bekannten wundervollen Weich-
heit, bei dein Selbstbildnis; hat der Pinsel nicht nut gleichem
Temperament gestrichen. Auch Lrdtelt und Scholz haben
tüchtige Porträts gesandt. Tini Rupprechs Bildnisse
in Mel und Pastell sind nicht immer gleichwerthig, da sie
sehr zahlreich sind. Manche Süßigkeit mag auch auf das
Konto der Besteller zu setzen sein. Hervorragend ist der
mit nur wenigen Strichen gegebene Frauenkopf ((393).
Das sehr weiche pastellbildniß einer Dame von Frauen -
dorfer-Mühlthaler hat einen glücklichen Rythmus in der
ungezwungenen Linienführung der Ganzfigur. Don Ratzka
ist mir ein gutes Aquarellxorträt des Hofschausxielers
Stury aufgefallen, von sehr großem Können zeugt Julie
Wolf-Thorns Pastelldamenporträt, mit dem hingehanchten
Farbenspiel auf der weiß-farblosen Toilette. Höflingers
Prälatenbild ist von etwas nüchterner Gegenständlichkeit;
Goebelers Dame mit dem feinen Profil wäre ohne die
süßliche Lichtwirkung reizvoller; Alice Boscowitz bringt
ein sympathisches Bildniß einer alten Dame und — damit
genug!

von allen diesen Malereien ist künstlerisch ein weiter
weg zur „Münchener Gruppe 0"; es sind dies die
Herren von der „Scholle", die sich unter letzterem Namen
ja auch schon in Berlin vorgestellt haben. Bei den meisten
ist zu bemerken, daß sie hauptsächlich für bunte Illustrationen
arbeiten, ähnlich wie drüben in der Sezession pietzsch und
Andere. Das gilt in erster. Linie für Georgi und Lichler.
Lei der Kartoffelernte von Walter Georgi sind die Per-
sonen kolossal plastisch, aber hart und nüchtern. Bei Lichler
ist auf dem Bilde „Heuduft" das Bauernmadl nicht ohne
Größe; aber das ist eben, was das Gefühl des Ueber-
triebenen hervorrnft. Und wie gesteigert ist diese Wirkung
noch auf der farbig nicht reizlosen Leinwand: „Frühling" in
Gewitterstimmung; hier wachsen die blauen Genzianen wie
große Pilze und die dräuenden Wolken haben auch etwas
ins Dämonische Gesteigerte. Daß sich die Hochzeitsreisenden
bei dem wachsenden Aufruhr der Llemente gemüthlich ins
Gras setzen und den tiefschwarzgrünen, gährenden See be-
trachten, ist nicht sonderlich wahrscheinlich.
(Schluß folgt.)
*
V^escleye^ Uuysklmief.
-^-n den seit dem letzten Brief verflossenen Wochen hat
es im Dresdener Kunstleben, speziell in den Aus-
stellungen, wenig wichtige Lreignisse gegeben: auch hier
war die sommerliche Ruhe eingekehrt, und es zeigte sich nur
geringes Interesse an dem, was die Privat-Kunstsalons
und der Kunstverein boten. Dieser hatte zwar immer
seine Räume gut gefüllt, aber im Grunde enthielt er
wenig, was der besonderen Erwähnung in einem aus-
wärtigen Kunstblatte würdig gewesen wäre. Die Aus-
stellung des Nachlasses des im Alter von 54 Jahren ver-
storbenen hiesigen Landschaftsmalers Gskar Seidel, den
man als feinsinnigen Schilderer der heimischen Natur im
engeren Kreise schätzte, bewies wieder einmal, daß die so-
genannten fertigen Bilder, die das Publikum verlangt und
die man auf Ausstelluugen zu sehen bekommt, meist nicht
im Entferntesten die Frische und die Feinheit der Studien
erreichen und wenn, wie im vorliegenden Falle, die Natur-
studien einen hohen Grad von Durchführung zeigen und
oft eine gewisse fertige Abrundung im Geben des Motivs,
so muß man nur bedauern, daß die Künstler nicht öfter
ihre vor der Natur entstandenen Studien den: Publikum
zugängig machen. Ich möchte natürlich nicht dem wahl-
losen Ausstellen jeder Studie, die oft nur flüchtige, nur
den: Fachmann verständliche Notizen bringt, das Wort
reden: im Gegentheil halte ich dies schon aus den: äußer-
lichen Grunde für unangebracht, weil das Publikum, was
oft zu beobachten ist, daraus die Ansicht gewinnt, das sei
nun Alles, was der Künstler geben wolle: aber Studien,
die von dem Bilde nur dadurch zu unterscheiden sind, daß
dies oder jenes Detail sorgfältiger durchgeführt ist, oder
daß in: Vordergründe noch etwas angebracht ist, was das
Bild den: Liebhaber genießbarer erscheinen läßt, könnten
unbedenklich, nicht zum Schaden des Künstlers, vor die
Meffentlichkeit gebracht werden. Unter den Seidelschen
Studien befanden sich viele, die durch eingehendes Natur-
studium und feine Stimmung in hohen: Grade fesselten,
Sachen, die die „Bilder" des Künstlers, denen leicht etwas
Aengstliches, Gequältes anhaftete, weit übertrafen: die Mehr-
zahl von ihnen ist denn auch erfreulicher Weise in Privat-
besitz übergegangen. Gleichzeitig gab es eine Sammel-
ausstellung der Künstlergruppe Jung-Belgien, zu der
sogar ein etwas anspruchsvoll n:it den Porträts der
 
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