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Die Kunst-Halle — 5.1899/​1900

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Nummer 6
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Architektur und Kunstgewerbe in Nordamerika und ihr Einfluss auf die Moderne in Deutschland
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III. Ausstellung des Gr.-Lichterfelder Künstler-Klubs
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https://doi.org/10.11588/diglit.63303#0106

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88

Die Aunst-Halle

Nr. 6

Architekten in Europa ihre Studien machen (besonders
Paris), so laufen natürlich Bauten historischen Stils neben
jenem Naturstil her, wenn auck nach amerikanischen Ver-
hältnissen umgemodelt. Line ganz eigenartige Veränderung
erhielt der Romanische Stil bei seiner Einführung durch
Richardson, der ebenfalls Schüler der cklvols äss bkuux-
urts war, und welcher diesen den amerikanischen Ver-
hältnissen so glücklich anpaßte, daß sein neuromanischer
Stil Schule machte und sich zum Nationalstil ausgestaltete.
Er brachte die Wahrheit des Materials zur Geltung, ge-
staltete seine Bauten malerisch in Silhouette und Farbe
und ließ eigentliche Ornamente mehr und mehr weg. Er
zeigte als typisches Moment schwere, große Portal-
öffnungen, wechsel von ruhigen, schweren Mauerflächen
mit gekuppelten Fenstergrupxen und übersetzte die Kampanile-
Thurmform ins Romanische.
Das Typische des amerikanischen Naturstiles, in den
der neuromanische Stil ohne Ornament übergeht, zeigt
den wechsel der natürlichen Materialien, rauhen Werk-
stein neben glattem und geputztem Fachwerk oder Putz-
friesen als ornamentale Behandlung (eigentliche Putzbauten
kennt man drüben fast gar nicht). Die monumentale Be-
handlung und Anwendung der Materialien überträgt sich
auch ins Innere der Gebäude. Effektvolle Verwendung
des polzes im wechsel von glatt und matt in verschiedenen
Farben und Beizen, ferner in Zusammenstellung mit
blankem Metall, blanken Fliesen und Marmor, oder mit
rauhem Werkstein der zahlreich vorhandenen farbigen
Arten und Verblendziegeln, desgl. mit putz von eigen-
artiger Flächenwirkung durch verschiedenartige Material-
zusätze erzielt und zwar vom glatten Filzputz bis zum
rauhen Riesel oder Glasmosaikbelag, auch die Zuziehung
der vorzüglichen Verblendstein- und Terrakottatechnik geben
dem Architekten die pilfsmittel für die monumentale Be-
handlung ganzer Wandflächen, die in Gruppen, Kamin-
oder Fenstergruppen mit anschließenden Möbeln rc. auf-
gelöst zu werden pflegen. Zu diesem Zustande gesellte sich
vor ca. t5 Jahren der japanische Einfluß in Stoff, Farbe
und malerischer Wirkung der Zeichnung, der einen eigen-
artigen Umschwung besonders im Kunstgewerbe (auf Möbel)
herbeiführte.
Diese Eigenart amerikanischer Architektur mit ihrem,
auf den praktischen Zweck, malerische Außenerscheinung
und behagliches Innere, gerichteten Geschmack, trat nm:
gelegentlich der Ausstellung in Chicago dem Amerika in
großer Anzahl besuchenden Europäer zum ersten Male in
größerem Umfange vor die Augen. Europäische Architekten
und Kunstgewerbetreibende, die unter dem Einfluß der
alten Kultur und mit stilistischen Hochschulstudien über-
füttert hinüber kamen, konnten sich dein erfrischenden Ein-
druck dieser Natürlichkeit nicht entziehen, und verar-
beiteten die empfangenen Einflüsse zu der modernen
Richtung, die plötzlich, wenige Jahre nach der Chicagoer
Ausstellung, in ganz Europa in Erscheinung trat, unter-
stützt durch das Publikum, welches selbst diese Eindrücke in
sich ausgenommen.
Der Vortragende behandelte dann unter pinweis auf
die zahlreichen Ausstellungsobjekte, neben der Architektur,
aus der ja immer das Kunstgewerbe sich hergeleitet, weiter
die Tischler-, Kunstglaser-, Drechsler-, Schlosser-, Buch-
binder-, Töpferarbeiten, die Behandlungsweise verschiedener
Stoffe, z. B. des Porzellans, des Silbers, der Tapeten in

Amerika und deren unverkennbaren Einfluß auf „die
Moderne" Europas, und weist auch auf einige drastische
Architekturbeispiele der Ausstellung hin, typisch für die
moderne Richtung. Er gab zum Schluffe dem Wunsche
Ausdruck, daß es der Architektur gegenüber der Malerei
mehr vergönnt sein möge als bisher, Einfluß auf den
Richtungsgang der modernen Geschmacksrichtung zu er-
halten, wobei die Amerikaner, in ihrer zielbewußten
Zweckmäßigkeit der Gestaltung, bei Verwendung einfacher
Mittel, konstruktivem verständniß und Materialgerechtigkeit,
treffliche Dienste leisten könnten.


m. UlMtellung aes
6r.-LlchtetteItier^ün8tIer-^Iub5.

s ist unter allen Umständen bemerkenswert^ wenn
ein Vorort der Reichshauptstadt sein besonderes ört-
liches Leben schon so weit ausgebildet hat, daß er es unter-
nehmen kann, gewissermaßen vor den Thoren Berlins, eine
wenn auch nur bescheidene, so doch selbständige Kunst-
ausstellung zu veranstalten, wenn der Gr.-Lichterfelder
Künstlerklub zu einem solchen Unternehmen nun schon zum
dritten Male den Muth gehabt hat, so beweist dies, daß
die neue Idee in den interessirten Kreisen des westlichen
Vorortes Anklang gefunden hat.
Ls find jetzt etwa zehn Jahre her, daß ein kleiner
Kreis ausübender, in und um Gr.-Lichterfelde lebender
Künstler sich zusammenfand, um harmlosen, zunächst mü-
der Geselligkeit gewidmeten Verkehr zu pflegen, ein Kreis
von Malern, Bildhauern, Illustratoren und Architekten.
Aus diesem Verkehr erwuchs nach einiger Zeit wie
von selbst der Wunsch, hier den versuch mit einer kleinen
Ausstellung zu machen, ein Wunsch, der lebhaften Wieder-
hall in weiteren Kreisen fand, besonders aber dadurch eine
feste Unterlage erhielt, daß die Ortsbehörde in dankens-
wertester weise und zuvorkommendst den schmucken Saal
des stattlichen neuen Rathhauses zur Ausstellung hergab.
von großen materiellen Erfolgen konnte natürlich zu-
nächst keine Rede sein, sie waren auch nicht erwartet; der
Künstlerklub fand aber darin seinen Lohn, daß er sich
innerhalb der Bewohner Gr.-Lichterfeldes und der benach-
barten Vororte Anerkennung verschaffte und Interesse für
seine Bestrebungen erweckte. So wurde eine zweite und
in diesem Jahre eine dritte Ausstellung veranstaltet, an
welcher sich dieses Mal auch mehrere Berliner Mitglieder
des Klubs, ferner solche aus Steglitz und Friedenau be-
theiligten.
Der Klub zählt jetzt gegen vierzig Mitglieder, er ist
gewachsen unter der Devise echter und rechter Kamerad-
schaftlichkeit, zu einem Klub, der seinen Mitglieder und
Freunden in Mitten des rastlosen Tagesgetriebes eine
Stätte heiteren Verkehrs und befruchtenden Meinungs-
austausches bietet . . . Schon taucht der Gedanke an ein
eigenes Klubhaus auf, und wenn er einstweilen Manchem
noch etwas kühn erscheint, so läßt doch andererseits die
Thatkraft einzelner Mitglieder, wie des Malers Max Fritz,
des Architekten Theising u. A, auch für diesen weit-
 
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