Die Kunst-Halle — 5.1899/1900
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https://doi.org/10.11588/diglit.63303#0156
DOI Heft:
Nummer 9
DOI Artikel:Rücklin, R.: Moderne Volkskunst
DOI Artikel:Galland, Georg: Die Berliner Knaus-Ausstellung in der Akademie der Künste
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-z- Die Kunst-Halle
Nr. 9
(32
Prägestockes, dort der stillen Thätigkeit der galvanischen
Batterie ihre Aufmerksamkeit und ihr Studium zu
schenken. Denn nur der Künstler, nicht der Techniker
kann eingreifen, wo es gilt, auch diese mechanischen
Vorgänge in den Dienst der Kunst zu stellen, auch
ihren Erzeugnissen das Gepräge einer eigenen Kunst
zu geben, die nirgendwo Anleihen irgendwelcher Ari
zu machen braucht, und die erst dann wahrhaft eine
Kunst fürs Volk genannt werden darf.
X
Vie
berliner Isnauz-HlMtellung
m der -Akademie der Aünste.
ie Knaus-Festlichkeiten sind vorbei. Es
war da nach den: Programm genau so
zugegangen, wie es auf den Bildern zu-
geht, die Niemand vergißt, der sie gesehen. Diese
Bilder hat inan nun in den Sälen der Akademie zu
einer schönen und würdigen Ausstellung vereinigt,
soweit man der Originale, Gemälde und Zeichnungen,
habhaft werden konnte; und die Lücken ergänzte man
durch Photographien, was immerhin besser als gar-
nichts ist, . . wie viel ist über alle die hier zu-
sammengetragenen Sachen schon geschrieben und mehr
oder minder geistreich gesprochen worden. Der
Meister hats den Leuten aber auch „furchtbar" leicht
gemacht. Die Kunst der Näthselsprache — heutzutage
von Manchen als die wahre, als die einzige Kunst
betrachtet — hat Knaus nie gepflegt. Seine Lein-
wand redet nur nut allgemein verständlichen Typen,
lvas das menschliche Herz bedrückt und betrübt,
was es aufsubeln läßt vor Lust und unsagbarer Freude,
das hat er mit nie ermattetem pinsel geschildert.
Und „wie" hat er Alles geschildert, von Anfang an
bis in die jüngsten Jahre: Malkunst und Stoffwelt
bilden zusammen eine sichtliche Harmonie, die uns
auch an seinem persönlichen Wesen entzückt, eine wirk-
liche Nur in einem Punkte weicht
der Mensch von dem gern und behaglich erzählenden
Künstler erheblich ab. Lin Plauderer ist nämlich
Meister Knaus nie gewesen, im Gegensatz zu Menzel.
Niemand darf sich rühmen, den höflichsten Mann
unter den Malergrößen mit Erfolg interviewt zu
haben. Die gelegentliche Grobheit der kleinen
Erzellenz ist ein verhältnißmäßig leicht zu nehmendes
Hinderniß, verglichen mit der Einsilbigkeit unseres
Knaus, wenn man ihn neugierig anredet, dann
scheint die zurückhaltende Antwort andeuten zu wollen:
Thor, haben Dir meine Bilder denn nicht genug ver-
rathen? Da schaust Du ja, wenn Du ein wisser
bist, Alles, was ich in meinem Leben ehrlich erstrebt,
was mich interessirt, ergriffen, erfreut hat. Mehr
will und kann ich Dir nicht sagen; an meiner Kunst,
nicht an meiner Person sei Dir gelegen. Es existirt
eine hübsche Knausbiographie, geschrieben von Einem
(L. pietsch), der genau eingeweiht ist und dennoch
fast nichts Intimeres über diesen großen deutschen
Maler und Zeitgenossen zu sagen weiß, dessen Lebens-
erinnerungen sich ganz gewiß wie ein reizvoller
Noman lesen würden, der einst in Düsseldorf noch
unter wilhem Schadow Feuerbachs Ateliergenosse
war, der damals den sarkastischen Alfred Rethel
persönlich gekannt und später Toutures Schüler in
Paris wurde. Knaus hat die Iahrhundertskunst auf
der Hälfte ihrer verzweigten Bahn theilnehmend und
mitarbeitend begleitet und — er schwieg bisher
darüber.
Ich: Herr Professor, Sie kannten Feuerbach
persönlich? Wie urtheilten Sie damals über ihn und
seine künstlerischen Absichten?
Knaus: (schweigt).
Ich: Er war wohl schon frühzeitig ein Sonder-
ling?
Knaus (nach kurzer Pause): Ja, etwas Sonder-
ling war er (Schweigen) . —
Still, aber voll inniger Freude hat er die
mannigfachen Ehrungen der letzten Wochen über sich
ergehen lassen — ein wahrhaft Weiser. Der deutschen
Jugend sollte man Ludwig Knaus in einein Volks-
büchlein als Vorbild der Bescheidenheit eines echten
Künstlers und ganzen Mannes vor Augen führen,
wenn Hans Thoma ihm darin völlig gleicht, so
darf doch wohl nicht übersehen werden, daß jener
erst in späteren Lebensjahren schmeichlerische Ruhmes-
Anfechtungen erfuhr; während der Berliner Meister-
Anerkennung und Lob voll Anfang an im reichen
Maße kennen lernte. Das ist denn doch ein Unter-
schied und nicht Jedermanns Sache, unter so er-
schwerten Umständen ein demüthiger Held vor dem
Herrn zu bleiben. Also nahm er auch mit philosophischer
Nuhe die Huldigung entgegen, die man ihm im
Hauptsaal der Akademie mit seiner etwas posirenden
Halbfigur (von Eberlein) unter Palmen und dem
Verkauf seiner Photographie - Bildnisse an der
Thür bereitete. Seine verehrungswürdige Gattin
sagte ihm neulich: An Deinen: 70. Geburtstage kannst
Du Dir das Alles schor: gefallen lassen.
Von Knaus hat noch Niemand eine Anekdote
zum Besten gegeben, während an Menzels Ehren-
tagen viel Amüsantes erzählt werden konnte. Und
doch lebt der 70 jährige Meister mitten im Berliner
Kunstleben, nimmt eifrig Theil an allen künstlerischen
Vorgängen, fehlt niemals bei den wichtigen Be-
rathungen des Künstlervereins und sein Verkehr selbst
mit den jungen Fachgenossen ist ein herzlicher, ein
durchaus ungesuchter. Für Keinen ist er dann freilich
mehr als der „Maler Knaus", wie ihn im Jahre (8H6
Feuerbach in seinen Briefen nennt, aber jedes Wort,
das an ihn gerichtet wird, athmet — Verehrung.
Ueberall aber spielt er weit mehr den Zuhörer als
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Prägestockes, dort der stillen Thätigkeit der galvanischen
Batterie ihre Aufmerksamkeit und ihr Studium zu
schenken. Denn nur der Künstler, nicht der Techniker
kann eingreifen, wo es gilt, auch diese mechanischen
Vorgänge in den Dienst der Kunst zu stellen, auch
ihren Erzeugnissen das Gepräge einer eigenen Kunst
zu geben, die nirgendwo Anleihen irgendwelcher Ari
zu machen braucht, und die erst dann wahrhaft eine
Kunst fürs Volk genannt werden darf.
X
Vie
berliner Isnauz-HlMtellung
m der -Akademie der Aünste.
ie Knaus-Festlichkeiten sind vorbei. Es
war da nach den: Programm genau so
zugegangen, wie es auf den Bildern zu-
geht, die Niemand vergißt, der sie gesehen. Diese
Bilder hat inan nun in den Sälen der Akademie zu
einer schönen und würdigen Ausstellung vereinigt,
soweit man der Originale, Gemälde und Zeichnungen,
habhaft werden konnte; und die Lücken ergänzte man
durch Photographien, was immerhin besser als gar-
nichts ist, . . wie viel ist über alle die hier zu-
sammengetragenen Sachen schon geschrieben und mehr
oder minder geistreich gesprochen worden. Der
Meister hats den Leuten aber auch „furchtbar" leicht
gemacht. Die Kunst der Näthselsprache — heutzutage
von Manchen als die wahre, als die einzige Kunst
betrachtet — hat Knaus nie gepflegt. Seine Lein-
wand redet nur nut allgemein verständlichen Typen,
lvas das menschliche Herz bedrückt und betrübt,
was es aufsubeln läßt vor Lust und unsagbarer Freude,
das hat er mit nie ermattetem pinsel geschildert.
Und „wie" hat er Alles geschildert, von Anfang an
bis in die jüngsten Jahre: Malkunst und Stoffwelt
bilden zusammen eine sichtliche Harmonie, die uns
auch an seinem persönlichen Wesen entzückt, eine wirk-
liche Nur in einem Punkte weicht
der Mensch von dem gern und behaglich erzählenden
Künstler erheblich ab. Lin Plauderer ist nämlich
Meister Knaus nie gewesen, im Gegensatz zu Menzel.
Niemand darf sich rühmen, den höflichsten Mann
unter den Malergrößen mit Erfolg interviewt zu
haben. Die gelegentliche Grobheit der kleinen
Erzellenz ist ein verhältnißmäßig leicht zu nehmendes
Hinderniß, verglichen mit der Einsilbigkeit unseres
Knaus, wenn man ihn neugierig anredet, dann
scheint die zurückhaltende Antwort andeuten zu wollen:
Thor, haben Dir meine Bilder denn nicht genug ver-
rathen? Da schaust Du ja, wenn Du ein wisser
bist, Alles, was ich in meinem Leben ehrlich erstrebt,
was mich interessirt, ergriffen, erfreut hat. Mehr
will und kann ich Dir nicht sagen; an meiner Kunst,
nicht an meiner Person sei Dir gelegen. Es existirt
eine hübsche Knausbiographie, geschrieben von Einem
(L. pietsch), der genau eingeweiht ist und dennoch
fast nichts Intimeres über diesen großen deutschen
Maler und Zeitgenossen zu sagen weiß, dessen Lebens-
erinnerungen sich ganz gewiß wie ein reizvoller
Noman lesen würden, der einst in Düsseldorf noch
unter wilhem Schadow Feuerbachs Ateliergenosse
war, der damals den sarkastischen Alfred Rethel
persönlich gekannt und später Toutures Schüler in
Paris wurde. Knaus hat die Iahrhundertskunst auf
der Hälfte ihrer verzweigten Bahn theilnehmend und
mitarbeitend begleitet und — er schwieg bisher
darüber.
Ich: Herr Professor, Sie kannten Feuerbach
persönlich? Wie urtheilten Sie damals über ihn und
seine künstlerischen Absichten?
Knaus: (schweigt).
Ich: Er war wohl schon frühzeitig ein Sonder-
ling?
Knaus (nach kurzer Pause): Ja, etwas Sonder-
ling war er (Schweigen) . —
Still, aber voll inniger Freude hat er die
mannigfachen Ehrungen der letzten Wochen über sich
ergehen lassen — ein wahrhaft Weiser. Der deutschen
Jugend sollte man Ludwig Knaus in einein Volks-
büchlein als Vorbild der Bescheidenheit eines echten
Künstlers und ganzen Mannes vor Augen führen,
wenn Hans Thoma ihm darin völlig gleicht, so
darf doch wohl nicht übersehen werden, daß jener
erst in späteren Lebensjahren schmeichlerische Ruhmes-
Anfechtungen erfuhr; während der Berliner Meister-
Anerkennung und Lob voll Anfang an im reichen
Maße kennen lernte. Das ist denn doch ein Unter-
schied und nicht Jedermanns Sache, unter so er-
schwerten Umständen ein demüthiger Held vor dem
Herrn zu bleiben. Also nahm er auch mit philosophischer
Nuhe die Huldigung entgegen, die man ihm im
Hauptsaal der Akademie mit seiner etwas posirenden
Halbfigur (von Eberlein) unter Palmen und dem
Verkauf seiner Photographie - Bildnisse an der
Thür bereitete. Seine verehrungswürdige Gattin
sagte ihm neulich: An Deinen: 70. Geburtstage kannst
Du Dir das Alles schor: gefallen lassen.
Von Knaus hat noch Niemand eine Anekdote
zum Besten gegeben, während an Menzels Ehren-
tagen viel Amüsantes erzählt werden konnte. Und
doch lebt der 70 jährige Meister mitten im Berliner
Kunstleben, nimmt eifrig Theil an allen künstlerischen
Vorgängen, fehlt niemals bei den wichtigen Be-
rathungen des Künstlervereins und sein Verkehr selbst
mit den jungen Fachgenossen ist ein herzlicher, ein
durchaus ungesuchter. Für Keinen ist er dann freilich
mehr als der „Maler Knaus", wie ihn im Jahre (8H6
Feuerbach in seinen Briefen nennt, aber jedes Wort,
das an ihn gerichtet wird, athmet — Verehrung.
Ueberall aber spielt er weit mehr den Zuhörer als