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Die Kunst-Halle — 5.1899/​1900

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Nummer 19
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Imhof, Franz: Grosse Berliner Kunstausstellung 1900
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https://doi.org/10.11588/diglit.63303#0335

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Nr. G

4- Die Nun st-Halle -4

29l

krosse
berliner Kunstausstellung iyoo.
ch Die Sonderausstellungen.
uch im diesmaligen „Salon" hat man mehreren
Künstlern Gelegenheit gegeben, ganze Samm-
lungen ihrer Werke zu zeigen. Soweit das
Publikum ein gesteigertes Interesse für diese Meister
hat, trägt deren kollektives Vorhandensein entschieden
zur Hebung des Gesammteindrucks der Ausstellung
bei. Line würdige Veranlassung für solche Aus-
zeichnung würde ferner etwa sein: der künstlerische
Rückblick bei einem markanten Lebensabschnitt des
betreffenden Künstlers. Diesen begründeten Ehrungen,
über die sich jeder wohlmeinende nur freuen kann,
steht die willkürliche Ehrung gegenüber, mit der man
manchmal irgend einer eingebildeten Größe in schwäch-
licher weise entgegenkommt. Dem Publikum wird
dann eine Betrachtung von Arbeiten zugemuthet, die
lediglich verstimmend wirkt und der Sache nur einen
schlechten Dienst erweist. Um so mehr, als jede nicht
wenigstens durch den Erfolg gerechtfertigte Bevor-
zugung böses Blut in den Reihen der überhaupt
Zurückgewiesenen erzeugt. Zu weit getriebene Schonung
wäre freilich ebenso verkehrt wie jeglicher Mangel
an Rücksicht auf die Empfindungen von Künstlern,
deren Ehrlichkeit des Strebens noch unbelohnt ge-
blieben ist.
Ich gestehe zunächst ein, daß über die dieses Mal
Begünstigten: Gari Malchers, Emilie wauters, Hugo
Vogel, Oswald Achenbach, L. Dettmann, N. Gysis,
Lugen Bracht, Paul Vorgang, I. Rummelspacher,
Ismael Gentz, Ed. Pape rc., die Urtheile sehr ver-
schieden lauten können. Die Kommission hat die
Sonderausstellungen auch keineswegs auf dieselbe
Rangstufe gestellt, sie vielmehr durch die recht un-
gleichen Vortheile des Platzes schon im Voraus be-
werthet. Im Prinzip mag das ja bedenklich er-
scheinen; die Praxis aber lehrt, daß die Leitung gut
daran thut, von diesem ihrem Rechte manchmal sehr
nachdrücklichst Gebrauch zu machen. Möge sie nur
niemals vorbeihauen und gar oben nach unten kehren!
Dann wäre es schon besser, der Kritik allein das
Verfahren des Rechtsspruches zu überlassen. Gleich
am ersten Beispiel, das ich hier meinen Lesern vor-
führen möchte, muß ich leider ein Urtheil fällen, das
wohl kaum zu dem Ehrenplätze stimmt, welcher den
Altonaer Wandgemälden von Ludwig Dettmann
gewidmet wurde.
Jetzt, nachdem die im kleinen Maßstabe so reiz-
vollen Entwürfe Dettmanns im großen Nahmen der
Ausführung zu sehen sind, erweist sich das Ergebniß
der vielbesprochenen Altonaer Konkurrenz geradezu
als ein Mißgriff. Der frischen Gestaltungsart dieses
mir als Staffeleimaler so schätzenswerthen Künstlers
liegt offenbar nicht die monumentale Auffassung mit
ihrer stilisirten Großlinigkeit und Farbengebung. Ohne
Rücksicht darauf hatte sich das Preisgericht seiner
Zeit durch die illustrative Verständlichkeit der vier
gutgewählten geschichtlichen Episoden blenden lassen.
Dettmann glaubt: monumental heiße einfach Ver-
größerung des in völlig realistischer Art behandelten
Illustrativ-Kleinen. Herman Grimm hat einmal
solches Ergebniß „geschwollen" genannt. Als Kultur-
und Sittenbilder hätten diese großen Leinwandstächen
eine viel feinere Durchbildung erhalten müssen. Der
verehrte Meister meinte sich diese aber um des

dekorativen und monumentalen Zweckes wegen schenken
zu dürfen, was er zu erreichen hoffte, blieb natür-
lich aus. Die Wirkung des Ganzen wird lediglich
bedingt durch die auffällige formale und koloristische
Rohheit, Geschwollenheit der Ausführung. Die breite
summarische Malweise, z. B. des Wassers auf dem
zweiten Bilde der Einäscherung Altonas durch die
Schweden I7I3) und der plumpen Hausdächer und
wehenden Fahnen, die mehr als die Hälfte der Bild-
fläche auf der vierten Leinwand des Einzugs der
Bundestruppen I863) einnehmen, fällt ganz aus dem
Stil dieser Illustrationen heraus. So verfehlt aber
auch ihre Wirkung als monumentaler Wandschmuck ist,
künstlerisch ernste Leistungen als Schilderungen bleiben
diese preisgekrönten Gemälde Dettmanns in jedem
Falle.
was er versäumt hat — sich nämlich an geeignete
Muster der neueren und früheren Zeit anzulehnen —
hat sein Kollege Hugo Vogel gar sehr erwogen.
Hinter dessen Wandbildern für das Merseburger
Ständehaus steht der große Rethel, der Vogels Hand
führte, wie der Lehrer des Schülers Hand. Das
Thema ist der alten deutschen Geschichte entnommen:
Heinrich der Finkler, dem nicht gerade der künftige
hohe Beruf aus intelligenten Zügen leuchtet, wird
die deutsche Königskrone angeboten, Otto der Große
mit Gemahlin und Gefolge befestigen das Thristen-
thum an der Elbe, Heinrich I. besiegt bei Merseburg
die Ungarn. Der Meister war bestrebt, nicht nur
im Formalen, sondern auch in der primitiv bunten
Farhengebung einen Ausdruck für jene Frühzeit zu
schaffen. Als wissenschaftlich gebildeter Mann wußte
Vogel bisher immer das „Zeitkolorit" zu treffen.
Die zeitentsprechende Stilisirung hat wirklich in diese
helltönigen Kompositionen einen monumentalen Zug
hineingebracht. Nur schade, daß nicht zugleich etwas
mehr — die Helle Stimmung der Gemälde allein
thut es nicht — von dem warmen Leben unserer
Gegenwart hineinströmte, wie frostig langweilig
entfaltet sich Alles auf dieser buntgefleckten Riesen-
leinwand; rein objektiv angesehen, "setzen doch schon
die geschichtlichen Handlungen einen kühneren Schwung
voraus. Welchen Zweck wollte eigentlich der Auf-
traggeber, das königlich preußische Kultusministerium,
mit dem Werke verbinden? wollte man große volks-
thümliche Persönlichkeiten durch eine leblose Statisterie
verbildlichen lassen? Ein wahrhaftes Kunstwerk greift
in unser Innerstes, läßt nur mit Mühe die Leiden-
schaft unserer Empfindungen zügeln. Vor Vogels
Riesenflächen haben wir bloß Mühe, den Gähnkrampf
unserer Kinnladen zu unterdrücken.
Aber nicht nur im preußischen Kultusministerium
hält man Herrn Vogel für einen großen Künstler.
Es giebt auch noch andere dankbare Kreise, die seine
zahme Modernität goutiren, eine Kunst, die gegen die
Vorwürfe der „Alten" und der „Jungen" in gleicher
weise geschützt scheint. Auch die Vielseitigkeit seines
Talents wird gerühmt. Ls wechseln hier Historien,
Genrebilder, Porträts, Studienfiguren, Kirchen-
interieurs u. s. w. miteinander ab. Ein Damen-
bildniß in ganzer Figur entbehrt nicht der Eleganz
und malerischer Schönheit. „Mutter und Kind" in
sonniger Laube ist eine hübsche, fast pikante Malerei,
Besitzstück der Nationalgallerie. Einige nicht übel
wirkende Typen von gutmüthigen Orgelspielern,
frommen Geistlichen, auch eine mit Blumenmassen
verbrämte gottesdienstliche Szene verrathen die be-
vorzugte Studiensphäre des Künstlers, den man viel-
leicht auch deshalb so sympathisch findet. Aber
 
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