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Die Kunst-Halle — 5.1899/​1900

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Nummer 2
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Galland, Georg; Knaus, Ludwig [Gefeierte Pers.]: Ludwig Knaus: zu seinem siebzigsten Geburtstage
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Haenel, Erich: Künstler und Konkurrenzen
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https://doi.org/10.11588/diglit.63303#0029

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Nr. 2

4- Die Nun st-Halle


es sich endlich, daß zwei in ihren Stoffen meist von
einander abweichende Maler wie chaus Thoma
und Ludwig Rn aus, der Line aus der Schwarz-
wald-, der Andere aus der Tauuusgegend
stammend, Deszendenten fast des nämlichen kern-
deutschen Stammes, dennoch innerlich, in ihrer
Lmpfinduugsweise sich so nahe stehen. Und nicht
nur innerlich, sondern auch äußerlich, wenu man
ihre kleine, aber gedrungene Gestalt und kräftig ge-
formten Züge des bärtigen Hauptes betrachtet —
erinnert man sich in des Linen Gegenwart gern der
Persönlichkeit des Andern. . .
Ls kann sich für uns dieses Mal nicht darum
handeln, in eine Diskussion über die Früchte seiner
Malkunst zu treten. Zeder kennt fa den Inhalt
seiner besten Schöpfungen wenigstens aus den Nach-
bildungen, und die Meisten wissen sogar, daß er
schon in jungen Jahren in Paris war, wodurch die
Entwickelung seiner Malerei, zumal nach der tech-
nischen Seite, kräftig gefördert wurde. Außer Touture,
in dessen Atelier er arbeitete und den er noch heute
bewundert, haben ihn wohl am meisten die Nokoko-
maler Watteau, Laueret, Boucher, und von Neueren
z. B. Delacroix und Torot koloristisch angeregt.
Ueberhaupt ist es falsch, ihn lediglich als geistreichen
Humoristen zu würdigen; er ist doch von Anfang an
ganz besonders ein Maler von feinsten Qualitäten
gewesen. Man betrachte das noch in Haris gemalte
Bild der Berliner Gallerie Navene „Die Ratzen-
mutter", es interessirt fast uur als koloristische
Leistung; auch das Porträt des Rommerzieuraths
Navenö und andere Stücke zeugen von einem
delikaten malerischen Geschmack. Selbst jene Gegner,
die der Rnausschen Genrekunst die seltsamsten Ab-
sichten unterschieben, wie kürzlich T. Gurlitt, der
offenbar den malenden Sittenschilderer in den Dienst
des „Nöthen Rreuzes" spannen möchte und unserem
Meister ernsthaft vorwirft, er habe in seinen Bildern,
statt „an die Pflicht auf Fürsorge zu mahnen" —
der Unselige! — vielmehr „durch Wohlwolleu die
Rluft in unserer Gesellschaft zu überbrücken" versucht
— selbst solche Gegner leugnen wenigstens niemals
den poetischen Neiz seiner blumigen Roloristik, um
die ihn die verwöhntesten unter den französischen
Hinselführern stets mit Respekt begegnet sind.
Die Mannigfaltigkeit seiner Stoffwelt ist gleichfalls
nicht zu übersehen. Zn jüngeren Zähren reizte ihn
wohl ungemein das zerlumpte, bettelnde und wahr-
sagende Zigeunervolk, das freilich von ihm ganz
anders verwerthet wurde als vou den älteren
Düsseldorfer Nomantikern. Ls herrscht hier zu-
meist eine festtagfrohe, eine liebenswürdig heitere
Stimmung, die auch anderen Szenen eines romantisch
angehauchten Vagabundenthums wie jener Runst-
reiterbande nut dem vornehmen Don Zuan und
dem famosen Taschenspieler in der Scheune vor den
Bauern eigenthümlich ist.

Dieser romantische Zug ist im Lebenswerke
unseres Rnaus keineswegs nebensächlich. Lr kommt
nicht nur bei den Zigeunern und anderen gewöhn-
lichen Vagabunden zur Geltuug, soudern auch, wenu
der Maler all seiue reizend unbefangene Grazie der
Form und des Ausdrucks in die Welt des göttlichen
vagabundenthums, naschhafter bocksfüßiger Satyrn,
drolliger Hanisken, Nymphen und Lroten, hineinträgt
und selbst wenn er eine Madonna, eine Tharitas,
von Rindern umringt, so entzückend anmuthig dar-
stellt wie ein moderner Murillo, der sich der Palette
Watteaus bedient. . . . And zu solcher Lieblichkeit
und Zartheit des Ausdrucks — woriu sich ihm die
kindliche und jungfräuliche Seele wundersam erschloß
— schenkte er uns noch außerdem uicht wenige un-
vergeßliche Tharakterfiguren, zumal einige treffliche
Porträts, die wie diejenigen Ravenes, Helmholtz's,
Mommsens zu den werthvollften Erzeugnissen dieser
Kunstgattung überhaupt gehören. —
Noch immer arbeitet Ludwig Rnaus in seinem
behaglichen Berliner Atelier, das ihn nun schon seit
einer längeren Neihe von Zähren zu einem der
unsrigen macht. Noch regt sich der wackere Meister-
in voller körperlicher und geistiger Rüstigkeit; und
daraus dürfen wir wohl die Hoffnung schöpfen, daß
ihm noch manches seinen früheren Arbeiten eben-
bürtige Werk gelingen werde. Lin Nachlassen auch
der künstlerischen Fähigkeit ist bei einem Siebenzig-
jährigen gewiß nur natürlich. Aber die Geschichte
kennt andererseits Beispiele, die beweisen, daß eine
Zunahme der schöpferischen Rraft selbst im hohen
Alter wieder eintreten kann; ist doch nicht immer das
drückende Alter, sondern oft nur der Terrorismus
ueuer Runstmoden und dergl. die Ursache der Ver-
kümmerung der Schaffensfreude. Wie dem nuu
auch sein werde, unser Ludwig Rnaus steht zum
Glück läugst so hoch iu der allgemeinen Schätzung,
sein herrliches Lebenswerk redet eine unser Gemüth
so tief bewegende und zugleich hoch erhebende Sprache,
daß er wohl mit der zufriedenen Miene eines Lieblings
der Götter auf alle Wandlungen des heutigen und des
kommenden Runstlebens lächelnd herabblicken darf.
Künstler und Konkurrenten.
von Erich Haenel, Dresden.

wir versuchen, das Verhältniß von
ist und Publikum, wie es heute vor
;en liegt, einmal wirthschaftlich zu
charakterisiren, so kommen wir zu den: allbekauuten
Lrgebniß: es herrscht auf dem Gebiet der bildenden
Rünste heute eine Ueberproduktion, wie die Geschichte
keine zweite kennt, vom kunstpsychologischen Stand-
punkte betrachtet, heißt das: das Bedürfniß, sich
künstlerisch zu bethätigen, ist bei einer gewissen Gruppe
 
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