Die Kunst-Halle — 5.1899/1900
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DOI Heft:
Nummer 2
DOI Artikel:Haenel, Erich: Künstler und Konkurrenzen
DOI Artikel:Rücklin, R.: Aus der Pforzheimer Schmuck-Industrie
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Nr. 2 -—Die Run st-Halle > 2s
gelt seiner Schöpfung von vornherein garantirt. In
einer Zeit, als die Hauptaufgabe der Kunst die Dar-
stellung religiöser Vorgänge zum Schmuck öffentlicher
und kirchlicher Gebäude war, wie in der italienischen
Renaissance, war dies die fast allein gebräuchliche
Lorn: der künstlerischen Produktion, ebenso in jener
Periode, wo die Bildnißmalerei un Vordergrund des
Schaffens stand, wie im siebzehnten Jahrhundert in
Holland. Diese beiden Beispiele genügen, um zu be-
weisen, daß ein wirklich lebendiges Gedeihen der
künstlerischen Kultur nur auf Grund solcher Ver-
bindungen möglich, daß der direkte Auftrag die
natürliche Grundlage aller gesunden künstlerischen
Thätigkeit ist. Heute beruht nur noch ein ganz
kleiner Theil alles Kunstschaffens auf dieser Voraus-
setzung. Bei der Malerei kommen da fast aus-
schließlich Porträtaufträge in Betracht, bei der Plastik
daneben Aufträge für mehr dekorative Arbeiten,
selten größeren Umfanges. Dies soweit eine Privat-
person der Auftraggeber ist. Größere Korporationen,
öffentliche Institute, Stadtverwaltungen, vor Allem
der Staat, haben sich für ihre künstlerischen Aufträge
in den allermeisten Fällen eine Form gewählt, die
ebenso alt wie abgenützt ist, die Form eines Auftrags
gewissermaßen ohne persönliche Verbindlichkeit, einer
unpersönlichen bedingten Bestellung: den Wettbewerb,
die Konkurrenz.
(Schluß folgt.)
X
M; cler pforrbeinm Zcbmuck-
Inüuzttie.
Von R. Rücklin, Pforzheim.
(Schluß).
Mit nicht ganz ungemischter Freude kann man
die versuche begrüßen, welche darauf hinausgehen,
der Kleinplastik im Schmuck wieder Eingang zu ver-
schaffen. Nicht als ob irgend welche prinzipielle
Einwendung dagegen zu erheben wäre, aber es
fehlen unserer Industrie hierfür noch zu sehr die
ausführenden Kräfte. So verheißungsvoll alle diese
Ehimären, Halb- und Ganzfiguren auch im Entwurf
sich ausnehmen mögen, so selten ist eine einwand-
freie Ausführung anzutreffen. Meist ist diesen ge-
gossenen und ziselirten Gestalten eine zu große Härte
und Peinlichkeit der Modellirung vorzuwerfen. Es
wäre des Schweißes der Edlen werth, gerade hierin
Besserung zu schaffen; denn da sind uns die Franzosen
vorläufig noch weit überlegen. — Eine Neuheit der
letzten Jahre darf ich nicht unerwähnt lassen: die
Medaillenbroschen. Es sind dies als Broschen
montirte, Medaillen- oder plaquettenartige Plättchen
mit irgend einer Darstellung, einem interessanten
Kopf oder einer Gruppe. Sie sind aber nicht, wie
echte Medaillen, beidseitig geprägt, sondern nur ein-
seitig gepreßt, so daß sie verhältnißmäßig billig her-
gestellt werden können. In dieser Art sind schon
recht beachtenswerthe Leistungen zu verzeichnen. —
Auch in der farbigen Behandlung des Schmuckes
mit Email sind Fortschritte zu rühmen. Man pflegt
gegenwärtig namentlich das transparente Email auf
flinkirtem Grund. Letzterer Ausdruck ist so zu ver-
stehen, daß der metallische Untergrund für das Email
nicht glatt gelassen, sondern nut dem Gravirstichel ge-
mustert wird; dadurch entsteht ein Spiel von metallischen
Glanzlichtern, welches im Verein mit dem farbigen Ueber-
zug überaus reizvoll wirkt. Ich habe Arbeiten in
dieser Ausführung gesehen, bei denen die Bemusterung
des Emailgrundes in die Komposition mit einbezogen
war, d. h. mit den übrigen Linienzügen korrespondirte;
dabei wies das Email mehrere, weich in einander
zerfließende Töne auf — die Wirkung des Ganzen
war entzückend. — Bezüglich der verwendeten Steine
fällt die entschiedene Bevorzugung farbenschöner
Halbedelsteine ans, wie besonders des Mpal, der
geradezu zum gegenwärtigen Modestein geworden ist.
Man geht wohl nicht fehl, wenn man diese Tendenz
mit der farbenfreudigen Strömung der modernen
Kunst überhaupt in Zusammenhang bringt. Zu
wünschen wäre noch, daß der Steinschliff sich mit
der Zeit künstlerischen Anforderungen etwas zugäng-
licher zeigen möchte. Daß jeder Stein so geschliffen
wird, daß er seine höchstmögliche Wirkung entfaltet,
ist in der Ordnung und selbstverständlich; aber die
Einförmigkeit ist heutzutage doch schon so groß ge-
worden, daß alle Schmuckstücke mit vorwiegendem
Steinbesatz eine gewisse Familienähnlichkeit aufweisen,
weil fast alle Steine, auch die fazettirten, eine kreis-
runde Grundsigur zeigen. Das geht doch wohl zu
weit und eine Befreiung hiervon wäre ein wirklicher
künstlerischer Fortschritt.
Schmuck und Kostüm sind nicht von einander zu
trennen: eine Schmuckgeschichte müßte ein gutes Theil
Kostümgeschichte in den Kreis ihrer Betrachtung
ziehen und eine moderne Umgestaltung des Schmuckes
wird sich in engem Anschluß an unsere neueren
Kleidermoden vollziehen müssen. Und auch da zeigen
sich hoffnungsvolle Keime: eine Neigung zu groß-
zügiger Einfachheit ist in den Toilettenwandlungen
der letzten Zeit nicht zu verkennen, und Hand in
Hand damit beginnt eine wirksamere Anwendung von
Schmuck platzzugreifen. Sehr bezeichnend für diese
neuere Neigung ist das Aufkommen der sogenannten
Fächerkette, die, um den Hals und übev die Brust
bis zum Gürtel herabfallend, gern mit großen
Schiebern oder frei herabhängenden plaquetten oder
Anhängern verziert wird. Schon allein das Wieder-
aufkommen des Anhängers, dieses alten Prunkstückes
aus der schmuckhaften Renaissance, läßt uns hoffen,
daß dein künstlerischen Schmuck künftig auch bei uns
mehr Raum gegönnt werde. Und mehr Raun: muß
gelt seiner Schöpfung von vornherein garantirt. In
einer Zeit, als die Hauptaufgabe der Kunst die Dar-
stellung religiöser Vorgänge zum Schmuck öffentlicher
und kirchlicher Gebäude war, wie in der italienischen
Renaissance, war dies die fast allein gebräuchliche
Lorn: der künstlerischen Produktion, ebenso in jener
Periode, wo die Bildnißmalerei un Vordergrund des
Schaffens stand, wie im siebzehnten Jahrhundert in
Holland. Diese beiden Beispiele genügen, um zu be-
weisen, daß ein wirklich lebendiges Gedeihen der
künstlerischen Kultur nur auf Grund solcher Ver-
bindungen möglich, daß der direkte Auftrag die
natürliche Grundlage aller gesunden künstlerischen
Thätigkeit ist. Heute beruht nur noch ein ganz
kleiner Theil alles Kunstschaffens auf dieser Voraus-
setzung. Bei der Malerei kommen da fast aus-
schließlich Porträtaufträge in Betracht, bei der Plastik
daneben Aufträge für mehr dekorative Arbeiten,
selten größeren Umfanges. Dies soweit eine Privat-
person der Auftraggeber ist. Größere Korporationen,
öffentliche Institute, Stadtverwaltungen, vor Allem
der Staat, haben sich für ihre künstlerischen Aufträge
in den allermeisten Fällen eine Form gewählt, die
ebenso alt wie abgenützt ist, die Form eines Auftrags
gewissermaßen ohne persönliche Verbindlichkeit, einer
unpersönlichen bedingten Bestellung: den Wettbewerb,
die Konkurrenz.
(Schluß folgt.)
X
M; cler pforrbeinm Zcbmuck-
Inüuzttie.
Von R. Rücklin, Pforzheim.
(Schluß).
Mit nicht ganz ungemischter Freude kann man
die versuche begrüßen, welche darauf hinausgehen,
der Kleinplastik im Schmuck wieder Eingang zu ver-
schaffen. Nicht als ob irgend welche prinzipielle
Einwendung dagegen zu erheben wäre, aber es
fehlen unserer Industrie hierfür noch zu sehr die
ausführenden Kräfte. So verheißungsvoll alle diese
Ehimären, Halb- und Ganzfiguren auch im Entwurf
sich ausnehmen mögen, so selten ist eine einwand-
freie Ausführung anzutreffen. Meist ist diesen ge-
gossenen und ziselirten Gestalten eine zu große Härte
und Peinlichkeit der Modellirung vorzuwerfen. Es
wäre des Schweißes der Edlen werth, gerade hierin
Besserung zu schaffen; denn da sind uns die Franzosen
vorläufig noch weit überlegen. — Eine Neuheit der
letzten Jahre darf ich nicht unerwähnt lassen: die
Medaillenbroschen. Es sind dies als Broschen
montirte, Medaillen- oder plaquettenartige Plättchen
mit irgend einer Darstellung, einem interessanten
Kopf oder einer Gruppe. Sie sind aber nicht, wie
echte Medaillen, beidseitig geprägt, sondern nur ein-
seitig gepreßt, so daß sie verhältnißmäßig billig her-
gestellt werden können. In dieser Art sind schon
recht beachtenswerthe Leistungen zu verzeichnen. —
Auch in der farbigen Behandlung des Schmuckes
mit Email sind Fortschritte zu rühmen. Man pflegt
gegenwärtig namentlich das transparente Email auf
flinkirtem Grund. Letzterer Ausdruck ist so zu ver-
stehen, daß der metallische Untergrund für das Email
nicht glatt gelassen, sondern nut dem Gravirstichel ge-
mustert wird; dadurch entsteht ein Spiel von metallischen
Glanzlichtern, welches im Verein mit dem farbigen Ueber-
zug überaus reizvoll wirkt. Ich habe Arbeiten in
dieser Ausführung gesehen, bei denen die Bemusterung
des Emailgrundes in die Komposition mit einbezogen
war, d. h. mit den übrigen Linienzügen korrespondirte;
dabei wies das Email mehrere, weich in einander
zerfließende Töne auf — die Wirkung des Ganzen
war entzückend. — Bezüglich der verwendeten Steine
fällt die entschiedene Bevorzugung farbenschöner
Halbedelsteine ans, wie besonders des Mpal, der
geradezu zum gegenwärtigen Modestein geworden ist.
Man geht wohl nicht fehl, wenn man diese Tendenz
mit der farbenfreudigen Strömung der modernen
Kunst überhaupt in Zusammenhang bringt. Zu
wünschen wäre noch, daß der Steinschliff sich mit
der Zeit künstlerischen Anforderungen etwas zugäng-
licher zeigen möchte. Daß jeder Stein so geschliffen
wird, daß er seine höchstmögliche Wirkung entfaltet,
ist in der Ordnung und selbstverständlich; aber die
Einförmigkeit ist heutzutage doch schon so groß ge-
worden, daß alle Schmuckstücke mit vorwiegendem
Steinbesatz eine gewisse Familienähnlichkeit aufweisen,
weil fast alle Steine, auch die fazettirten, eine kreis-
runde Grundsigur zeigen. Das geht doch wohl zu
weit und eine Befreiung hiervon wäre ein wirklicher
künstlerischer Fortschritt.
Schmuck und Kostüm sind nicht von einander zu
trennen: eine Schmuckgeschichte müßte ein gutes Theil
Kostümgeschichte in den Kreis ihrer Betrachtung
ziehen und eine moderne Umgestaltung des Schmuckes
wird sich in engem Anschluß an unsere neueren
Kleidermoden vollziehen müssen. Und auch da zeigen
sich hoffnungsvolle Keime: eine Neigung zu groß-
zügiger Einfachheit ist in den Toilettenwandlungen
der letzten Zeit nicht zu verkennen, und Hand in
Hand damit beginnt eine wirksamere Anwendung von
Schmuck platzzugreifen. Sehr bezeichnend für diese
neuere Neigung ist das Aufkommen der sogenannten
Fächerkette, die, um den Hals und übev die Brust
bis zum Gürtel herabfallend, gern mit großen
Schiebern oder frei herabhängenden plaquetten oder
Anhängern verziert wird. Schon allein das Wieder-
aufkommen des Anhängers, dieses alten Prunkstückes
aus der schmuckhaften Renaissance, läßt uns hoffen,
daß dein künstlerischen Schmuck künftig auch bei uns
mehr Raum gegönnt werde. Und mehr Raun: muß