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Pfälzer Bote für Stadt und Land (26) — 1891

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Nr. 1 - Nr. 10 (1. Januar - 14. Januar)
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Kräftig)
reiſe. —

















Anzeige-Blatt für die Amtsbezirle Heidelderg,
Sadenburg, Weinheint, Schwegingen, Philippaburag,
Wiesloch, Bruchfal, Bretten, Nedargenänd, Mosbach,
Eberbach, Buchen, Walldürn, T.-Bijhofsh. Wertheim 2,


















auf falzer Boten für das 1. Quartal
1891 werden noch fortwährend bei ſämmtlichen Boft-
anſtalten, bei unſeren Trägerinnen, ſowie in unſerer
Erpedition Heidelberg, Zwingerſtraße 7 entgegen-
genommen.

8








In der „alten Raketenkiſte“ in Friedtichsruh.
wie ſich Fürſt Bismar d jüngſt ſelbſt nannte, praſ-
ſelt es augenblicklich wieder recht munter. - Ob Fürſt
Bismarck ſich um die Jahreswende auch an das kaiſ.
Schreiben vom Neujahrstage 1890 erinnert haben
mag, welches hervorzuſuchen Eugen Nichter pietätlos
genug war, und ob daher die Mißſtimmung rühren
mag? Seine Einmiſchung in den Streit um Ddie
Landgemeinde Ordnung und in die Verhandlungen
mit Vefterreich, hatte einen ſo verdächtigen Anſtrich,
daß man ihm von den verſchiedenſten Seiten vorwarf,
er ſchüre zum Conflikt, um im Trüben zu fiſchen.
Das konnte er nicht wohl auf ſich ſitzen laſſen, und
ſo erklären denn die „Hamb. Nachrichten“, er habe
nie den Gedanken gehabt, mit Sr. Ma jeſtät
den Kaiſer wieder in amtliche Beziehung-
en zu treten.“ Das klingt gerade, als ſei nicht
Fürſt Bismarck vom Kaiſer entlaſſen worden, ſondern
als habe er den Kaiſer in Ungnade entlaſſen.

Wenn er uun aber nicht Verwirrung anrichten
und in höchſter Noth als Retter auftreten will, was
will er denn? Er kann ſagen: guten Rath ertheilen
aus Interefje für das Wohl des Landes. Wenn die-
ſer „gute Math“ nır nicht in ſo Mißtrauen erregen-
der Geſtalt aufträte. Von allem, was er der Regier-
ung anempfiehlt, hat er, ſo lange er am Ruder war,
ſtets das Gegentheil gethan und verfochten. Daß er
inzwiſchen zu der Ueberzeugung von der Verkehrtheit
ſeines früheren Thuns gekommen ſei, hat er bisher
nirgends angedeutet. Wie kann er da verlangen, daß
man ſeinen Worten glaube, die mit ſeinen Thaten in
ſo ſcharfem Widerſpruche ſtehen? Er hat aber auch
das Vorgehen der Regierung direkt in gehäſſiger
Weiſe verdaͤchtigt. Warum redet er von einem „Tri-
but“ an Oeſterreich, während noch die Verhandlungen
ſchweben, und nur Uebelwollen ſolche Bezeichnungen
gebrauchen kann? Iſt es ihm um die Aufrechterhalt-
ung der beſtehenden Wirthſchaftspolitik zu thun, ſo
nehmen wir es ihm nicht übel, daß er dafür eintritt,

2

Vortheil auf ſeine wirthſchafts politiſchen Anſchauung-
en nicht ohne Einfluß iſt. Er hat dann aber nicht
das Recht, mit unehrlichen Waffen zu kämpfen, zu
hetzen und zu verdächtigen


reverra zu Unrecht in den Mund gelegt wird und
man fälſchlich damit zuſammenhängende Pläne ver-
muthe, ſo bleibt uns nur die Annahme übrig! daß
ſeine früheren Offiziöſen ihn verdorben haben und er
in langjährigem Umgang mit ihnen deren ſchlechte
Sitten angenommen hat. Aus den - fenfationelliten
offziöſen Auslaſſungen fonnte früher oft kein Menſch
klug werden; erſt lange nachher, wenn ſich die Staub?
wolke geſenkt hatte, ſah man, was geſchehen war,
oder was gemeint geweſen. In ſeinen Kämpfen mit
den Parteien und den Nachbarregierungen hatte Fürſt
Bismarck ſich allmälig in eine Rabulifterei und Ver-
drehungskunſt hineingelebt — als Muſter kann die
Auslegung des Niederlaſſungsvertrages mit der Schweiz
gelten — die kaum noch ſeine ſchniegſamſten Anhän-
ger als „groß“ bewundern konnten. Jetzt iſt es mit
dieſer Bewunderung überhaupt vorbei: die Künſte
machen jetzt einen widerwärtigen Eindruck, und weuͤn
der ehemalige Reichskanzler Gehör finden und ein
Ziel erreichen will, ſo muß er ſich ſchon bequemen,
die alten „diplomatiſchen! Nebenwege zu verlaſſen,
offen den geraden Weg zu gehen und ründ heraus zu
ſagen, was er will. Das Feſthalten an den alten
Mittelchen hebt ihn nicht in der Achtung der Mitwelt.

Seine journaliſtiſche und diplomatiſche Vergangen-
Heit verhindert auch, daß man die Begründung ſeines
Mangels an Neigung, in den Staatoͤdienſt zurückzu-
treten als beweiskräftig gelten läßt Wenn er wieder
aus Ruder fommen wolle ſagt er, würde er waͤhr-
ſcheinlich den üblichen Weg gehen und ſich vor Allem
den leiten den Perſonen freundlichnäherenz
für einen ſo gewiegten Diplomaten, wie er, würde
das ein ziemlich ſicherer Weg. Ein „ſo gewiegten
Diplomaten, wie er“, wird im Gegentheil dieſen Weg
ganz und gar nicht wählen, weil er nur zu gut weiß,
daß er auf ihm nie zum Ziele gelangt. Nur als
Retter in der Noth könnte er wiederkommen und
deßhalb muß die Noth erſt da ſein.

Er fragt, welche Gründe man habe, die Neigung
zur Rückkehr bei ihm vorauszuſetzen. Mag auch das
le roi me reverra erfunden ſein, ſo iſt e& doch gut
erfunden Sein ganzes Auftreten von ſeinem wüthen-
den Toben in den erſten Tagen nach ſeiner Entlaſſ-
ung bis zu den zornigen d hämiſchen Ergüſſen





und
gegenüber fremdländiſchen und deutſchen Interviewern







ſowie ſeinen ſchürenden Artikeln

dem Hamburger Leibblatt iſt nichts als eine Kette von
Selbſtzeugniſſen dafür, daß er ſich zu Unrecht ent«
laſſen waͤhnt und ſich in den Verluft der Allmacht
noch immer nicht finden kann. Daß mit diefer Miß-
ſtimmung der Wunſch nach Rückkehr in das verlorene
Faradies verbunden iſt, iſt doch ganz natürlich Auch
die wiederholte Klage über Mangel an Thatigkeit
der Bergleich mit der alten Raketenkiſte ı. a. fprechen
für das Vorhandenſein des abgeleugueten Wunſches
Der unruhige Eiuſiedler in Friedrichsruh gibt un-
zweideutig belannt, daß er recht fleißig „interviewt“
M Der Wink wird gewiß nicht uın
beachtet bleiben. Man fanır in feinem Intereffe, und
in dieſem allein denn Wirkung erzielen feine „Stäns
fereien“ doch längſt nicht mehr, Ddem Lande kanı es
alſo gleichgiltig ſein, was er thun will — nır wünz
ſchen, daß er ſich bei einem ſolchen Interview offen
und ehrlich über ſeine Abſichten ausſpreche Andern-
falls muß er ſich die Annahme gefallen laffen, daß
ſein Verzicht auf Wiedergelaͤngung an’3 Ruder nur
ausgeſprochen wird, weil die Trauben noch fauer find.

Deutſches Reich

Berlin 6. Jan Der „Reichsanzeiger? be-
zeichnet als vornehmlichſte Aufgahen des Ausſchuffes
für die Reform des höheren Unterrichtsweſens: Grunda
züge für die Lehrpläne feſtzuſtellen, die Rang= und
Eehaltsverhältniſſe der Lehrer zu regeln und Vorz
ſchläge wegen des Berechtigungsweſens für den ein-
jährig freiwilligen Militärdienſt zu machen — Naͤch
einex Mittheilung des Auswärtigen Amts iſt die Re!
vublik der Vereinigten Staaten von Braſilien von Sr.
Majeſtät dem Kaiſer anerkannt worden. — Die Frei-



finnige Zeitung hält ihre Mittheilung, daß Fuͤrſt
Bismarck die Aeußerung „le roi me reverra“ gethan

hat, volljtändig aufrecht. Sie ſchreibt: Dieſe Nenßer-
ung fiel an der Frühſtückstafel im Palais Radziwil
am 21, Närz in Gegenwart mehrerer Perſonen die
ſich beeilten, dieſelbe ſtadtbekannt zu machen Im
Falle eines Strafprozeſſes würde es nicht ſchwierig
jein, durch eidliche Lernehmung dieſer Perſonen die
Wahrheit dieſer Aeußerung feſtzuſtellen.

* Danzig, 5° Jan. Rath Prälat
(1881 bis 1887 Reichstagsmitglied)

mittag geſtorben.
Ausland.
* Mom. Die Verwaltung der apoſtoliſchen Pa-
läſte veröffentlicht folgende hoͤchwichtige Neuordnung

Landmeſſer
iſt heute Vor-

















Ein adeliger Zproß.

Nobelle von Autonie Haupt.

25 Gaͤchd verb.)

Raſch trat er zu ibr und fuhr fort: „Und nun noch
SCirs! E3 muß voll ſtändig Har werden zwiſchen uns, Liane!
30 babe zwaͤr kein Recht zu dex Frage,” ſagte er ſtockend
„aber ich bitte Sie dringend, mir dennoch aufrichtig und
wahr zu antworten. — Hat Herr Doktor Ebrhardt die
KRofe, welche er am Abend im Knopfloch trug, nicht von
Shuen zum Geſchenk erhalten? Und war dies nicht die
ſelbe Roͤſe, die ich am Nachmittag Ihnen verehrt und
deren gierde ich ſäter verseblich an Shnen juchte?“

Etine jähe @luth übergok Lianen’s Geſicht. „Wie
fonnten Sie ſo Etwas von mir denken? erwiderte ſie.
„Die Rofe, die Ehrhardt trug, hatte Ternau ihmz in einer !
AUnwandlung auter Laune, lachend angeſteckt. Meine Roſe
aber — Ihr Geſcherk — wenn ich es denn durchaus jagen !
muß,“” fluͤſterte ſie mit neuem Erröthen, „war mir zu wertb-
voll, al3 daß ich ſie dem Staub und der Hitze des Tanz-
lokales Hätte ausſetzen wollen; ich verwahrte fie an einem
ſicheren Plätzchen um ſie unverſehrt mit nach Hauſe zu
bringen.”

Während Liane in reizender Verwirrung dies Geſtänd-
niß machte, leuchtete ein ganzer Himmel voll Glück aus
Ydalbert’3 Auge auf ſie nieder. —

— Er nahm ihre beiden Hände in die feinen, und mit
einem Blick welcher in-die Tiefe ihrer Seele drana, fraate
er leije: „SIft das Alles auch wirklich -wahr, Fräulein

— 22 . ;
* — zu antworten, nickte ſie nur ſtill und glücklich
a — da —

Mit mächtigen, ungeftümen Säßen flog der große Neu-
fundländer Chrhardt’3 hHerein und auf Adaͤlbert zu, um
ign mit täppijden FIreudenbezeugungen zu iüberhäufen.
Unmittelbar hinter ihm erſchien auch ſein Herr, der lachend
rief: „Bini, Nero. wer wird jo tölpelhaft und ungeſchickt
jeine Liebtoſungen aubringen! Ich bitte die Herrſchaften
taufendmal um Entjchuldigung !” . ;

Den Beiden war es al8 ob ſie aus einem herrlichen



beſeligenden Traum zu der rauhen, kalten Wirklichkeit er-




legenheit gar nicht.

Auch der Alterthumsforſcher ſei draußen im Garten,
plauderte er unbefangen; er fei nicht zu bewegen geweſen
mit ihm in die Laube einzudringen. „Ich waͤſchẽ meine
Hände in Unſchuld, habe er in ſeiner ängſtlichen Weile
geſagt: wenn Sie unangemeldet irgendiwo eintreten wollen,
o thun Sie es auf Ihre eigene Gefahr hin“

„Und nun,” fügte Ehrhardt vergnügt bei, bin ich ſehr
froh! daß ich es gewant Habe. Den Zweck meines Nom-
mens kennen Sie ja, liebes Fräulein, und ich darf Sie
ge_'ßtt — ſogleich um eine Audienz unter vier Augen

itten?“

Nein nein, nicht jetzt, nicht hier!” rief Liane faſt
ähgitlich. Als aber Ehrhardt erſtaunt und erſchreckt einen
Schritt zurücktrat, ſagte ſie lächelnd: „Später, ſpäter will
ich Ihnen die Unterredung gewähren.!

Noch immer ſchüchtern kam nun auch Habeſch herbei-
der ungleich herzlicher begrüßt wurde als ſein voreiliger
Freund Daxauf ging man zuſammen in’sHaus, — Bald
1ud Liane die inzwijchen ibre Faſſung wiedererlangt, den
Doktor Ehrhardt ein, mit ihr zurück in den Garten zu
gehen, während Adalbert und der Profeſſor ſich zu dem
alten Herrn in’3 Zimmer ſetzten

Kapitel.

Die Dämmerung hatte bereits ihre grauen Fittiche
über das Thal gefenkt, al die Wohnſtube des Landhauſes
noch immer den kleinen Kreis unſerer Freunde traulich ver-
einte. Wenn man die gemüthlich beiſammen ſitzende Ge-
ſellſchaft einer genaueren Beobachtung würdiate foͤ gewahrte
man bald, daß die Unterhaltung allein von Doktor Ehr-
hardt, dem alten Herrn und Frau Leffenich aepflegt wurde.
Liane faß ſtill in ſich gefehrt und hob den Blick nicht von
ihrer Arbeit. Haheſch Hatte zwar die ganze Zeit über Be-
ſtrebunsen gemacht, ſich an dem Geſpräche zu betheiligen ;
jeßt aber, al3 Ehrbardt von ihrem gemeinfamen Beſuch in
X. erzählte, da lehnte er wie tief erſchoyft zurück: nur ein
wehmüthiges Lacheln umfpielte feine Lippen, als Max die
Zuvorkommenheit des Landrathes und die Liebeswürdig-
feit von Fräulein Laura nicht genug zu rühmen wußte.





Adalbert hingegen gab ſich nicht einmal den Anſchein
al3 vb_eı zuhöre Bleich und düſter ftarrie er vor fich‘
hin. Seit zwei Stunden Hatte das Leben keinen Reiz mehr
für ihn; — vom höchſten ſonnenbeglänzten Gipfel des
S®lüdsS war er in wenig Augenblicken in den tiefften, fin-
itern_Abgrund des Schmerzes geſchleudert worden.

; Das Mädchen, welchesS er liebte mit der ganzen Gluth
jeiner Seele, biejes Madchen, das ſich den UAnfchein, ge:
geben, ihn wiederzulieben, das noch vor Kurzem {o innig
und lieb zu ihm gefprochen, hatte gleich darauf, ohne Bes
denfent, _ einem andern Manne das Sawort gegeben zum
Bündnig für’s Leben! — Das mußte er doch glauben, al8
Mor nach einer Halbitündigen, geheimen Unterredung mit
Liane reudeſtrahlend in’8s Zimmer trat und gelegentlich
ihm zuflüſterte: „Du kannſt mir gratuliren! Mein- Vers
lobuns iſt zwar noch nicht Öffentlich, doch dies ECreigniß
wird nicht mehr lange auf ſich warten laͤſfen.

Sab e8 eine balbweas vernüftige andere Ausleguna
für dieje Worte ? Nein, nein, taufendmal nein! Das un:
ſchuldsvolle, kebliche Geſchöpf war eine gefaljüchtige, herz-
loſe Kokette, die ihn getäufcht, die mit ſeinen heiliaſten Ge.
fühlen gefpielt. Doch was berechtigte ihn zu diefem hatten
Urtheil ? Warum durfte ſie nicht auch herzlich und lieb
zu ihm ſprechen wie ſie es ja zu allen Menſchen ihat,
warum nicht ganz beonders zuihm dem beleidigien Freunde
im Momente der Ausſöhnung? Er er allein war der
Thor, der in einer Sitelfeit ihre trauten innigen Worte
für mehr als Freundſchaſt gehakten, Freundfehaft! — er
lächte bitter; Jollte er R au noch damit begnügen ? —
Ein heißer, wilder Schmerz wühlte in ſeinem Innern
Liane war ihm auf immer unmiederbringlich verloren
Mehr und mehr verwirrten ſich jeine Gedanken, eines nur
fam idm dumpf zum Bewußtfein: Fort! fort von hier !”

Mit einent Frampfhaften Lacheln wandte er fich eife
an den Profeffor : Wollen Sie morgen mit mir abreifen ?“
Erſchreckt blickte dieſer in ſeine verſtörten Züge.

Fortſetzung folgt)

































































































 
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