Universitätsbibliothek HeidelbergUniversitätsbibliothek Heidelberg
Metadaten

Pfälzer Bote für Stadt und Land (26) — 1891

DOI Kapitel:
Nr. 11 - Nr. 20 (15. Januar - 25. Januar)
DOI Seite / Zitierlink: 
https://doi.org/10.11588/diglit.44149#0073

DWork-Logo
Überblick
loading ...
Faksimile
0.5
1 cm
facsimile
Vollansicht
OCR-Volltext
en ı
Spie-
e.
chlaf-
ingen
lank
Ma-
ecken
ſſins

{ für
C'
ſten

ohn-
fas

und
ber-
om-
lche

rru-

und

s

D D





Erfheint taglech wit Augnahme der Somuz und Veiertage,

Samjiags muit Unterhaltungsbeilage, Preis vierleljährlich

M, 1.20 ohue Zrägerlohn u voſtaufſchlag. Beftelungen

bei den Poſtaͤnſtalten u. bei der Erpebition Zwingerfiraße 7.
2—

für Stadt




Anzeige-Blatt für die Amtsbezirle Heidelberg,
LadenbuLg, Weinheim, Schwetzingen Philippsburg,
Wiestoch, Bruchfal, Bretten, Nedargemünd, Mosbadh,
Eberbach Buchen, Walldürn, T.-Biſchofsh. Wertheim 2C.









| Berautwortlicher Redakteur:
| Yulin3 Yeder in Heidelberg.



| Drue, Berlag u Expedition von Gebr, guutt
in Heidelberg, Zwingerſtraße 7.

26. Jadrg.










2

Beſtellunge

„Vfälzer Boten?“ für




auf den Monate

ommen.



gegengen







* Jer Q}I}uüfl)unhcl.

Der geſtern an dieſer Stelle erwähnte Bericht des
hier beſtehenden „Comites zur Beſeitigung der durch
den Hauſirhandel hervorgerufenen Mißſtände und
Schäden“ . an die Handelskammer für deu Kreis
Heidelberg nebſt der Stadt Eberbach, lautet wie folgt:

Verehrliche Handelskammer! Wir neh-
men Veranlaſſung über den uns mit verehrl. Schrei-
ben Nr. 953 vom 6. d. M überſendeten Erlaß Gr.
Miniſteriums des Innern Nr. 26083 vom 16. Nov.
d. J. wie folgt zu berichten:

Die Schädigungen des ſog. ſeßhaften Handels-
gewerbes durch den Gewerbebetrieb im Umherziehen
nehmen geradezu einen beängſtigenden Umfang an.
Von allen Seiten laufen bei uns täglich die bitterſten
Klagen ſeitens der Kaufleute in den einzelnen Orten
ein, daß der Abſatz bei ihnen mehr und mehr beein-
trächtigt werde, daß die Hauſirer alle und jede Art
von Waaren in den Häuſern abſetzen, zum Kaufe er-
muͤntern auch da, wo kein Bedarf vorhanden iſt,
Kaufluſt erwecken, den Baarbeſtand der Leute für
ihre Waaren vorweg in Empfang nehmen und immer
geringere Qualitäten der Waoren in Curs bringen.

In vielen Artikeln, beſonders in Garnen und
Beſatzartikeln, brächten dieſelben jede Art Eintheilun-
gen geringeren Gewichts und auf Täuſchung des kauf-
enden Publikums berechnete Aufmachungen und Eti-
kettenaufſchriften in Umlauf und verkauflen auf dieſe
Weiſe dem Anſcheine nach billiger, bei genauer Unter-
ſuchung der Quantität und Qualität der Waaren in
Wirklichkeit aber zu höheren Preiſen, als dies bei dem
Lager haltenden Kaufniann an Ort und Stelle durch-
ſchuittlich der Fall ſei.

Der im Ort anſäſſige Kaufmann muß dieſem
Gewerbe gegenüber in allen Artikeln großes Lager
halten und Auswahl bieten; er muß indeſſen zuſehen,
wie der Bedarf durch die ambulanten Händler gedeckt
und ihm abgewendet wird; er fühlt —dies iſt auf


dem Lande die allgemeine Klage —, daß ſeine ſtän-
digen Kunden faſt durchgehends bei ihm auf Eredit
kaufen und bemerkt im Allgemeinen, daß es ihm
ſchlechthin mehr und mehr unmöglich wird, Waaren
beſſerer Qualität auf Lager zu nehmen. Er muß, um
Preis halten zu können, auch geringere, auf den
Schein berechnete Waaren anlegen und es ergibt ſich
hierdurch naturgemäß für die geſammte deutſche In-
duſtrie auf ziemlich allen Produktionsgebieten die be-
klagenswerthe Nothwendigkeit, immer geringere Qua-
litäten für das Lager und den Geſammtbedarf anzu-
fertigen.

Die ſonſtigen Nachtheile und Gefahren für die
allgemeine Moͤral, welche durch den Beſuch der Hau-
ſirer beſonders in alleinſtehenden, entlegen Hofraithen
entſtehen, ſollen hier nur angedeutet werden

Zum Belege führen wir übrigens ein Ereigniß
aus den letzten Tagen aus der Stadt Köln an.
(Ausſchnitt der „Kölner Volkszeitung“ Nr. 339, II.
Blatt vom 10. Dez. 1890):

Gefährlicher Hauſirer. Vor einigen Tagen
erſchien Abends kurz nach 6 Uhr in der Wohnung
eines an der Albertusſtraße wohnenden Beamten ein
Hauſirer und ſagte der anweſenden Frau, ihr Mann
habe ihm eine Korallenkette abgekauft, ſie ſolle ihm
2 Mk geben, den Reſt zahle ihr Mann ſelbſt. Die
Frau verweigerte die Zahlung mit dem Bemerken,
daß, wenn ihr Mann eine Kette kaufe, er dieſelbe
auch bezahle. Darauf verſuchte der Hauſirer, an der
Die Frau verſetzte
dem Menſchen einen Fußtritt und floh in die neben-
anliegende Küche. Derſelbe eilte darauf die Treppe
hinab auf die Straße, wo er bald verſchwand! Der
betr Hauſirer iſt von großer Geſtalt, trug Schnurr-
und Backenbart mit ausraſirtem Kinn, haͤtte blaſſes,
abgelebtes Geſicht und war bekleidet mit dunkelm
Ueberzieher und ſchwarzem Filzhut.

Seit Jahren bringt der anſäſſige Handelsſtand
ſeine Klagen auf dieſem Gebiete zur Kenntniß der
betreffenden Intereſſen⸗Vertretungen.

Verehrlicher Handelskammer haben wir ſeiner Zeit
einige Exemplare der von un& sub 20. April 1887
im ſpeziellen Auftrage der näher bezeichneten 806
Handelsfirmen der ſechs badiſchen Reichstagswahlkreiſe
Heidelberg, Mannheim Mosbach, Karlsruhe, Baden
und Offenburg bei Hohem Reichstage eingereichten
Petition übergeben.

In derſelben ſind die Schädigungen,
Hauſirhandel bereitet, eingehend dargelegt,

welche der
ſo daß

wir darauf verzichten können, dieſelben zu wieder-
holen.

Wegen Schluß der Seſſion kam dieſe Petition
nicht mehr zur geſchäftlichen Behandlung.

Das unterzeichnete Komitee erachtete es deshalb
für ſeine Pflicht, in der Seſſion 1888/89 ſeine Bitte
bei Hohem Reichstage zu wiederholen.

Der beifolgende Sechste Bericht der Commiſſion
für die Petitionen“ Nr. 122, welche die Klagen über
Hauſirhandel, Wanderlager, Abzahlungsgeſchäfte 2C.
in Behandlung nahm und die Pelitionen zu erledigen
ſuchte, erweiſt, daß weitere Kreiſe von Intereſſenten
bei Hohem Reichstage in dieſer Hinſicht wegen Abhilfe
vorſtellig wurden.

Es lagen vor:

1. 31 Petitionen von Handwerker-Innungen und
Vereinen.

Dieſe verlangen ſämmtlich: Es möge durch Be-
ſchluß eines Hohen Reichstages der Hauſirhandel
gänzlich verboten werden.

2. Die von uns Namens von 806 Handelsfirmen
eingereichte Petition.

3. Eine Vetition des Centralvorſtandes der kauf-
nänniſchen Verbände und Vereine Deutſchlands zu
Leipzig, als Wiederholung einer in der Legislatur-
periode 1887 eingereichten Petition von ca. 20,000
Unterſchriften von Kaufleuten 2C.

4, Eine Petition des Vorſtandes des Centralver-
bandes der deutſchen Uhrmacher in Berlin.

5. Eine Petition des Vereins zur Wahrung ges
werblicher Intereſſen für Aachen und Burtſcheid.

6. Eine Petition der Handelskammer zu Osnabrück
und noch eine Anzahl ähnlicher Petitionen einzelner
Gewerbetreibender.

Sämmtliche erſtrebten ein allgemeines oder theil-
weiſes Verbot des Hauſirhandels.

Aus dem Berichte d. d. 14 März 1890, welchen
wir in Orginal beilegen, iſt zu erjehen, daß nach
eingehenden Verhandlungen die Commiſſion zu dem
Beſchluſſe gelangte, und zwar mit 13 gegen 8 Stim-
men: „die Petitionen betreffs Abſchaffung des Hauſir-
handels dem Herrn Reichskanzler zur Erwäguͤng zu
überweiſen.“

Vegen vorzeitigen Schluſſes der Seſſion gelangte
die Petition im Plenum des Reichstages nicht mehr
zur Berathung.

Aus dem Berichte geht indeſſen hervor, daß die
ablehnenden 8 Stimmen wohl von den betreffenden
Commiſſionsmitgliedern aus dem Norden des deütſchen
Reiches abgegeben wurden, wo die allgemeinen Ver











— — — — — — — —
Ein Vorſchlag zur geſiedlung der deutſchen
Kolonien
1) von O. Kalt-Reuleauz,



Nachbr. verb)

Es iſt eine eigenthümliche Erſcheinung daß in einem
Punkte die Anſichten der deutſchen Kolpnial Schwärmer
und--Gegner übereinftimmen, und zwar in demieniaen, dab
die vom deutſchen Reiche neuerwordenen überſeeiſchen Be-
Äßungen für eine Maſſeneinwanderung für landwirthſchaft-
che Niederlaffungen, ſich nicht eignen. Liest man die
VBerichte bervorraaender Reiender, pie Graf Joachim
Biul, Zöllner, Foͤrfter Brix u. a.m, D pflichten dieſe den
in kolbnialfeindlichen Blaͤttern veröffentlichien Gutachten
bei, e& konnten die deutſchen Schubgebiete nur durch große
Plantagengeſellſchaften und vermittelſt des Tauſchhandels
auSgebeutef merden. Meiner Anſicht nach, beruht dieſe
Anſchauung auf der Thatjace, datz die meiſten Herren,
welche unſere Kolonien bereiften, Theile derfelben, oder
auch vielleicht das Geſammtaebiet nur durchſtreiften unDd
ihre Meinungen natürlich nur auf die beſtehenden Ver-
hältniſſe fußen Erſtere würden ſie vielleicht ändern, wenn
ſie läͤngexe Beit in Tropengegenden zugebracht und ſelbſt
erlebt hätten, welchem gewaitigen Umſchwung ein Khma
im Laufe der Colonijation, dex fortſchreitenden Urbar-
machung des Landes und der Flußzregulierungen unter-
liegt. S3 bedarf hierzu auch keines bedeutenden Zeit-
raumes ſondern 8— 12 Jahre genügen in vielen Fällen.

Anfang bis etwa Mitte der fiebenziger Zahte war
der nördlicdhere Theil der auſtraliſchen Kolonie Queens-
JYanb, die Küften|tridhe um KRodhampton, Townsville,
Codtowr, jowie die bekannten Lardlrecken läugs den Ziuß-
ufern des Maday u. a,, noch viel verrufener, al3 Heute
der deutjde Theil von Neu-Ouinea, und der Sterblich-
feitZprozentfaß um das dreifache Höher, als in den letzteren.

ie Heerdenbefiger der Kolonien VBictoria, Neu-Süd-Wales
und Süb-Aufiralien oder Neu Seeland die ihre Söhne
nit Rinder, Schafen und Pferde nach Qugensland hinaus-
Jandfen, um neue Weidegründe aufzufinden und den
Grundftein zu jenen ungeheuern Viehtriften zu legen, von









denen manche heute ſo groß iſt, wie Bayern, Württem-
berg und Baden zuſammien, ſahen in den ſeltenſten Fällen
ihce Kinder heimkehren oder nur mit durch Fieber gänz-
lich zerrütteter Geſundheit Allein angloſächſiſche! zielbe-
wußte Ausdauer fiegte. Heute lebt men in Towneville
ebeunfo gefund, wie in Sydnehy oder Melbourne und der in
auſtraͤliichen Städten o verheerend Haufende Typhus tritt
dort nur ſelten auf. Was Hat nun das Wunder bewirkt?
Nichts anderes, wie die Säuberung der nicht felſigen oder
ſandigen Küſten und der Flußläufe von den Fieher aus-
hauchenden Nangropegebüſchen In unkultivirten, tropiſchen
Ländern, wo die Ufer und Küſten von zahlloſen Waſſer-
läufen durchfurcht werden, welche aus dem gebirgigen
Innern in tauſend Armen und Aermchen der See zu-
ſtrömen rankt dort ein undurchdringbares Pflanzendickicht,
deſſen Hauptbeſtand die Mangrovebäume bilden, an denen
hoch über dem Erdboden emporragenden Wurzeln ſich
Thier⸗ und Pflanzenleichen ſtauen und für Naͤcht- und
Ebbezeit 10bdib.ingende Miasmen ausathmen.

In Algerien, bei Blidah, hat die Ausrottung dieſes
Jiebetheerdes und die Verwandlung der verpeſteten
Moraſigründe in die uns jetzt entgegenlaͤchenden berrlichen
Gefilde, drei Generationen Schwelzer das Leben gekoſtet
In Queensland hat dieſelbe Arbeit verhHältnigmäßig wenig
Menſchenopfer geforderi, allein man maß hinzufügen, daß
aͤuch die eine Hälfte der dazu verwendeten Arbeitaträfte
eingeführte Südjeeinfulaner waren. Zedoch ſind an
manchen Stellen nur Europäer thätig gewejen; . an einem
Orte, an dem berüchtiaten Parkinſon Fluſſe, hat x B- ein
Pommer ſeine ganze 640 Aeres umfaſſende Farm. ſelbſt
abgeholzt und. Drainiert, und waͤhrend dieſer Zeit feine
Frau und 6 Kinder in einer Rndenhülte auf einer Meinen
Lichtung untergebracht Kein Famikienmitalied erlitt einen
Sıeberanfall, aber ein Knabe Marb infolge eines Schlangen-
biffe8: Der Bommer rühmte ſtets als das von ihm gegen
Fieber erprobte Mittel 85%0 Rumſchnaps, Dden er von der
denachbarten Zuͤckerfahrik hezog und — wie Fama jagt —
unbverfälicht genoß. In Queensland wählte man zur
Räumung die kühle Jahreszeit, hieb mit Beil und Axt
Bäume, Geſträucher und die dieſelben durchrankenden








bei Unbruc der heißen Jahreszeit das verdörrte Geltrüpp
und Gräſer in Brand, ſo daß mit Ausnahme der Baum-
ſtümpfe der Grund gereinigt. war. Der Boden wuͤrde
dann ſofort, ſo gut als thunlich, gepflügt und befäet. Erſt
nach mehreten Zahren wenn die Wurzeln faͤft gänzlih
verfault waren. ſchritt man zur Entfernung der Baum
Hümpfe. Dieſe für europäiſche Verhältniſſe etas obers
flächliche und primitive Rodungsmethode entſprach voll-
kommen den Zwecken und würde ſich auch für die deutſchen
Kolonien empfeblen, denn ſie iſt nicht zeitraubend, er-
fordert wenige Arbeitskräfte jäubert den Boden vor dem
Unterwuchſe und entſpricht daher ihrem Zwede, Auf
moraſtigem Boden laſſen ſich Abzugs Kanäle und Gräben
ohne weſentliche Schädiaung der menſchlichen Geſundheii
während den ZageSitunden herxichten, und zudem fteht dazu
in den deutſchen Beſibunaen eingeborenes WrbeitSmaterial
— in_Oft- und Weſtafrila die Neger, in Neu-@Ouinea und
den Südſee Inſeln die Rapuas und Kanakas, weiche fich
3, Brels Plantagznarheiter auf Neu Srtand fehr gerne
verdingen — zur VBerfügung, was in Auſtralien nicht, der
Fall war. Dort mußte die Urbarmachung durch Euro:
päer bewerkſtelliat werden, infofern man nicht auf die ein-
aeführten Kanakas zurücgreifen konnie Die Sinführung
von Kanakas, d. 9. Südfee-FInfulaner, wurde naͤmlich von
der Kolontalregierung nur ausnahmsweiſe den Biantagen»
beſitzern zum Betriebe der Zuderrohrpflanzungen geftattet,
da man von der Annahme ausging, daß zwiſchen den oft
zehn Fuß hohen Reihen Zuderrohr, welches jeden Luftzug
ausſchloß, die Hitze für Europäer zu drückend ſei. Die
Plantagenbeſitzer leifteten. dieſem Glauben Vorſchub, da
ſie die Kanatas filr den Monatslohn eines Curopäerg
für den Zeitraum von drei Jühren gewannen, fie in


HZwei Drittel der Südfee-Iniulaner erlag der ungewohnten
YUrbeit, der veränderten Lebensweiſe ünd dem Ylkohols
genuſfe.

Fortſetzung folgt.)


 
Annotationen