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Pfälzer Bote für Stadt und Land (26) — 1891

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Nr. 111 - Nr. 120 (20. Mai - 31. Mai)
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https://doi.org/10.11588/diglit.44149#0469

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ze,
zupfecſrchen

Papler,



Holn
olierett 2

nicht
* nebet?

, 2000










Breis vierteljährlich

lag ell


Berantwortliher nedaltenr:
Iulins Jeder in Heidelberg.




1
- Ög den

——

— — — —
Beſtellungen

den älzer Boten“ für den Monat Juni

* — be fämmtlichen Poſtanſtalten. bei

Unfjeren Frägerinnen, ſowie in unſerer Erpedition
berg, Bwingerſtraße 7 entgegenzenommen.
Berlag des „Pfälzer Bote.“

— — — ———

BeR- In der Reiſeſaiſon machen wir auf-
Werffam, * Ausflügen, Reijen, Beſuch von Cur-
Orten, Badern, voteis und Gaſthäuſern ſtets chriſt-
liche Brätter zu derlangen. Es iſt dies ein Koften-
Iofe8, aber wirfjames Förderungsmittel für die kath.













i jinglle Gncotlicn des Baylies

wird, ſo weil wir ſehen, bis jetzt erſt von zwei nicht-
atholijden Mättern eingehender beſyrochen: der

Trankfurter Zeitung und der Voſſiſchen Zeitung
Das erftgenannte Blatt ſagt in ſeinem Artitel.
die Encyklica ſei nach Form und Dispofition eine
Teßr geſchickt gemachte Kundgebung des Oberhauptes
der Katholijchen Kirche, in welcher der Standpunkt
des OHriftlich-fozialen Katholizismu® mit diplomatiſcher
Eßigung und Gewandtheit vertreten wird.“ Die
tg. hebt, wie e& auch von der katholiſchen


Onders., hHervor, welcher den ſozialen Beruf des
Staates behandelt. Damit ſtelle fih der vapſtliche
Stuhl zum erften Mal grundfäglidh und programmat-
HO auf die Seite der Staat8-Intervention
in fozial-politijdhen Dingen. „Diefje prine
üpielle Stellungnahme Ddes Dber%aupteß der kathol-
iſchen Kirche dürfte“, ſagt das demokratiſche Organ,
„Wenn fie audy die Fraͤge nach den Grenzen der
Staatzhülfe noͤch offen läßt, immerhin fir die kathol.

rteien verſchiedener Länder, 3. B. für dieienigen
Lankreichs und Belgiens von klaͤrendem Einfluß ſein.
Man weiß, mwie fcharf fich namentlich, im katholſſchen
Belgien noch die vom Unternehmerthum beeinflußte
Manchejterei und eine neuere, mehr zur Soʒial⸗Ge-
Tebgebung Hinneigende Richtung gegenüberftehen. Es
{ noch in friſcher Erinnerung, wie heftig dieſe Gegen-
Täße innerhalb der katholiſchen Partei auf den jüngften
Hriftlich-jozialen Congreffen zu Lüttich und Antwerpen
aufeinanderplaßten. Bei diejem Zwieſpalt iſt bekanntz

Im Kampf unt's Daſein.
Erzühlung. nach Hesba Streiton von H. v. NMemagen.
Gachbruck verboten)

Wir kommen ſchon⸗ Mutter,“ vief ſie ihr entaegen;
„8 { aber nicht David, ’3 in nur der Roger. Ich brine
Uhn mit. Laß’ ihn ein Bischen zu uns ins Himmer zur

$chaft. Komm’, Roger, und erzähl der Mutter waß
— R grämt f da, Davibs wegen. Du bringft e auf’s
Geipräch über den Bfarrgarten und was dir jonft einfält,
von ihrer eriten Dienftjtelle, dann banat ſie nicht ſo um




_ Die zwei Rinder . (hlihen {till an der verfchloffenen
Thür det von Rogers Bater3 bewohnten Borderzimmers
vorüber in den dunklen Küchenraum von EI2heth’3 Mutter,
— „8 ijt nur der arme Roger,“ jagte EISbeth Teije beim
Eintzitt.. „David:ift nod nicht geklommen, und Roger
fürdtet fih vor feinem Bater, bis diejer ganz voll iſt und
einfläft. Laß’ ihn ein wenig bier bleiben.“

CGinen allzır vertrauten Umgang ihrer Kinder mit Ro-
eer Blacelt . hatte Frau Fel nie vern geſeben; Rogers
älvei‘ ältere‘ Yrüder frieben das Diebsgewerbe ziemlidh un“
ut und waren. dDeßhalbzeitweilig auf längere Dauer

Dom Haufe abwejenb, das hHeißt, fie jJaBen inı Gefänaniß.
bren Rindern. den WVerkehr mit dem IJungen de Bladett
Gänzlich zu verbieten, wagte fie jedoch nicht aus Furcht
vor dem Ulten. . Roger zählte ‚jeßt ettwa vierzehn Jahre;
e& für {eine Berfon * auch noͤch Nichts,mit den Herren
bom Gericht. zu {haffen“ gehabt und Frau dell wolte ihn
ſicher niht um der {Olimmern Brüder wilen leiden afjen.
Er ift mir Lieb und angenehm, fo lange er fich ehrbar


„Das wirdnicht, lange mehr. vorhalten, „ das Chrbar
fein,” fnurrte der aufrichtige, Roger, . „Der ⏑ immer
äb e mir
au Nichis mehr zu efjen. Bon was ſoll ich Etwas heim-
5“‚“‘0;“‚ wenn ixs nicht ſteßle? Er wird erboſter gegen

Tag. ;
er * Bater iſt erboft, wel Dr niht fiehlft,

als Ber Kebe Wott: Hrer









lich auch die belgiſche Arbeiterſchutzgeſetzgebung, eben
ſo wie diejenige einiger anderer romaniſcher Lander.
noch fehr unentwickelt geblieben. Wenn in den Reihen
der Katholiken wirklich der viel gerühmte Gehorſam
gegen daͤs unfehlbare Oberhaupt herrſcht, ſo muß zeßt
don jenen Parteien in Folge der neueſten Encyklila
ein volliger Frontwechſel voͤrgenommen werden Ab-
geſehen von der unverſtändlichen und unverſtändigen
Hinweiſung auf die päpftliche Unfehlbarkeit
ift gegen dieſe Auslaſſung nichts zu ſagen. Wir
ſind aͤuch der Anſicht, daß die Enchklica klärenden
Einfluß auf die ſozial⸗politiſchen Anſchauungen in
den kaiholiſchen Kreiſen Frankreichs und Velgiens
üben wird, aber mit der ſehramtlichen Jufallibilität
des Papſtes hat das nichts ju ſchaffen Durch dieſe
wuͤrden die franzöſiſchen und die belgiſchen Katholiken
nicht behindert, an ihren verkehrten, ſchlechthin ſtagts-
ſcheuen Auffaſſungen feſtzuhalten: aber die große Au-
torifät des Papſtes, auch da, wo er nicht ex eathedra
ſpricht, muß naturgemaͤß ſich geltend machen.

Im Verlauf ihrer Eroͤrtekung gelangt die Frkf.
Ztg. zu der unumſtoßlichen Gewißheit, daß der
fatholijhen Kirche nach wie vor die Sozial⸗Politik
nicht Selbſtzweck, ſondern nur Mittel zum Zweck, zur
Staͤrkung ihrer kirchlichen Macht und des paͤpſtlichen
Eiufluſſes ſein ſoll.“ Sehr ſtößt ſich das Blatt an
der Sielle! ohne Zuhulfenaͤhme von Religion und
Kirche ſei tein Ausgang aus dem Wirrfale zu
finden Laſſe man die Kirche nicht zur Geltung
kommen, ſo würden alle menſchlichen Bemühungen
vergeblich ſein. Für die Frkf Ztg. iſt das „der
alte Gemeinplaß, daß die ſoziale Frage ‚vor allem
auch ein ſittliches Problem ſei, in s Kaͤtholiſche über-


Verwirrung unſexer geſellſchaftlichen Uebergangzzeit
wieder das alleinige Arcanum*) gegen alle Nebel ſein.
Hier wie in dem Verſuch der Encoyklica, die ſozial-
iſtiſche Weltanſchauung mit metaphyſiſchen?) Lehrſatzen
zu wiederlegen, tritt die Achillesferſe des Katholicis-
mus zu Tahe, die freilich nicht ihm allein eigen iſt:
die voͤllige Abgewandtheit von der realen Erkenntniß,
die kraſſe Blindheit gegen die letzten Urſachen der
ſozialen Kriſis, welche in erſter Linie techniſche und
wirthſchaftliche ſind, nicht moraliſche und religiöfe.“
Es wäre vecgeblich, mit einem auf durchaus makerial-
iſtiſchem und realiſtiſchem Boden ſtehenden Blatte
hierüber ſich auseinanderzuſetzen Wir bemerken ledig ·
lich daß der Papſt Religion und Kirche nicht als

*) Geheimmittel.

**) übernatürliche.



nicdht Deinen Bater, wenn er Schlimmes von Dir verlanat.

„Wo iſt denn Gott? fraate Roger.

„gm Himmel, wohig die _ guten Menjdhen _ fommen,
wenn-fie {terben,“. war Frau Fell3 Befjdeid. „VBon dert
fieht. er Ulle8 und lenkt Wles, vie eS ihm gefällt. Er
fönnte, wenn er wollte, unz Alle im Handumdrehen reich
machen, und gefund und glüclih; will ex nun aber, daß
wirarm find und trant und elend, ſo ift’3 gewiß o am
beiten. für ung,. das-müfen wir glauben. Aber was i
Dir ſagen wollte: — Diebe wil Gott nicht haben im
Himmel. Zür dieſe hat er irgendwo einen großen Abarund
der don Feuer und Schw efel ift; da Lommen alle ‘böfen
Leute hinein. und du aucdh, wenn Du ſtiehlſt Ih , weiß
nicht genau, mo diefer Aboͤrund ift, oder wie er iit, aber
da3 ftehe AlNes in der Schrift gefhrieben, jagen fie, und
e8 {Glimmer ijt; als das alerfHlimmite Gefängniß.“

Die leife, ſchwache bebende Stimme, mit welger die
krante Zrau dies in dem dunkeln Zimmer vorbrachte, er-
jüllte Roger mit einem wahrbaften Grauen; er würde ſich
wenn nicht die Elsbeth dicht neben ihm
auert und das Alles auch ruhig angehört hätte.

„Ja, ich ſehe, ſagte er zitternd, Gott iſt böier als
der Vater. f ) E
„Das iſt er nicht,” wehrte Frau Fell.. Gott iſt die

iebẽ.

„Alfo liebt Gott alle Menſchen?“ fragte Roger in
etwas kritiſchem Tone.

DZaun Liebt er ja auch meizen Vater?

Wird wohl fein,” verſetzte Frau Fell.

Dann algybe ich das Alles nicht Wer, „wwvie der
Vater in den Schwefelbrunnen, gehört, weil er ftiehlt und
jeine Kinder zum Stehlen und Betteln zwingt, den kann
Sott nicht lKieben. — Die' Leute fagen 2 auch Davy ſei
jeßt auf dem Vettel? Daß Goit die Keicben Leute liebt.
das ‚ Jäßt. fih {hon annehmen, denn das fieht man; aber
um ‚die:Armen Ffümmert er fich nicht mehr/ als um einen
Strohhalm.” —

— S anns Dir nicht deutlicher erklären, Roger‘; aber
mir gibt’ 8 immer Troft, daran zu alauben. Und mein

ge









Anuzeige=-Blatt für die Amtsbezirke Heidelber,

Labenburg, Weinheim, Schwetzingen —
Wiesloch Bruchfal, Bretten, Nedargemünd, M Y
Tberbach, Buchen/ Walldärn, TBiſchoſgh Werthenn 2C.

26. Jahte,

— — r





Drua/ Verlagu Expedition von Gebr. Huber
in Peidelberg, Zwingerſtraße 7.





„das alleinige Areanum“ gegen alle Uebel bezeichnet.
Der Einfeitigkeit, welche die Frkf. Ztg. die re-
ligiöſen und kirchlichen Erwägungen ausſcheiden läßt,
macht der Papſt nicht in umgekehrter Richtung ſich
ſchuldig, indem er die ſoziale Kriſis nur unter dem
religiös⸗kirchlichen Geſichtspunkte behandelt. Er faßt
die ſoziale Frage als religiöſe und wirthſchaftliche
auf, und das iſt ſie ohne allen Zweifel.

Weit abfaͤlliger, aber auch oberflächlicher urtheilt
über die Eneykliea die Voſſ. Ztg. Sie ſucht in ihrer
Zergliederung des päpſtlichen Aktenſtückes / vergeblich
nach Auſſchluß darüber, an welche /Grundſätze! der
urſprünglichen chriſtlichen Lehre der Papſt ſeine ſo-
zialen Forderungen knipft und mit welchen Lehren
der Kirche“ er die Behauptung begründet, daß die
Kirche das erſte und vornehmſte Element für die Löſung
der ſozialen Frage ſei, daß nur ſie das „Heheimniß
des himmliſchen Schwunges! dazu beſitze daß
mithin der Stagt ſeinen Plagz in der ſozialen Thätig-
keit hinter der Kirche einzunehmen hHabe.“ Wir haben
in der Eneylliea nirgends geleſen, daß der Papſt
eine ſolche Platzanweiſung vorgenammen hat. Außer-
dem iſt an der betreffenden Stelle der Eneyklika
weder von einem „Geheimniß des himmliſchen Schwun-

es“ noch von der Löſung der ſozialen Frage die

Rede; erſtere verdankt ſeine Exiſtenz dem etwas
frei verfahrenden Ueberſetzer, letztere der Voſſ. Zig.
Thatſächlich ſpricht die Stelle von dem Verhäliniß
der kirchlichen und der öffentlichen Wohlthätig-
feit. Der Verfaſſer des Artikels der Voſſ. Btg.,.
iſt augenſcheinlich Iſraelit Er wirft die Frage auf,
„wo denn die grundſätzliche und wirkſame foziale
Thätigkeit im Weſen des Chriſtenthums und im
Weſen der römiſchen Kirche begründet liegt Das
Ju denthum trug noch einen unverkennharen ſozial-
politiſchen Zug an fih, der in den zahlreichen gefund-
heitlichen und wirthſchaftlichen Geboten des Penta-
keuch ) zum Ausdrucke lam; das Chriſtenthum aber hat
ſich in ſcharfen Gegenſatz zu allem geſtellt, was man
heute als Weſen der Sozlalpolitik betrachtet. Ihm
iſt nicht nur eine Hauptſache, ſondern das allein Er-
ſtrebenswerthe das Jenſeins; das Diesſeits mit
ſeinen Beſtrebungen und Sorgen, Freuden und
Leiden iſt ihm vergänglich und nichtig.“

Daß dem Katholizismus das Jenſeits das al lein
Erſtrebenswerthe“ fet, iſt wieder eine Ueber-
treibung, die aber der Voſſ Ztg in ihren Kram
paßt. Am Schluſſe hat das Blatt den eigenthümlichen

)Die Bücher Moſes.

)avy wird niemal& ein Dieb werden, Roger, niemal8 !
Wenn die Leute au davon reden, er habe ſich nun auch
auf’3 Betteln verlegt. Schlimmeres werden fie nie von
8 * ſagen haben Aber wenn er doch nur wieder hier





Bis lange nach Mitternacht blieben Elsbeth und ihre
Mutter harrend figend. - Sämmfliche EBewof)‘nerb des *
reich beyoͤlterten MiethHShaujes hatten ihre Schlupfwinkel
aufgeſacht und ſich niedergeſtreckt, ſo daß kein Geraͤuſch
uehr laut wuxde, von welchem das Echo eines nahenden
Schrittes auf der Straße hätfe verfHlungen werden koͤnnen
—' von Daͤvid noch immer nicht daͤs leiſeſte Zeichen

Und nun verging Tag um Tag in ſteigender A
und machjendem Weh. Die leiblichen Peinen der Krank-
heit fühlte die-arme- Mutter kaum mehr unter der Sorge-


gen ſchleppte ſie ſich hoffend gegen die Hoffnung, in den
benachbarten Straßen unber Zeden um — bittend,
von dem fie wußte, daß er David gefannt bate Wenn
dann die Füße fie nicht mehr weitex tragen wohten nand
fie noch itundenlang wider die Straßenedergelehnt und
ließ das forſchende Auge übex die ewig: wechſelnde Menge
der Voxihergehenden jchweifen . ANeS umfjonft! Sndlich
aber erfhöpfte fich fo aber auch der lette Reft ihrer Kräfte.
Es war ihr nicht mehr länger möglidh, den Armenpfleger
zu hintexgehen und als „völlig Arbeitsunfähige“ unterftüßt,
doch noch einige Ertraaroſchen am Waichtron zu verdienen
Sie lietz die müden, Arme jinken.. Was ihr an Hausrath
noch geblieben war und noch irgend einen kleinen Werth
auch für Andere haben konnte das gina jeßt DdenäwWeg
zum Bfandleiher, Stüg um Stuck An eines hatte ſi
nicht gerührt, um es als Nothpfennig zu verwerthen, aug
in den bedürftigſten Tagen ihrec langen flßittmen{üaft:
an ihren Zrauring aus maſſipem Holde, den Stolz ihres
wi ſchonte und ihn mur
dann anleate wann fie ſich Feierabend gönnte.

Gortſetzung folgt)


 
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