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Pfälzer Bote für Stadt und Land (26) — 1891

DOI Kapitel:
Nr. 281 - Nr. 290 (10. Dezember - 20. Dezember)
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für Stadt




Ünzeige-Blatı ür die Anusbezirte Hewelderg.
Sadenburg, Weinheint, Schwetzingen Pbhilıppsburg,
#iesloch, Bruchſal, Gretten, Nedargenmuiünd, MoSdacH
Lberhach/ Buchen/ Walldiın, T.-Bifchof8h. Wertheint 2c















WLn u Äer MeCDaLLENT ;
in4 Woder m Heidelberg.

&. 200









Bıu®, Gerlag ı. Expedition von Gebr. Huber
in Heidelberg, Zwiugerſtraße 7,



26. Jadıe.






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Beſtellungen

f den „Bfälzer Boten für die Mongte
Januar, Februar, März werden jetzt ſchon bei

ſammtlichen oſt mſtalten, bei unſeren Trägerinnen.
jowie in anſerer Expedition Heidelberg, Zwinger-
fraße entgegen jenommen.

Verlag des „BPfälzer Bote.“

-m- Das Verhältniß der öffentlichen
Arwienpflege zur Yrivatarmen:
pflege.

Der grundlegende Vortrag des Herrn Landes-
rath Brandts auf der Generalverſammlung des Ver-
bandes „Arbeiterwohl“ über die chriſtliche Charitas
und die hieran ſich anſchließende Diskuſſion hat in
Bezug auf die Armenpflege manche neue Geſichts-
punkte geboten, die einer eingehenderen Erörterung
bedürfen. Dazu gehört mit in erſter Linie das
Verhältniß der öffentlichen Armenpflege zur Privat-
armenpflege und zwar verſtehen wir hier unter öffent-
licher Armenpflege diejenige, die von dem Staate,
der Provinz oder der Gemeinde verübt wird. War
in den erſten chriftlichen Jahrhunderten neben der
Privat⸗Wohlthätigkeit in engerm Sinne die katholiſche
Kirche die Hauptträgerin der Armenpflege, ein Ver-
hältniß, welches ebenſo dem Weſen der Kirche wie
dem Weſen der Armuth entſpricht und wie wir es
jetzt noch in Frankreich finden, ſo hat doch die ge-
ſchichtliche Entwickelung der Armenpflege in Deutſchland
im Laufe der Zeit dieſe Aufgabe an erſter Stelle
dem Staate reſß der Kommune zugewieſen. Nachdem
durch die Freizügigkeit und die Verſchiedenheit der
Konfeſſionen der Begriff der alten kirchlichen Ge-
meinde, man darf wohl ſagen, aufgehoben war und
beſonders in größeren Gemeinden bei dem ſtändigen
Wachſen und Fluktuiren der Bevölkerung die Be-
ziehungen, welche die nothwendigen Beweggründe
zur Unterſtützung und die nothiwendige genauere
Kenntniß der Lage des einzelnen Armen bieten, all-
mählig verloren gingen, andererſeits aber auch vei
dem Schwinden des chriſtlichen Geiſtes die Armen-
unterſtützungen nicht mehr ſo zahlreich floſſen, daß
die Armuth in dem Maße gelindert werden konnte,
wie es nothwendig war, ſah ſich der Staat gezwungen,
die Armenpflege immer mehr und mehr lauf ſeine



Schultern zu nehmen und jetzt hat man ſich in
Deutſchland ſchon ganz daraͤn gewöhnt, den Staat
reſp. die Gemeinde als den in erſter Linie verpflichte-
ten Hauptträger der Armenpflege zu betrachten Wenn
auch dieſe Geſtaltung der Verhaͤltniſſe mit ihrem
ſtaatsſozialiſtiſchen und kommuniſtiſchen Anſtrich,
gewiß nicht unſere Billigung finden kann, ſo iſt es
doch einmal eine vollendete Thatſache, an der nichts
zu ändern iſt, und mit der man ſich um ſo eher aus-
zuſöhnen vermag, als eine Pflicht der Armenfürſorge
bis zu einer gewiſſen Grenze für den Staat reſp. die
Gemeinde beſteht, — „wenn ſich eine Familie in


daß ſie ſich in keiner Weiſe helfen kann, ſo iſt es
der Ordnung entſprechend, daß ſtaatliche Hilfeleiſtung
eintrete; die Familien ſind eben Theile des Staates.“
44 Leo XIII. in ſeiner Encyklika über die Arbeiter-
rage.,/

Es geht aber ein Zug durch unſere Zeit, der das
Almoſengeben und die Armenpflege ganz auf die
Schultern der Gemeinde, der Provinz oder des
Staates abwälzen möchte, ein unchriſtlicher Zug,
dem wir uns darum mit aller Kraft entgegenſtellen u. dem-
gegenüber wir immer und immer wieder beſonders unter
den jetzigen Zeitverhältniſſen die Pflicht und die Noth-
wendigkeit und die daraus ſich ergebende Berechtigung
der Exiſtenz der Privatarmenpflege neben der öffentlichen
Armenpflege betonen müſſen In ſeinem Buche: „Bei-
träge zur Geſchichte und Reform der Armenpflege“
ſagt Ehrle S. J.: „Dieſes göttliche Gebot der Näch-
ſteuliebe iſt das älteſte Armengeſetz und durch das-
ſelbe iſt vor jeglicher öffentlicher Thätigkeit die Pri-
vatarmenpflege ins Leben gerufen.“ Es begründet
aber dieſes Gebot der Nächſtenliebe, was man nur zu
häufig zu vergeſſen ſcheint, für
ſchon im Naturrechte geuügend klar enthaltene Pflicht,
für das geiſtige und leibliche Wohl des Nächſten zu
ſorgen, d. h. die Privatarmenpflege auszuüben, mag
man es nun in einem organiſirten Verbande thun
oder nicht. Es hält ſchwer, beſonders bei den jetzt
herrſchenden hohen Armenſteuern, in Betreff der leib-
lichen Bedürfniſſe des Nächſten genau die Grenzen
der ſtrengen Pflicht zu beſtimmen; wir möchten aber
auch in der Jetztzeit nicht ſo ſehr die ſtrenge Pflicht
betonen als darauf hinweiſen, daß mehr wie zu jeder
andern Zeit die jetzigen Zeitverhältniſſe der Privat-
armenpflege eine Hauptrolle zuweiſen und die Be-
ſitzenden zu einer ausgedehnteren und intenſiveren
Ausübung derſelben mahnen. Es ſind beſonders die
ſittlichen Momente, die der Privatarmenpflege allein


eigenthümlich, ſie als unbedingt nothwendig neben der
Staatsarmenpflege fordern. Die nächſte und hoch-
wichtige Aufgabe der Privatarmenpflege iſt e& und
wird es immer bleiben, den verſchämten Hau 3:
armen zu helfen und ſie vor der öffentlichen
Armenunterſtützung zu bew ahren. Es iiſt ſchwer,
das harte Brod“ der bffentlichen Armenverwaltung
eſſen und das Ehrgefühl treibt den verſchämten Armen
immer wieder au, durch eruſte und ehrliche Arbeit ſich
ſelbſt eine Lebensſtellung und ſeinen Lebensunterhalt
zu verſchaffen, während dieſes treibende Moment
immer mehr und mehr bei dem zuͤrücktritt, der das
„harte Brod“ ſchon gekoſtet und vertragen gelernt hat.

Wir haben bis jetzt faſt nur von der Armuth au
zeitlichen Gütern geſprochen. Arm ſind aber auch
ſolche, die an geiſtigen und ſittlichen Gütern Mangel
leiden, alſo alle Gedrückten, Unzufriedenen, Traurigen,
Schuldbeladenen. Hier liegt die tiefſte Noth, welche
auch viel zeitliches Elend verurſacht und nur durch
liebevolle perſonliche Pflege geheilt werden kann. Es
ſind dazu Millionen von Helfern erforderlich u. das
iſt die ſchönſte und wichtigſte Aufgabe der Privat-
armenpflege, an der ſich Jeder betheiligen kann und
muß : die Bethätigung der chri ſt lichen Liebe, welche
ſorgt, daß der Arme wieder geſunde an Leib und
Seele. Wenn das cchriſtliche Gebot der Nächſtenliebe
nach dieſer Seite hin zwiſchen Reich und Arm, zwiſchen
Arbeitgeber und Arbeitnehmer, zwiſchen Herr und
Diener wieder ſeine volle Geltung erlangt, dann iſt
ein gut Theil der ſozialen Frage gelöſt, mehr als wenn
man jedem Arbeiter zu Haufe eine Fabrik auf dem
Zimmer einrichten und jedem armen Schlucker eine
ordentliche Lebensrente aus der Staatskaſſe ausve-
zahlen läßt.

Die eigentliche Muter und Förderin der Ptivat-
armenpflege iſt aber die Kirche und die Religion der
innerſte Nerv derſelben. Bloße Gefühlsſympathie oder
vage Philantropie kann auf die Bauer nicht den
Opfergeiſt einhauchen, den die Privatarmenpflege
fordert. Die Kirche läßt durch ihre Diener in Wort
und Beiſpiel das göttliche Armengeſetz, das Gebot der
Nächſtenliebe predigen, gerade die von der Kirche ge-
weckte und geleitete Mildthätigkeit ſchafft der Armen-
pflege beſonders in den dem Dienſte der Armen und
Kranken ſich weihenden klöſterlichen Genoſſenſchaften
ihre tüchtigſten, ja in mancher Beziehung geradezu
unenthehrlichen Organe. Aber trotz dieſes maßgeben-
den Einfluſſes und hervorragenden Antheiles hean-
ſprucht die Kirche weder für ſich das Monopol des
charitativen Wirkens, noch für ihre Vertreter die



Schtechter — —

Criminal⸗ Novelle von Carl Ed. Klopfer.

Sie verſchränkte die Arme vor der Bruſt und wandte
ſich halb ſeitwärts, als waͤre ſie willens, zu gehen und
warte nur, vb er noch etwas vorzuhringen haͤbe

„Wie dem auch ſei Herr Hiigel, Sie ſehen wohl
ein, wir können nicht mit einander xechten. Hegen Sie
mit Grund die Ueberzeugung, die Welt habe Fhnen zu
viel.gethan, ſo müſſen Sie ihre Bertheidigung jan geeig-
neterem Orte anbringen. Wird wirklich das einft gegen
Sie geſprochene Urtheil widerrufen, dann — widerrufe ich
auch das meinige, das ja, wie ich Ihnen wiederhole, nur
von jenem andern abhängt.“ . r

„Dh, über die Welt und die berühmte Gerechtigkeit,“
lachte er erbittert auf. Haben Sie denn noch niẽ ver-
nommen, daß auch die weiſeſten Richter ſchon geirrt haben?
Iſt es noch nie daaeweſen, daß man Unſchuldige auf’3 Schaffot.
gebracht hat?“

Sie zuckte die Achfeln, Wohl wahr! Aber ſolche Aus-
nahmen berechtigen doch keineswegs zur Berallgemeinerung,
die ja dann für — Manche ein ſehr willkommenener Schlupf-
winkel wäre.”

Und doch trifft den Einzelnen ein ſolcher ausnahmz-
veiſer Rechtzirrthum ebenjo ſchwer, als ob überhaupt für
Niemanden Gerechtigkeit zu finden wäre. Mir wurde man
nicht gerecht, und um ſo bitterer für mich, wenn unſere
Rechtoͤpflege ſonſt eine ſo ausgezeichnete iſt, daß man dies-
mal eine Ausnahme glauben will Können Sie ſich in
meine Lage verſetzen? — Wiſſen Sie, wie mir iſt? Wie
einem Stummen, er in einen finſteren Abgrund ge-
itärzt ilt, .an deffen Wand er die Menſchen vorüberwandeln
ſieht. e von Gerechtigkeit und Mildherzigkeit ſprechen
hHört, während Keiner ahnt, daß in ſeiner Nähe ein Un-

lücliher bei lebendigem Leibe begraben Liegt. AUch —
gätten mir die fürchterlichen Zahre meines Gefängnißlebenz
im Koyf und Herzen nicht Ales ausgebraunf, was da die
lauge Zeit her an milden Erregungen auffcbäumte — ich
glaube, es käme noch ſo weit, daß ich in meiner Ver-
zweiflung zum — Mordſtahl griffe, um mir durch daſſelbe

19)




brechex gemacht hat, ein Ende zu bereiten — und ſollte
es ſelbſt ein Ende unterm Henkerbeil fein 1“

Sie wandte das SGeficht,ab, um ihre Miene zu ver-
bergen. Es koſtete ſie einige Mühe, den einmal für nöthig
gefundenen Ton beizubehalten.

aſſen Sie uns davon abprechen Leopold ſagte ſie
nach einer Weile, „wir wollen diefe Seene beenden, die ja
für uns Beide genug der Prin hat. Es iſt Alies aus
zwijdhen un — e$ muß Alles au8s ſein, aus nehr Gründen,
als ich Ihnen jeßt ſagen kann! Gehen Sie — Sie nehmen
wenn Sie das herubigen kann, wenigſtens meine Verzeih-
ung mit ſich! Ich will verſuchen. Ihnen nicht mehr zu
grollen — aber laſſen Sie uns ein Ende machen !“

„ „Marie !“
Hände aus Er wolte noch etwas fagen, aber ſeine
Bewegung erſtickte ihm jedes Wort in jeiner Kehle.

Bedenken Sie, wenn man un8 beiſammen fähe!
Sie werden doch nicht wollen, daß man mit Fingern auf
mich deutet, daß man — auch mich in ienes Verhängniß
mit einhezieht, daß Sie ſchon ſo ſchwer betroffen hat ?
Gehen Sie — im beſchwore Sie! — und ſchweigen Sie
gegen Jedermann von der Seene, die ſich jetzt zwiſchen un
abgefpielt hat!“

Er legte hetheuexnd die Hand auf die Bruſt „Nein
nein, Sie follen nichts zu fürchten haben, man foll mich
eher in Stücke hauen, als mich dazu zu bewegen, Sie nur
mit einem Hauch zu compromittiren. Wenn Sie mich
ſchon für den Dich halten, als den man mich verurtheilt
hat — ſo ſollen Sie mir doch as einem Menſchen ver-
trauen dürfen, der den letzten Reſt ſeines erbärmlichen
Lebens opfern würde, um Ihnen das geringſte Leid zu
erſpaxen! Marie, ich — idh habe vernommen, daß Sie —
datz Sie im Begriffe ſtehen, in den Eheſtand zu treten —
Gott iſt wein Zeuge, wie innig, wie ſehnſüchtig ich wün-
ſche, daß Sie darin das reinſte vollkommenſte Glück finden
möchten, eine Entſchädigung für den böſen Kummer,
den ich Ihnen freilich ohne mein Berſchulden — bereiten
2* 8 Werden Sie glücklich, werden — Sie — glüd-




Er hielt die Hand .an die Augen, als ob er ihr da-
durch die heißen Zähren hätte verbergen fönnen, die ihm
unaufhaltjam über die blaſſen Wangen ‚riefelten.

Sie preßte die Lipyen aufeinander und blickte zu
Boden. da Ihrecte ſie plößlich jäh eixor im : fernen
Buſchwerk raſſeſten die Blätter, „ein fNüchtiger Schritt
huſchte für eine Seeunde über den weichen Moosboden,
als entierne ſich da drüben — ein Laufcher.

Himmel! Was war das? Wir wurden beobachtet ?“
rief ſie, am ganzen Korper bebend, und fah angfterfült in
den finfteren Waldweg hinein.

Leopold hatte nichts vernommen. Er ſah ſich lang-
ſam um und horchte; — überall das lautlofeſte Schwei-

n
Es ift nichts, ſgate er dann, erleichtert aufathmend,
„Sie bahen ſich getäuſcht. Oder es war vielleicht ein
Bogel, oder ein Haſe, den wir aufgeſcheucht haben !”
Nein, nein, ih — habe es deutlich gehört. O mein
Sott, wenn man uns belauſcht Hätte?! Unglücjeliger,
was habe ich Ihnen gethan, daß Sie mich in Ihr grauen-
haftes Geſchick mit verſtricken? Haben Sie mir noch nicht
genug des Leidens zugefügt?!“
— Ruf. Iag fo etivas Slehendes, f
In dieſen ſeinen Ruf Iag ſo etwas Flehendes, ſo tief
Schmerzliches, daß fie fühlte, wie ungerechtfertigt fie ihm
wehgethan hHatte. Sie drückte ihr Taſchentuch vor’3 Ge-
;I\?t gnb wandte ſich raſch, um den Weg nach der Billa zurüc
gebhen. *
Marie., ſtammelte er leiſe, ſich ihr zaghaft nähernd,
„Marie — Ieben Sie wohl, wir jehen unS nie — malz
wieder! Bitte, bitte, laffen Sie midh zum Abichied die
Zpitze Ihres Fingers küfjen — gönnen Sie mir ein Wort-
%en‚fbie';lemfte Verſicherung, daß Sie mir — Ihr Mitleid
enken!“

Gortſetzung folat.)


 
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