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Pfälzer Bote für Stadt und Land (26) — 1891

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Nr. 151 - Nr. 160 (8. Juli - 18. Juli)
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https://doi.org/10.11588/diglit.44149#0617

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Yulins gecer in Heidelberg.




Beſtellungen

auf den „WPfälzer Boten“ fur die Monate


ſowie in unſerer Expedition Heidelberg, Zwinger-

ſtraße 7 entgegengenommen
Verlag des /Pfälzer Bote.“



* Der neue Programm-Entwurf der dentſchen
Soʒialdemolratie.

„Die Sozialdemokratie braucht keinen p.a pi er-
nen Papſt?, erklärte der Abg. Liebknecht auf dem


ie Reviſion des Parteiprogramms, und er begrün-
dete diefen Ausſpruch damit, daß überhaupt niemals
ein volllommenes und endgiltiges Programm geſchaf-
fen werden wune, weil die „ Wiffenjchaft“ ſtels vor-
auſchreite Nichtodeſtoweniger würde auf Liebknechts
Vorſchtag eine Refolution angenommen, durch welche
Der Parleivorſtand beauftragt wurde, dem nächften

arteitag einen Entwurf eines revidirten Parteipro-




vnate vor Zuſammentritt des nächſten Parteitages
zu veröffentlichen, damit die Partei hinreichend Zeit
Es wurde in der Reſolution zu-
gleich ausgefprochen, daß das von dem Verſbhnungs-
congreß zu Gotha 1875 beſchloſſene Parteiprogramm,
ſi als ein Comproiniß zwiſchen dem Pro-

Nationalen Arbeiter⸗Aſſociation ſtehenden,Eiſenacher',
und dem des nationalen Laſſalleſchen „Allgemeinen
deuiſchen Arbeitervereins“ darftellte, ſo trefflich es ſich
guch in den Kämpfen der letzien 15 Jahre, nament-
ich unter dem Sozialiſtengeſetz bewährt habe, den-


deit ſtehe, wie das ſchön von früheren Parteicon-
greſſen aͤusgeſprochen worden fei. Bemängelt wurde
beſonders daß 1) das Programm in einen allgemei-
Hen und einen beſonderen Theil zerfalle, 2) die Ziele
der Bartei nicht ſcharf genug formulirt feien, . die
Grunid· und Bodenfrage nicht ausdrücklich erwähnt
Werde, daß 4) von der „Zerbrechung des ehernen


Sejes gaͤr nicht eriſtire, 5) die veraͤltete Laſſalle'ſche



Irrr Kawpf unt's Daſein.
Erzählung nach Hesba Stretton von H. v. Remagen.
19 MNachdrnck verboten)

Der im Herzen fortalimmende Unmuth über ſchuld-
108 erlittene Schmacdh züngelte' mit einem Male wieder
empor, vertrochnete die Thränen und legte ihm das Wort
der Verzweiflung; auf die Sippen. . Dudley fühlte die wunde
@Vtelle Jelbit zu tief, als daß er Etwas darauf hätte er-

idexn fönnen. 7

Fur Eisbeth war es zum Heil, daß Herr Dudley
David’s Geheimnik bewahrte, und ihr von jeinem miß-
glüdten Verjuche,, den Bruder aus jeiner ſittlichen Ver-
Tumpfung herauszuziehen, Nicht3 mittheilte. Koger war
al3 IMatroje auf ein Kauffahrteijdhiff gegangen und madhte
Quf diejemn ferne Reijen, 10 daß er nur felten ‘ und auf
Turze Beit ſich in den Docks . zu London ‚ aufhielt. War

es aber der Fall, ſo hatte er ſein Heim im Hauſe der
Srau Linnet. Der alte Euklid _ war ganz {(tolz auf ihn,
$ einen,. den er durch jeine Vermittelung faſt vor dem
gewißen Untergang gereitet Hatte. 1
So jehr er ſich aber auf und über Roger's zeitweilige


gewiffen Angit „gemifjdht: Blacett koͤnne ſeines Sohnes
anlichtig werden und auf Ddefjen Spuren dann dahinter
Dmmen, wo er ſelber mit Viktoria und Elsbeth vor ſei-
nem Haffe und feiner Rache Zuflucht und Schutz gefun-
den habe.

Untex den Marktfrauen, mit denen Euklid verkehrte,
jowie unter feinen vertrauten alten Kunden wurde mandhes
Späßchen darüber gemacht, daß ihm wohl heimlich eine
atDße Erbſchaft zugefallen ſein müſſe — ſo ſehr war er
ein Anderer geworden. Er ging gar nicht mehr ſo gebückt
In den Schultern, jondern hielt den Koxf faſt ſtolz aufxecht.
der blaue leinene Gehrock den er bisher Jahr aus Jabr
ein al8 Neberrock zu tragen pflegte, war jeßt auf's Sau-
berfte geflidt und gewajden; überdies machte er ZUr
Winterzeit einem zwar ziemlich faden|heinigen, aber dach
mmer noc® anſtandigen waxinen Neberzieher Blas. In
ſeinen Einkäufen verfuhr Suklid zudem noch weit Fritijcher,











für Stadt

— —

Forderung der Produetivgenoſſenſchaften mit Staats-
kredit noch weiter geſchleppt werde und daß 6 der
Satz: Religion iſt Privatſache, nicht längſt geſtrichen
ſei. Ueber aͤlle dieſe Punkte iſt in der ſozialdemo-
kratiſchen Literatur und in ſozialdemokratiſchen Ver-
ſamailungen, beſonders auch auf dem Parteitag in
Halle ſchon verhandelt worden.

Im ſozialdemokratiſchen Centralorgans, Vorwärts
wird nun von dem ſozialdemokratiſchen Parteivorſtand
zunächſt der diesjährihe ſozialdemokratiſche Partei-
tag, einem Antrage der Erfurter/Genoſſen“ ent-
ſprechend, nach Erfurt ausgeſchrieben und als Er-
bffnungstag vorläufig der 10. Oktober feſtgeſetzt.
Gleichzeitig wird aber auch der Entwurf en e $
Programms der ſozialdemokratiſchen Partei
Deutſchlands veröffentlicht und der Discuſſion der
Parteigenoſſen unterbreitet, denn wie Liebknecht in

alle erklaͤrte, ſoll das Parteiprogramm ,die Collek-
tivarbeit ſämmtlicher Parteigenoſſen“ ſein. Wir wer-
den alſo vorausſichtlich demnächſt einer lebhaften
Parteiprogrammdebatte im ſozialdemokratiſchen Lager
entgegenſehen dürfen, an welcher ſich wahrſcheinlich
auch die Berliner Jungen lebhaft betheiligen wer-
den. Deshalb haben wir auch geſtern im Pfälzer
Boten den Wortlaut des Aufrufs und des Programms
abgedruckt! Unſere Leſer ſind dann bei den ſpätern
Debatten orientirt.

Was nun den neuen Parteiprogramm-Entwurf
ſelbſt betrifft, ſo zeichnet ſich derſelbe, wie eine Ber-
liner Centrumscorreſpondenz zutreffend ausführt, vom
dem alten Programm zunächſt durch ſchönere For-
mulirungen und durch Weglaſſung aller der oben er-
wähnten bemängelten Punkte aus Verſchwunden ſind
die Laſſalle'ſchen Produktipgenoſſenſchaften mit Staats-
credit, verſchwunden iſt das eherne olonomiſche Lohn-
geſetz!, von dem Liebknecht noch in Halle anerkannte,
daß der Ausdruck von Laſſalle „agitatorijch“ gebraucht
worden und daß er ſeinen Zweck auch herrlich erfüllt?
habe. Verſchwunden iſt auch der Sa : Erklaͤrung
der Religion zur Privatſache?, kurz die alte, Sturm-
fahne!, üm mit Liebknecht zu reden, iſt in den Koffer
gepackt worden und ſtatt deſſen zeigt ſich jetzt die
rothe Fahne der internationalen Sozialdemokratie
„rein und zweifelsohne“ Mit den alten Laſſalle'—
ſchen Reminiscenzen iſt gründlich aufgeräumt worden
und es wird nur noch der reine, unverfälſchte Marxis-
mus vertreten und Herr Engels in London, der Te-
ſtamentsvollſtrecker von Karl Marr, dürfte mit ſeinen
Schülern zufrieden ſein Wundern ſollte es uns
freilich nicht weun die „Jungen“ auch an dieſem

— s» “— ß — — — —
als ſynſt; kein Gedanten daß er mit Kreſſe vorlieb genom-
men hätte, deren Blätter gefleckt oder an den Ecken bereits
gelb geworden waren! Er konnte bezahlen, waz für die
bejte Sorte gefardert werden durfte! Er machte ſeine
Bündelchen jeßt dicker und durchaus kein ſaures Geſicht.
wie wohl früher in feiner Noth, wenn er gelegentlich auf
auf einen oder zwei Tage Credit geben mußte. Mit einem
Worte, das von der Armuth geknickt geweſene Rohr war
aufgerichtet und der alimmende Dochk wieder zu einem
leuchtenden Flämmchen geworden

Das wohlthuende Gefühl eines traulichen Heims wie
er es bei Frau Linnet gefunden, Wwar’s, wos, dies zu
Wege gebraͤcht hatte Das aufgeräumte Weſen dieſer Frau,
zujammen : mit dem freundſchaftlichen Jutereſſe, welcdhes
Zohn DudlehH an feinem und Viktoria’s Wohl und Wehe
bethätigte, ließ das Gefühl des Alleinſtehens im Kampfe
wie es früher uneingeftanden, ſo ſchwer auf ihm gelaſtet
hatte, nicht niehr in ihm aufkommen.

Wenn er jetzt auf dem Schlachtfelde fiel, ſo brauchte
er doch nicht mehr zu fürchten, daß Biltoria vom Schick-
ſal unter die Füße getreten werde Er hatte die gaͤnze
frühere Laſt auf ſeinen Schultern behalten. aber er trug
ſie jetzt leichtex; die früheren Wintermorgen an welchen
er hinaus mußte, waren noch gerade ſo kalt, wie ehedem.
aber in ihm ſelber war e& wärmer geworden, ſeitdem er
gute, hilfreiche Menſchen gefanden haͤtte und dem zu Folge
die Welt mit anderen freundlicheren Augen anſah.

Dem Matroſen Roger war es fowohl von Herrn
Dudley, wie von ſeinen Erziehern an Bord der „Kleopa-
tra“ ernuſtlich auf die Seele gebunden worden, daß er als
rechtſchaffener Mann, der er jetzt fet, dem dürſtigen Kreſſe-
Berkäufer das ihm geftohlene Geld zurückerſtatten müſſe,
und dieſe Mahnung hatte das freudigite Entgegenkommen
gefunden. Die Sache wurde zwiſchen Roger, Elzbeth und
Frau Linnet geheim gehalten, und die Letztere freute ſich
wie ein Kind auf die Neberrafhung Euklid’s.

Als bei Rogers Lückkunft von der zweiten großen
Reiſe die Sumnie voll zuſammen war, knüpften er und
Elsheth dasfelbe in ein altes Taſchentuch ganz Ähnlich
demijenigen, in welchem der geſtohiene Schatz verwahrt
















Kuzeige-Blatt für die Amtsbezirie Heidelberg,

Labenburg, Weinheim, Schwetztugen Phili
Wiesloch, Bruchfal, Breiten „,%?äaggmtfinb‚flnm‚ E
Werbad, Buchen. Walldärn, T.-Bifchofsh. Wertheint 2C.

2

Programm noch etwas auszuſetzen haͤtten

Freilich, wie der ſozialdemokratiſche Zukunftsſtaat
beſchaffen ſein ſoll, wird auch in dem neuen Programm-
nicht gejagt. In Diefer Beziehung Heißt es nur: Die
ſozialdemokratiſche Partei Deutſchlands er ſtrebt,
(mit‘ welchen Mitteln wird nicht geſagt, im Gothaer
Programm hieß es, „mit allen geſetzlichen Mit-
teln“, das Wort „gefeblidhen“ wuͤrde auf dem Wyde-
ner Congreß 1880 als Antwort auf das Socialiſten-
gefeß“ geſtrichen) die Umwandelung der Arbeitz-
Bergwerke,
Gruben, Maſchinen und Werkzeuge, Ver-
kehrs mittel — in Gemeineigenthum der Geſell-
ſchaft, und die Umwandelung der kapitaliſtiſchen Pro-
duktion in ſozialiſtiſche Produktion; eine Umwandel-
ung, für welche die kapitaliſtiſche Geſellſchaft ſelbſt die
maieriellen und geiſtigen Bedingungen geſchaffen hat
und weiter ſchafft und durch welche allein die Befrei-
ung aller Gefellſchaftsglieder verwirklicht wird.“

Im Gothaer Programm hieß es: „Die Befreiung
der Arbeit muß das Werk der Arbeiterklaſſe ſein, der
gegenüber alle anderen Klaſſen nur eine reaktionäre
Maſſe ſind.“ Die „reaktionäre Maſſe“ iſt geſtrichen;
aber die jetzige Formuluung geſtattet der Sozial-
demokratie nach wie vor, neben den ſozialdemokratiſchen
Forderungen auch für die Forderungen der bürger-
lichen Demokratie zu kämpfen und demgemäß bei
Wahlen unter Umſtaͤnden Demokraten und Freiſinnige
zu unterſtützen. Hier dürfte die Oppofition der
Zung en“ einſetzen.

Auffallend erſcheint es, daß in dem neuen Pro-
grammentwurf der Satz des Programms von 1875
fortgeblieben iſt, wonach/ das ge ſammte Arbeits-
produkt, bei allgemeiner Arbeitspflicht, nach glei-
chem Recht, jedem nach ſeinen vernunftgemäßen
Bedürfniſſen“, vertheilt werden ſoll. Die Schwierig-
keit einer ſolchen Vertheilung iſt offenbar von den
Urhebern der neuen Faſſung eingeſehen worden; aber
ſie haben nicht vermoͤcht, eine andere Vertheilungs-
Regel aufzuſtellen und deßhalb über dieſen, für die
Einrichtung des Zukunftsſtaates äußerſt wichtigen
Punkt einfach Schweigen beobachtet.

Unter den Forderungen, für welche die Partei
„gegenwärtig eintreten will, figurirt nun nach Be-
ſeitizung des Satzes „Erklärung der Religion zur
Pribatſaͤche unter Kr. 5 Folgendes: Abſchaffung
aller Aufwendungen aus öffentlichen Mitteln zu kirch
lichen und religioͤſen Zwecken. Die kirchlichen und
religiöſen Gemeinſchaften ſind als Pripatvexeini-
gungen zu betrachten. Weltlichkeit der Schule.“
gewefen mar,#“ix_fib_iegten e8 unter ; Victorias Kiffen, ar
die Stelle, wo dieſe jetzt das Büchelchen zu verwahren
pflegte aus welchem Jie ihre Moraenandacht verrichtete,
jobald ihr Vater mit Eisbeth ſich auf den Weg zum Markte
zu rüſten anſtugen

„Bater, Bater !“ rief Viktoria am andern Morgen
mit freudigem Schrecten,: als ihr das ſowobl in der Er-
innerung gebliebene Päckchen anſtatt des geſuchten Büchel-
chens in die Hand kam

Euklid erſchien in der Thür und ſah ſie änaſtlich
fragend an.

Das Geld für mein Begräbniß iſt wieder da!“ rief
ſie in Thränen ausbrechend.

„Nein, nein! rief Elsbeth dazwiſchen. Nicht für
DBegräbniß, für die Hochzeitsausſteuer Der Roger will
4 Febler wieder gut machen. Sag Duis ihnen jelber,

oger !”

Dieſex aber, der hinter Cuklid- gerade in der offenen
Thür erſchien, vermochte kein Wort hervorzubringen.

_ Koger fühlte ſich in diefem Augenblicke der Sühne
eines UnrechtS, das er alz Knabe begangen Hatte, noch
alücklicher, als an dem Feſttage der „Kleopatra“ bei der
Entgeaennahme der ihm zuerkannten Belohnungen Ange-
ſichts aller jeiner Kameraden. Das Geſicht des alten Cu-
klid. Anfangs voll Beunruhiaung und Berwirrung, nahm
nun einen freudigen und freundlichen Ausdruck an

Faſt vier Pfund Sterling!” jagte er, „Das haſt Du
brav gemacht, Roger. ‚ Aber Biktoria, was können wir
mit dem Gelde anfangen? Wozu es einſtmals beftimmt
war, dafür brauchen wir es nicht mehr.“

„Die Elsbeth hat’3 ja Ihon gejagt”, verſetzte Roger
„E3 iſt die Ausſteuer zur Heirath mit dem Kapitän Ub-
john.” Raser ladhte dazu aus vollem Halje, und ſo thaten,
jo gut 1ie’3 noch konnten, auch Euklid und Frau Linnet
Iikoria nahın die Sache ernſter auf; es war das erſte
Mal, daß eine ſie zunächſt angehende Angelegenheit, die
ſie fveilich in weiterer Ferne hatte kommen fehen, {o
offen und in ſo beftimmter. Weiſe zur Sprache gebracht
worden war.



8 Verlag n. Expedition von Gebr. flnhzr
; Ar Heidelberg, zZwingerſtraße 7.





Fortſetzung folgt.)


 
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