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Pfälzer Bote für Stadt und Land (26) — 1891

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Nr. 131 - Nr. 140 (13. Juni - 24. Juni)
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ITA
Heidelbei6 *

&f E
8














Vocun ta tich wir Autnohwe der Sonn⸗ und Feiertage
44 UnterHaltungsbeilage. Preis viertelioͤhrlich
1.20 . ohne Trugerlehn u. Boftanffchlag. Beſtellungen

den Boftanfalten u bet der Expevition Zwingerfiraße 7
Berantmortlidher Nedalteur:
gulius Yoder in Heidelberg.







* Am 1, Iuli
Cainnt ein neues Yuartal. Wir bitten alle un-

1 Sejer — insbejondere die Poftabonnenten —

für die Erneuerung des Abonnements be-
OTgr zu fein, damit in der Zuſtellung des Pfälzer
en feine Uuterbrechung eintrete.

Die Erneuerungswahlen zum b a d i ſchen Land-

* ſtehen vor der Thüre. Wir gehen alſo einer
)CWegten geit entgegen, in welcher es Pflicht eines

4 Centruma3mannes. ift, ſich über das was
57 poliliſchen Rechie und Pflichten betrifft, zu unter-
Bten und die Maßnahmen fennen zu lernen, welche
16 Derufenen Fuͤhrer der Partei im Intereſſe der
8 Sache, welche wir pertheidigen, treffen. Gerade
* hevorftehenden Landtagswahlen werden einen
ürfftein in der Geſchichte der bad. Centrumspartei
4 und iſt deshalb das Leſen der kathol. Tages
ütter von großer Wichtigkeit gerade während des
Muenden Suartals.
* Damit der erfreuliche Aufſchwung, welchen der
Tälzer Bote in letzter Zeit zu verzeichnen gehabt hat,
* auere und fomit der Leſerkreis des Vlattes ſich
* mehr vergroͤßere, wiederholen mir die auch am
chluſſe des Iebten Quartals geſtellte Bitte :
eder Lefer und Freund des Pfälzer
oten möge für ſeine Perſon einen
neuen Abonnenten zu gewinnen trachten.
Hierdurch erfüllt jeder Centrumsmann eine P {1idh ı
ND trägt andererfeit3 mit dazu bei, daß durch die
be“‚“ef)rten Einnahmen auch die Leiſtungs-


a

Unfere geehrten Herrn Correſpondenten bitten wir
U Für ‚Ddie - Folge-un8 rechi fleißig durch ihre
geſchatzte Mitarbeit zu; unterftüßen.

_ Redaftion und Verlag des Pfälzer Boten.




Gerade die engſten Koͤpfe, oder die
unedelflen Herzen, die finſterſten Partei
linge unter ung Proteſtaxten ziehen
immer am wütheniten auf die Katho-
iiten und die Jeſuiten 103.”

(So der prot.. Prof. Fern in Göttingen 1824.)

Woͤher kommt das? IH glaube,
es erflärt ſich aus der gewöhnlichen
Eriheinung, daß man geſcheidteren
enſchen nicht traut, weil man nicht
fähig i{t, ſie zu begreifen.“

(So Dr. Windthorft im Reichstas 1872.)

Der unſeren Leſern bereits belannte prot Pfarrer

Inr Kampf unt's Dafein.
Erzählung naͤch Hesba Stretton von H. v. Remagen.
40 (NMachdrnck verboten.)

Er ſchauerte förmlich zuſammen, wenn ſein Blick dem
Teine8 Baters begeanete, der in jeiner Nähe ſtand und ihm von
* z3u Beit mit den Wugen droͤhte, ihn aus dem Spiele
M Tafjen. Suflid und Viktoria jagten wiederholt, was fie

EimM erſten Verhöre gefagt hatten; ebenſo der Boli-
äe„‘bea'‚nt& der Koger. verhaftet und damals deſſen Ge-

Ändniß des Diebftahl3 entgegen genommen hatie, Daß
moger denfjelben begangen, daͤrüber war kein Zweifel
Handelte fich uur darum, oh er ihn im Einver-

Ündniffe mit jeinem Vater ausgeführt batte.

Die Mitſchuld Blackett’8 ſtand für Jeden, der mit
* Thatjächlichen bekannt war, feſt; aber fie war ihm

\dt 3zu bemweijen. Bladett erflärte feinen Sohn vor dem
H ÜOter al3 einen unverbefjerlidhen Lügner und „Wer litat,
E tieOlt”, Fügte der brave Mann im Gefühle fein Un-
Zl D und zum Beweije feiner padagosiſchen Einſicht Yin-

- Cr habe AWNeZ verfucht, un den Buben auf befjere
h_‚ege Zurückzubringen, ‚aber auch die häxteſten Zuchtmittel
47 NichtZ gefruchtet. Er wüſſe Hand ablegen von dem

Ungen, ° der ſei hHoffnungslos verloren. Was aber den
iggg"“ ihn jelbit erhobenen Verdacht der Mitſchuld angehe,

exweiſe derjelbe fich Ihon dadurch als hHinfällig, daß er

M Tage der That kaum noch.über einen Schilling verfügt


Arbeitstour übe i z
; r Qand aufgerafft habe, um einigen Ber-
fgenit zu fucdhen. Man hHabe in ſeinem BZimmer Nach-
tihung nach dem Gelde gehalten und Nicht3 gefunden.
** der Spigbube vorgebe, er habe ihm Bladett, Alles
2 ſei doch natürlich: er ſuche ſich damit nur
— ⏑ Geld, das er unzweifelhaft
Fer verſteckt habe, zu fihern. Er habe nun einmal
* Slück mit fjeinem FJungen — die Verführuna ſei zu
in Dder Umgebung, unter welcher er durch ſeiie
ü Ättellofigfeit zu mwohnen fich gezwungen jehe. So ſchner-
e au für ihn jei, als rechtichaffener Mann feinen
amen auf’s Neue befleckt zu jehen, aber er müſſe erklären,













für Stadt






an ſeinem Namensvetter Gottfried von Bouillon
ein ritterliches Vorbild im Sturmlaufen genommen
zu haben. Dieſer erſtuͤrmte einſtens die feſten Mauern
Jeruͤſalems, um die Türken daraus zu vertreiben.
Unſer neuzeitiger Gottfried aber hat noch ein größeres
Wagniß im Sinne: er will die 18hundertjährige kath.
Kirche erſtürmen oder wenigſtens rechtlos machen.
Zu dieſem Zweck hat er noch eine andere Broſchüre
geſchrieben mit dem Titel: „Iſt die römiſche
Kirche eine Kirche oder ein Staat?“

Die beſte Kritik dieſer Schrift bilden eigentlich
die beiden Texte, die wir an die Spitze der gegen-
wärtigen Beſprechung geſetzt haben. Ein vorurtheils-
loſer proteſt Gelehrter ſelbſt, geſteht, daß nur die
engſten Köpfe oder die unedelſten Herzen oder die
finfterſten Parteilinge immer an den Katholiken und
ihren vornehmſten Ordensleuten herumzunörgeln haben.
Ob es nun bei dem Herrn Gottfried von Binau mehr
am Kopf oder am Herzen odex an beiden Theilen
zugleich fehlt, vermögen wir nicht naͤher feſtzuſtellen.
Sicher iſt, daß es irgendwo fehlt. Unſer berühmter
Katholikenführer Windthorſt gibt aber auch in
der ihm eigenen geiſtreichen Weiſe die Erklärung für
dieſe ſonderbare Erſcheinung an: „Geſcheidteren
Menſchen traut man nicht weil man nich;t
fähig iſt, ſie zu begreifen“

Wenn wir dieſer Broſchüre einige Zeilen widmen,
ſo geſchieht es nicht aus dem Grunde, weil wir für
den Foͤrtbeſtand unſerer kathol. Kirche Angſt haben,
ſondern um den Katholiken zu zeigen, weſſen man
ſich Alles von dem „evang. Bund“ heutzutag zu ver-
ſehen hat.

Der Broſchürenſchreiber verbreitet ſich zuerſt über
den Unterſchied von „Staat“ und „Kirche? und ſagt
da u. A! „Sin Gemeinweſen, das - durch Gewalt
und Zwang wirkt, iſt ein Staat; ein Gemeinweſen,
das durch Geiſt und auf freie Weiſe wirkt, iſt eine
Kirche“ Bisher hatten wir geglaubt, eine Kirche ſei
eine Heilsanſtalt (oder ein Gemeinweſen), worin das
Erlöſuͤngswerk Chriſti fortgeführt, d. h. ſeine Lehre
und Gnade den Menſchen zugewendet wird; mit der
Kirche des Binauer Gottesgelehrten hat alſo Chriſtus
ſchein's nichts mehr zu ſchaffen. Weiter heißt es
voͤn der „Kirche“: „Die Kirche wirket durch das
Xeal ... . Fn dieſem, nämlich in dem Ideal, in
der Vorſtellung von der Vollkommenheit, hat ſie das
Mittel, das Gute im Menſchen zu erzeugen, und
alſo die Menſchen zu beſſern und zu vervolllommnen. “
Mit dieſem Befferungsmittel, dem „Ideal“, welches



das Zuchthaus ſei das Einzige, wovon vielleicht noch
Beſſerung für den ungerathenen Bengel zu hoffen bleibe,
indem er dort die nöthigen Prügel urd wohl auch Unter-
weiſung in einem Handwerk finden werde.

.< hab’ noch Ewas zu bemerfen“, rief Cuklid und
beeilte fich, ſich in der Zeugenbank aufzuſtellen, fobald
Blackett diefelbe gemeſſenen Schrittez, wie alS glaube er
jelbit an ſeine eben kundgegebene ſittliche Entrüſtung, ver-
laſſen hatte.

Suklid nahm eine Poſitux an, al3 befinde er ſich auf
einem Predigiſtuhl und machte eine Wiene, als ſei er in
der That ein Prediger aus dem Volke. Sein zoktiges,
Freiſes Haar fiel wild und lang herab über die tiefge-
rungelte Stirne faſt bis zu den ſchwarz gebliehenen huſch-
ıgen Braunen. In den eingefunkenen trüben Augen leuch
tete es jeßt wieder einmal für einige Minuten auf, wie
erglimmende Sterne. Die ganze Geſtalt war ein Bild
vvnr Ernſt und Entichloffenheit. Die fleiſhloſen Hände
ſeaten fich krampfhaft un die vordere Bultlehne und fein
itarcer Blic richtete ſich abwechſelnd bald auf den Richter
bald auf Roger.

„Um was ich Euex Gnaden anflehe, Herr Richter”,
ſo begann Euklid im Tone des nachdrücklichſten Bittens,
Iſt das: ſchicken Sie den Jungen nicht ins Gefängnik!
Ich verzeih' ihm und meine mitheſchaͤdigte Tochtex Biktoria
derzeiht ibin auch. Das geſtohlene Geld war für ihe Be-
gräbniß beitimmt. Als es aber fort war, da fam’3 ihr
in die Seele, das müßte ein Zeichen jein von Gott, daß
er fie noͤch nicht wolle ſtexben laffen. Meine, Angit war
nur, Ddaß ſie nunm auf Sffentlihe Hoſten müle beerdiet
werden. Auf bffentliche Kojten!“ wiederholte er mit
jchriller Stimme, die durch den aanzen Saal drang. „Das
war meine Jurcht, ſonſt würde ich die Polizei gar nicht
angerufen haben. MNiemals! Sehen Sie fih den Knaben
an, Euer Önaden! Wenn Sie ihn bei ſo jungen Jahren
inz Gefängniß ſchicken. wird er fich zu einem auSgemachten
Spibbuben dort auswaggfen. Seine zwei Brüder find im
SGefängniß deweſen. und ſie ſind iebt auzgemachte Spiß-
buben. BVerjuhen e3 Euer Gnaden. mit Roger. anders,
Vielleicht thut’3 beſſer gut außer dem Gefängnik, nachdem









— Bruchfal, Bretten, Nedargenüänd, Mosbah
Eberbach/ Buchen, Walldärn, T.-Bifchof8h, Wertbeint 2C.

20. Jara

s⸗ —



Dıne, Verlag ı. Crpedition von Gebr, guber .
in Heidelberg, Zwingerſtraße 7.







Verfaſſers zu ſein ſcheint, lockt man aber noch keine
Katze hinter dem Ofen hervor, geſchweige denn daß
man einen Sünder damit bekehrt. Laſſen wir ihm
übrigens ſeinen Zauberſtab „Ideal“ genannt, möge
er gewiſſe Binauer Schäflein bald damit bekehren.
Um nun zu beweiſen, daß die kath. Kirche eine
Zwangsanſtalt und folglich keine Kirche ſei, wärmt
er an der Hand einiger katholikenfeindlichen Broſchüren-
ſchreiber, Gie er gerade ſo blindlings abſchreibt, wie
dieſe ſelber ihre Fabeln von älteren Kirchenfeinden
abgeſchrieben habem all' den Kohl wieder auf, der ſchon
hundertmal einem ſkandalſüchtigen Publikum aufgetiſcht
und längſtenz xanzig geworden iſt z B. von der Inqui-
ſition Herrſchſucht der Päpſte, Mißbrauch des Beicht-
ſtuhls zur Politik, Reichthum der Feſuiten, u Dgl. AW’
dieſer Hohl iſt längſt von ganz namhaften Gelehrten,
auch ehrlichen proteſtantiſchen, auf ſeinen waͤhren
Gehalt unterſucht worden; der Broſchürenſchreiber iſt
aber allem Anſchein nach üher das Leſen und Ab-
ſchreiben einiger katholikenfeindlichen Schriften noch
nicht hinausgekommen. Wenn er ſich auf die Schrif-
ten der beiden größten Gottesgelehrten, des hl Au-
guſtinus und des hl. Thomas v. Aquin beruft, ſo
haben wir die feſte Ueberzeugung, daß er deren
Schriften ſo wenig geleſey hat als ſeiner Zeit der
Thierarzt Hink die Moralbücher der Jeſuilen und
daß, wenn er ſie leſen würde, er vorerſt davon ſo
wenig verſtehen würde, als wenn ein Nachtwächter
das Planetenſyſtem des Copernikus oder ein Weiß-
putzer die Gemälde des Rafgel ſtudirt. Was ſpeziell
die vexhaßten Jeſuiten, betrifft, ſo könnte . man
viele Dutzende von proteſt. Gelehrten und Staats-
männern anführen, welche den vielſeitigen Verdienſten
derſelben das höchſte Lob ſpenden. Vielleicht beliebt
es dem Herrn Paſtor von Binau, wenigſtens folgen-
den Ausjpruch des iſraelitiſchen Gelehrten Heine in
ſein Album eingetragen: „Arme Väter von der Ge-
ſellſchaft Jeſu! Ihr ſeid der Popanz und der Sün-
denbock der lih. Partei geworden; man hat jedoch
nur eure Gefährlichkeit, aber nicht eure Verdienſte
hegriffen. Was mich betrifft, ſo konnte ich nie ein-
ſtimmen in das Zetergeſchrei meiner Genoſſen! die
bei dem Namen Loyola immer in Wuth gerathen,
5* Ochſen, denen man einen rothen Laßpen vor?
4 2
Wir woͤllen nur noch die Schlußfolgerungen des
ritterlichen Kirchenſtürmers vernehmen Dieſe ſind
— wir citiren wörtlich — in Kürze folgende :
L Da die römiſche Kirche keine Kirche, ſondern?
ein Staat neben andern Staaten iſt, ſo iſt der Laupf
— — — —



2 —



es in den Gefänaniß mit ſeinen Brüdern nicht gut ge-
than. Mir würde es da3Z Herz abdrücken, wenn ih mir
{päter ſagen müßte: Biktoria und ich ſeien die Beran-
laffıng gewejen, daß er im Gefängnifje zu einem gewerbs-
mäßigen Dieb geworden ſei Die Gefangenhäufer taugen
Nichts für junge Leute; durchaus Nichts. Ich bin ein
alter Mann und habe das oft genug beobachten konnen.
Wenn Sie ihn nicht einfperren wollen Euer Gnaden, —
ich verzeih’ ihn und Biktoria verzeiht ihm auch Zhun
Sie’3 uns Beiden nicht an, daß wir Nachts daran denken
müſſen: wir ſeien Schuld, daß er im Gefängniß ſitzt und
dort zum Spigbuben wird !”

Während zeiner ziemlich ſchnell und mit Nachdruck oe-
ſprochenen Rede Hatte der zunächſt ſtehende Polizeiheanite
mehrfach ſchwache Verſuchẽ gemacht, ihn zum Aufhoͤren
zu bringen. Eukflid ſich jedoch nicht im Mindeſten dadurch
beirren lafjen. Alles was im Gerichtsſgale anweſend
war, lauſchte mit geſpannter Aufmerkjamteit: was aus
innerem Drang warm aus dem Herzen geſprochen wird,
findet immer bereitwillige Hörer. Auch DasS bleiche maaere
Geſichtchen VBiktoria’S, deren Blick mitleidig auf Roͤger
gerichtel blieb, legte ſtumme Fürſprache zu deſſen @unften
ein Der Knabe, überwältigt von dem, was um ihn her
porging und ſo mächtig auf alle wirkte, barg das Geſicht
in die Bände und brach als Euklid geendet hHatte, in lautes
Weinen aus. ESin Herr welcher auf einem Stuhl hinter
den Sefjeln des Gerichtzhofes jaß, ſchrieh flüchtig einige
Fere auf _einen Streifen Bahier und überrreichte den-
jelben dem Kichter=-Bräfidenten ; dieſer nachden er einen
Blich darauf geworfen, wandte ſich mit folgenden Worten
an Euklid:

— „SInfolge Ihres Anſuchens werde ih_ das Urtheil
über diejen Knaben heute ausfegen und die Sadhe‘ bis zur
nächiten Woche zurücktellen. Man wird die Bermögen2-
verhältnifje Öladett’S veiner rüfung unterziehen um zu
jehen, woher die Mittel zu nehmen ſind daß er in einer
Snduſtrie Schule unteraebracht werden kann, und ob ihm
eine ſolche unter den gegenwärtigen Verhältniſſen offen

{tebt.“ — ;
(Fortfegung folgt)


 
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