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Pfälzer Bote für Stadt und Land (26) — 1891

DOI Kapitel:
Nr. 281 - Nr. 290 (10. Dezember - 20. Dezember)
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Yabenbarg, Membeun, Goqwebirgen, — ——
ABıesinch, Brychſot Bretten, Nedargemünd, Mosbadı
überbang, Huchen/ Kallbarn, T.-Bifchofsbh, Wertheint sz.

























Ahooctheher Medalleur ;
üadar m Beidelhera.

Geidelberg, Samlag 3




Druc, Berlag u. rpebition von Gebr. Yuber
i Heidelberg, Aipiugerfüraße 7.











— —
Beſtellungen

öuf den „Wiälzer Woten“ für den Monat

Dezember werden noch fortwährend bei ämmtlichen

Poſtanſtalten, bei unſeren Trägerinnen, jowie in anſeker

Erpedition Heidelberg, Zwiuger traße 7 entzegen-

genommen.
Berlag des „Pfälzer Bote.“

—— —
* Die Converfionen in England.

Zwei Reden, die eine aus proteſtantiſchem, die
andere aus katholiſchem Munde, haben in den reli-
giöjen Kreiſen Englauds gewaltiges Aufſehen erregt.
In der am 3. Növ. ſtatigehabten Diözeſaukonferenz
Oloß dex proteſtautiſche Biſchof von Liverpool, Dr.
Ryhle, ſeine Rede über die Situation der auglikani-
ſchen Kirche mit folgenden Worten : „Die künftige
Gefahr, das iſt die Wiedexpereinigung
ſchen Kirche! Eine groͤße Anzahl von Geiſtlichen un-

dieſe Wiedervereinigung wünſchen und ſind bereit, ſich
don den Reformirten und von der Reform loszuſagen.
Viele andere verhalten ſich in Ddiejem Punkte voll-
Undig indifferent und wülden der Einführung der
Meſſe und des Beichtſtuhles keinen Widerſtand ent-
gegenjeßen, nur um in ihrer Ruhe nicht geſtört zu
werden. Der katholiſche Biſchof von Salford hat


verſion Englands zur römiſcheu Kirche nichts weniger
As ein Traum fei. Es iſt immer gut, zu wiſſen, was
andere von uns denken. Ich für meinen Theil bin
überzeugt davon, daß diefe Wolken vorerſt noch
ſchwaͤrzẽ Punkte am weitentfernten Horizonie ſind
aber fie können doch näher jein, al$ wir glauben,
und mancher von un8 kann lange genug leben, um
zu ſehen, wie dieſelben ſich ausbreiten, Dden Himmel
Edecken und Stürme bringen.“ Das Gegenſtück zu
diejer Rede eines proteftantijchen Bijchofes bildet die
Rede, welche der Katholijhe P. Lucaz Rivington am
dergangenen Sonntag gelegentlich der Einweihung
einer Herz eſu Kirche in dem Londoner Stadttheilẽ
Camberwel in Gegenwart des Diözeſanhiſchofes und
einer zahlreichen Verſammlung gehaͤlten hat. Der
Redner, welcher früher ein hervörragender Prediger


ſeiner Predigt

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einige Tage vorher mit einem hohen Würdenträger
der anglilaniſchen Kirche gehabt, welcher vermoͤge
ſeiner Stellung beſſer als jeder andere die wahre,
geiſtige Stroͤniung in der religiöfen Frage zu beur-
theilen im Stande iſt. Geradezuͤ auffallend iſt, zufolge
dieſer Autorität, die in den drei letzten Jahren er-
folgte, veränderte Stellungnahme der oͤffẽntlichen
Meinung zur römiſchen Kirche. Die eingefleiſchteſten
Anglikaner haben ganz andere, milde Saiten aufge-
zogen und ſprechen jetzt in vollſtaudig verändertem
Tone von der katholiſchen Kirche, Der hervorragende
Clergymann iſt der Anſicht, daß zaylreiche, früher
oder Ipäter erfolgende Converſionen zum Katholizismus
die Wahrheit ſeiner Vorausſage deſtätigen werden.
„Es ſcheint — ſo ſchreibt hierzu der „Star“ — daß
dieſe Vorausſage ſchon einen guten Anfang zu ihrer
Verwirklichung genommen hat, wenigſtens nach den
Namen der jüngſten Convertiten zu urtheilen, die zu
unſerer Kenntniß gelangt ſind. Man wird ſehen, daß
auf der Liſte nicht nur die NMamen von Anglikanern,
ſondern auch von Mitgliedern anderer Sekten ſtehen,
welche bisher keineswẽgs als Pflanzſchulen für die

James Montgomery,

eine der erſten Berühmt-
heiten der Presbyterianer;

Frau Bell, eine Enkelin


früher ein Pfeiler der
methodiftifchen Kirche; Alfred Auftin, Vureauchef im
Lriegsminiſterium; Charles Stuart Mills; Eataret
Manle und Eduard Hunter, Soͤhne des gleichnamigen
ſehr bekannten anglifanifchen Clergyman; Miß Bald-
win, älteſte Tochter einer einflußreichen Baptiſten-
familie; der Colouel Monck Haͤl vom 74. Highlanders-
Kegiment; Herbert Snelgrobe und Robert Cunningham
Villiams, Sohn des berühmten General Williams;


Fozbern; der Stabs-Capitän Lyens Montgomery;
John Rees, Privatſekretäͤr des Gourverneurs von
Madras; Lord Weulock Miß Stafford und Miß
Mary Warden, Töchter ſehr reicher Kaufleute; Her-
bert Weaſures und G. Keyie, Großhändler der City;
Wiß Beſſie Hatton, ein Stern des Vaudeville-Theaters;










Millignärs Georg Clarke;
von Charles Dickens; der Rev. F. Beſant, von der
Pfarrkirche von Whitechapel (es iſt dieß der fünfte
konvertirte Geiſtliche diẽſer Lirche Rev Beſaut iſt




Conferencidre von Saint-Fames Hall); der Rev.

Titular einer bedeutenden Kirche der


Grafſchaft Dorſetſhire (der Sohn des Rev. John
Camm, welcher Vikaͤr an der ritualiſtiſchen St Agnes-
Kirche zu Kennington war, iſt ſeinem Baͤter ſchon im
vorigen Jahre mit dem Beiſpieie vorangegangen und
ift Deute Benediktinermönch; der RKev, Charles
Eduard Gandy, von der St. James Kirche in Ply-
mouth (der ſechste Geiſtliche don dieſer Kirche, der
in den Schooß der katholiſchen Kirche zurückkehrt).

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„Kampf nit geiftigen Wafjen!!

Schreckliche Rache hat der focial-demo-
fratijdhe artei-Barſtand an zwei „Iungen“
genommen durch den Beſchluß, den Vektrieb der von
Dr. Bruno Wille herausgegebenen Schriften „Die
Jugend“ und /Einſiedler und Genoffe“, f{owie der
Auexbach'ſchen Broſchüre „Der Kaufmann und
die Sozialdemokratie zu inhibiren Die bezeichneten
Schriften waren bisher durch die Buchhandlung des
Vorwärts vertrieben worden. Hr. Wille erhielt auf
ſeine an den Parteivorſtand gekichtele Frage nach
dem Grunde dieſer Maßregelüng ein Schreiben de?
Partei⸗Seeretärs Fifjcher, in dem es heißt: „Die
Partei hat darauf zu achten, daß innerhaͤlb des Rah-
mens dex Organiſalion die ihr Zugehörigen in Fra-
gen der Taktik und Diseiplin dem Willen der Gejammt-
heit ſich fügen. Und wer nun dieſen Brundſätzen der
Untexordnung ſich nicht fügt und mit Andern, die für
unwürdig erklärt ſind, dieſer Organiſation anzuge-
hören, ſich zuſammenſchließt, um gegen jenen beftimmten
Kreis zu wirken, der verzichtet damit eo ipso auch
auf die Organe und Voriheile, die derſelbe ſeinen
Zugehörigen geſchafft hat und ſichert. Eines dieſer
Organe iſt unfere Buchhandlung, und deshaͤlb war
unſer Beſchluß für uns ſelbſtverſtändlich. Mantanır
es Herrn Wille nicht verübeln, wenn er dazır höhniſch
bemerkt: „Ueber die Zugehörigkeit zur Partei ent-
ſcheidet der Vorſtand was tümniern ihn die vor
einem Jahre getroffenen Beſtimmungen des Partei-
ages zu Halle! Die Partei iſt eine „Organifation !“
Schön! Aber woran erkennt ein „Genoſſe,“ ob er
zur Organiſation gehört? Mitgliedskarten gibt es
nicht. Muß er einem Verein angehören ? Welches
ſind die geaichten Vereine? Muß er einen „Bon“
kaufen? Muß er agitiren ? Der Parteivorftand ant-
wortet mit vernichtendem Blick: „Gehorchen ſollſt du
und den Mund halten!“ „Wem gehorchen ?“ ſtam-
der „Genoſſe“ „Der Gejammtheit !“ lautet
die donnernde Antwort. Der „SGenoffe“ aber denkt:
Wahrſchein-
lich will der Borſtaͤnd ſagen! der Mehrheit! Aber er



eine Unterredung genommen, Die er

Schlechter Seumuns.
13) Criminal-Novelle von Carf Ed. Klopfer.

Bei näherer Betrachtung aber zeigte jih in ſeinem
?Jeufiem gar manches, das merklich von dem Exterieur
nes Handwerksburſchen abwich. Das von ‚einem breit-
Yandigen Strohhute befchattete Geſicht trug nicht das ge-
Uunde Braun, das Wind und Sonne ſonſt auf eine folche
Daut zeichnen, fjonderın eine krauthafte Bläffe, die an demn

chläfen jenes Aederchen durchjhimmern ließ. Die Hände
Aren weiß und zart, wie die eines Mädchens. Auch die
Iflbung‚ obwohl ſie nichts weniger, als elegant waͤr,
eeweas das Ausſehen wie die eines ſolchen fahrenden
ellen.

‚Und erft das Antlik, der ſeltſame Zug, der in dieſem
Gefichte laa! Die Lippen, über denen ein dunfelbrauner,
eenſcheinlich vor Kuͤrzem noch abraſirter Schnuͤrtbart
roßte waren ſo eigenthümlich ſcharf aufeinander gelegt,
W hHätten fie fich daran gewöhnt, der von der warmen

Erzensregung .
}i)em. Die Auben blidten matt und fuchten mit Vorliebe
y Boden, wie 68 die Nugen eines Menichen thun, der
exlernen mußte. Die Kurzverfchnittenen kaſtanien-

aunen Hauare zeigten oberhalb des Ohrrandes einige
Atanen Fledchen — vielleicht vom Straßenftaube ?
fep4 J3 der erfichtlih fhon ziemlich miüde Fremde am
Bten Meilenftein, der außerhalb der Stadt fiand ange-
f NOt war, machte er Halt und hielt dafelbit Raft. Er hHätte
nur mehr wenige hHundert Schritte nach dem Biele
doch das Stäbtchen fein mußte, gehabt, aber er ſchien
Ankunft abfichtlich verzögern zu wollen. Er nahm
5 Hut ab und ließ den leichten Zephyr des Anauſt-
* über jeinen_ erhißten ®opf itreichen, {cOlug mit dem
Sölhentuch den Staub von Keidern und Stiefeln und
quadte fich fo, Daß er die finkende Sonne im Rüden, das
G 0bild des Städtchens vor fih im Gefichtstreije hatte.
da Mürzte das Minn in die Hand, den Cllenbogen auf
e nie und ftarıte die Hänfergruppe an die ſich in
— Geftalt vor feinent gedanfenvollen Blic ausbrei-
uns .. Während er Io den Eintritt der völligen Dämmer-

na ertwartete, durchkreuzten viele Reflexionen fein Gehirn










ben keineswegs angenehmer Natur ſein.

Er fannte die Meine Stadt da vor ihın ſehr wohl; er
liebte fie nicht, jondern Haßte ſie vielmehr, obwohl er
meilenweit gewandert war, um fie Heute nodh — je eher
je lieber — zu erreichen; und jetzt zÖgerte er aleichſam an
der Schwelle, alg ſcheue er fich, — bei Tageslicht feinen Juß
hineinzuſetzen. Es war nicht jeine Vaterftadi, aber
er hatte die bedeutſamſte Choche feines bisherigen Lebens
darin erfahren: ja, er haßte diefe Stadt, f0 alühend, wie
man nur einen Todtfeind haffen kann, und doch bargen
ihre Mauern für ihn das Liebite, dem noch ſein Herz ent-
gegenſchlua, ain Wefen, das wiederzuſehen er auch einen
zehnmal ſo laugen Weg, al8 er ihn zuxückgelegt, nicht ge-
ſcheut haben würde — und wenn ihn derſelbe auch durch
die Hölle geführt hätte.

Mit einem Wort wir können die widerſprechenden
Sefühle im Semüthe des jungen, forabeladenen Wanderers
mit einem Male aufffären, Jowie bas ganze geheimnißvolle
Dunkel, das feine Berfon umjchwebt, menn wir den Namen
— Seopold Hügel nennen. Ia, Hügel war es, der ehe-
malige Suchhalt-rvon &. M. Sendler u. Comp., der da
auf dem Meilenfteine Jaß und die letzten Jahre feines
ſich vorüberziehen ließ.

Man hatte ihn ſeiner muſterhaften Aufführung im
Strafhauſe wegen begnadigt und ihm ein Drittel ſeiner
Sühne geichentt, ſo daß er ein ganzes Jahr früher, als
3u*hoffen gewelen war, den Weg nach dem Wohnorte der
theueren Mutter auffuchen durfte. Obh, wie freute er
ſich auf dieſes Wiederlehen! wie Hatte er die Monate,
Wochen und {chließlich die Tage und Stunden gezählt,
die idn noh von Ddiefem Wiederfehen frennten — und
jetzt war endlich der erfehnte ANugenblict gelommen. AWber
Seopold fühlte fich fo fchwer bebrüct, 10 bange beflemmt,
als er endlich vor feinem Biele angelanat war. Hreilich,
die Mutter hatte fih ja zu den fremden Lenten gefellt,
die ihn al3 Betriüger und Defranudanten befrachteten. fie
Hatte ibm den gräßliden Schmerz bereitet, wie alle Andern
an ihm zu zweifeln — fie, die doch mit ihrem Herzblut
für ſeine Unfchuid hätte eintreten jolın — W . nagte








vohl auch heute noch an ihm, wie 23 die ganzen zwei
Jabre Zuchthausleben Her alz Seelenfolter die furchtbarite
Berichärfung feines Strafhausmaßes gebildet Hatte. Doch
jetzt hoffte er das Nües zu flären. Damals war er ja
zu aufgeregt, 3u zerfahren durch die Wucht, der ihm ent»
gegengeichleuderten Unfhuldigung, {ein Harer Bliek war
durch das Entſetzen geirübt gewejen. Nun wollte er gelaffen
und gefaßt — und verbittert feine Bertheidigung führen
und war überzeugt, ſie müffe ihm gelingen — natürlich
nur feiner Vuiter gegenlüber, denn fie war ja . die
Einzige, die nm feine Welt ausmachte, und er hatte längſt
den Gedanken aufgegeben, au Ddie Richter und die Ges
Ellſchaft von Ddem {chmählidhen Unrecht zu überzeugen,
Das ihm angeihan worden war; er alaubte, e8 gäbe feine
Gerechtigkeit mehr für ihn. Ia, die Mutter vollte er vor
AUllem_wieder in feine Arme {OHlieben, an ihrem Herzen
ſeine Thränen ausweinen, die er feit zwei Jahren mühjam
in feine Bruft zurücgedrängt hHatte. Er bejaß etwas Geld,
den jogenannten „Ueberverdienit” feiner Arbeitsthätigteit
im 3ucdthaufe; e$ war freilich zu gering, um fih damit
eine Eriſtenz gründen zu koͤnnen aber e8 reichte eben bin,
um ihn allenfalls in iraend einen entlegenen Winkel Eu-
ropas$ zu bringen, wo er — wenn’s Schlimmite zum
Schlimmen fum — als Taglöhner, aber menigltens unde-
kaunt das Daſein fortfriſten konnte, das ihm Dbereitz zur
Laſt geworden war. Darüber hatte er eigentlich noch
keinen rediten Entichluß gefaßt, wozu audh? Er hattẽ
xeichlich geit dazu, die Widerwärtigfeit der Zukuuft an
fich herantreten zu Iaffen. Iebt kannte er nur ein Streben
— Ddie IMutter wiederzujehen, ein Ziel, das ihm wie ein
milder Stern auf feinem Wege vorausleuchtete.

„Sa, wixklich, dort oben, gerade über der Stadt/ ſtand
ein großer Stern urd blinzelte ihm zu — da war ja end-
lich das heiz erfehnte Ziel! Und. rings auf die Gefilde
im Städtchen
flang eine Äbendalode, deren Schalw.Nen der eichte
&Wind in einem Janften RhOykmusS Üüber die Felder irug —
und Leovold erhob ſich/ tief Athem ſchoͤpfend, rückte das
Känzel zurecht, nahım den Stoct felter in die Hand und
lenkte ſeine Schritte dem Städtcher zu. ($. folat.)


 
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