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Pfälzer Bote für Stadt und Land (26) — 1891

DOI Kapitel:
Nr. 121 - Nr. 130 (2. Juni - 12. Juni)
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https://doi.org/10.11588/diglit.44149#0505

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‘%flu: tagtis mit Kugnahme ver Sonns und Feiertoge
— mit hnterhaltemgebeilage. Preiz vierteljährlich
B 1.20 ohne Trägerirhn ı, Boftanfjhlag DBefteNungen
den Voftankakten u. bei der Erxpedition Zwingerfiraße 7.

8


2 —









Verantwortlicher Kedakteur ;
gultus Yeder in Heidelberg.




- Sür den Monat
Juni
— Beſtellungen auf den täglich erſcheinenden

Ffalzer Boten“ von allen Poſtanſtalten, den Poſt-
en und von unſerer Expedition Zwingerſtraße?



Vgenommen.
— — — — — *
8 * 23 der AUnterhalt
er e ä ‚23 der Unterhaltungs-
— nummer ſiegt Ur haltung

— — —⏑
Vililiſche Wodenüberficht.

Heidelberg, 6. Juni.
Fuſt Bismarck ſetzt ſeinẽ Oppoſitibn gegen die
erbg in ungeſchwächtem Maße fort. Muerdings
dehauptet er in ſeinem Leibblatt, den Hamburger
Arichten, daß nach feinem Rücktritt die B ezie h-
ANgen zu Rußland durchichnitten worden Jeien.
1 Diefer BehHauptung liegt, mwie dies auch don der
ordd. Allg. Ztg. hervorgehoben wird, die Beſchuldi-
daß in den fruheren guten Beziehungen Deutfch-
lands zu Rußland eine wefentliche Veränderung ein-
Setteten fei. Mit vollem Rechte, ſagt dann auch
43 frühere Bismarefäblatt: „So Iange die Ham-
Durger Nachrichten“ den Vorwurf, welchen ſie damit
Sgen die Derzeitige Megierung erheben, nicht durch
‘‚‘‚f“[fiung beſtimmter Thatſachen des Nähern be-
Iründen, halten wir jene Behauptung für eine will-
Ältliche Erfindung, Ddie lediglih den Zwec Hat, die
“ff!nttid)e Meinung zu beunruhigen.“ —
© weit wäre alſo der Ex-Fteichskanzler, daß er ſich
D0n feinem früheren Vertheidiger Heute jagen affen
B, feine Haltung beunruhige die Öffentliche
inung. Fürſt Bismarcks Politik Rußlaud
ber war ſchon mehr ein: „Wir fürchten Gott
ANd der Herricher aller Neußen.“ ” Dasz: „Wir fürch-
ln Gott und fonft Niemand auf der Welt“ ſcheint
ü die jetige Regierung auch Rußland gegenüber
3r Nichtjhmur zu nehmen. Das Anfehen Deutich-
— dadurch nur gewinnen.
. Die Erörterungen über die Getreidezoͤlle werden




Plünite eifrig fortgefebt. Wie wir Ichon mitgetheilt
da M, ordnete der ſozialdemokratiſche Parteivoͤrſtand







Inr Kampf unıtU's Dafein.
Crzählung naͤch Hesba Stretton von H. v. Remagen.
16) Gachdruck verboten.)

Sm Iuni um vier Uhr früh aufzuftehen, um die dicke,
g’ib“ße Luft der engen Behaufung mit der thauigen Frifche
©8 Morgens im Freien zu vertaufchen, daz mag recht an-
fein; ander3 verhält ſich die Sache im Winter.
—— (ich um Ddie genannte Stunde von ihrem
ugrvbiaä auf, {tecite fich im Dunkeln {Hnell in ihr dünnes,
d getragene? Rogchen, ſchlüpfte mit den nackten Jüßen in
4 durchaus nicht mehr waͤßerdichten alten Schuhe der
und ſchlich, naͤchdem ſie lebtere, die bis zu ihrer
Üctehr allein auf ihrem Schmerzenslager ausharren
zum Lebewohl gefüßt hatte, hinaus vor die Thuͤr
ſ da3 mit halb. geforernem RKothe überdedte Straßen-
$°ffEt„ wo Sutlid mit jeinem Koͤroͤchen auf fie wartete.
in Binga weiter durch Schmuß und Froft. El8beth trug
i[)n ülte8, verbeultes Theebrett unter dem Arme, welches
; x Ciner der Nachbarn, den Suklid in das Gepeimniß ein-
bmlvethm fid getraute, gelichen hatte, Sie hatten eine gute
* — Weg3 bis zu dem Markte. So früh und {0
munfel $ aug noch war — in dem Oftende der Stadt
<8 doch {chon lebendig, überall Yufchten {dhon, Iaut-
} ßletc_p ®Geiftern, vor Froft zitternde Menfhenkinder über
bi«g — Pilafter an idnen vorüber. Sl8beth hatte
* Straßen in folch” mitternächtiger Scenerte noch nicht
— fie hielt fich furchtjam dieht an Cuklit’s Seite.
i Der alte Mann ſprach tein Wort. Die Begleitung
m?“’-ß Anderen war für ihn ungewohnt und deshalb ver-
— Seit 25 Kahren, jeit der Beit nämlich, da, wie
Iig wilfen, ein Unglü 6faü ihn zu ſchwerer Arbeit untaug-
vi rer er diejen Weg gegangen, Tag um Tag,
„‚“{;!mer und Winter, und nun trippelte das Neine Wejen
.bld)t‚neb_en ihm daher und 30g ſeine Gedanken immer
feite CC in eine ganz beftimmte Nichtung, die aber gerade
feb“e Or erfreulidhe war. So lange hatte er jeden Ber-
i il den Nachbarn Hüglich vermieden und nun.jah eı
$ Mit einem Male in die Angelegenheiten der Fran dell.
evidz und El3beth’3 verwidelt. Mukßte das nicht Körend





— 7

*


für Sfadt





Kunzeige-Blatt für die Mmtsbezirke Heidelberg
Ladendurg, Weinheim Schwetzingen Pöilippsburg,
Kie8loch, Bruchfal, Bretten, Nedargemünd, Mosbacz,
everbach Buchen, Walldurn T Biſchofsh Wertheimt 26










— —







tntlhen. eini den 7




durch einen Aufruf an die Parteigenoſſen, den der
Berliner Vorwäris veröffentlicht, die unverzügliche
Enleitung einer Maſſenagitation für Aufhebung der
Getreidezoͤlle an. Es war zu erwarten, daß die So-
zialdemokraten ſich dieſe Agitationsangelegenheit nicht
entgehen laſſen würden. Nachdeni die freifinnige
Preſte in der letzten Zeit gegen die Getreidezölle
förmlic) gewüthet hat, und im letzten Reichstag Herr
Richter der angekindigten fozialdemokratijhen Ge-
treidezoll-Interpellation bei det dritten Lefung des
Etats raſch zuborzukommen ſuchte, iſt es erklaͤrlich,
Lenn jetzt die Sozialdemokraten als die ſtärkerẽ
Paxtei die Führung in dem Kampfe gegen die Ge-
treidezölle an ſich zu reißen ſuchen SIın allgemeinen
Intereſſe kann man den geplanten Agitationsſturm
mur bedauern. Profitiren wird von demſelben mur
die Spekulation, und unſere Gegner im Auslande,
die auf jede Verlegenheit Deutſchlaͤnds lauern, werden
ſich ſchadenfroh die Hände reiben.

Ein merkwürdige Kunde kommt aus Oeſterreich.
Daſelbſt hat der Miniſterpräſident Graf Taaff am
1. 5. M, beim Reichsrath ein So zialiſtengeſetz
eingebracht, welches den gemeingefährlichen Beſtreb-
ungen der Sozialiſten ſteuern ſoll. Daß Defterreich
unſere Geſetze über die Kranken- und Unfallverſicher?
ung der Arbeiter im Weſentlichen übernommen hat,
fonnte man mit Lenugthuung begrüßen, aber daͤß es
jetzt trotz der in Deutſchland mit dem Sozialiſtengeſetz
gemachten trüben Erfahrungen ſich auch ein Sozialijten-
geſetz leiſten will, das muß verwundern. Iſt denn
ploͤtlich die öſterreichiſche Sozialdemokratie ſo ge-
fährlich geworden, daß es ohne Ausnahmegeſetz nicht
mehr geht? Oder Hındelt es ſich um einen politiſch-
taktiſchen Schachzug, deſſen Bebeütung erſt ſpaͤter Har
verden ſoll? Wir halten den neuen Vorſchlag der


die in den letzten 3 Jahren eniporgewachfene öſter-
Leichiſche gewerkſchaftliche Bewegung, die im
Weſentlichen einen gemäßigt ſozialdemokratiſchen Cha-
ralter trig und auf poͤlitiſchem Gebiete das allge-
meine Stimmrecht und Preß-, Verfammlungs- und
Vereinsfreiheit, auf werthſchaftlichem aber das freie
Koalitionsrecht und den weiteren Ausbau des natio-
nalen und internationalen Arbeiterſchutzes verlaͤngt,
würde durch das neue Sozialiftengejeß mit ſeiner un!
ausbleiblichen Drangſalirung auch den legitimen Be-
ſtrehungen der Arbeiterwell in Defterreich nur eine


um ſo gefährlicher und unberechenbarer würde, als
ſie unzweifelhaft zur Geheimbündelei und zur Anar-






Druc, Verlag ı. Exrpebition von Gebr. guber
in Heidelvers, Ziwingerfiraße 7,









26. Zabrn.

Weſſen der Gauner-



chiſterei gedräugt werden würde
Anarchismus faͤhig iſt, das hat man doch in Wien
und Umgebung erlebt. Seit dem Verſoͤhnungskongreß
in Hainfels Ende 1888, auf dem Gemäßigte und
Radilale ſich verföhnten und über ein gemeinfames
YProgramm fich einigten, iſt der Anarchismus in
Oeſterreich ſo gut wie verfhwunden. Er mwürde
wieder aufleben, wenn Deſterreich den verlaſſenen
ſozialiſtengeſetzlichen Pfad Deutſchlands betreten wollte.

Schlinme Nachrichten ſind von der deutſchen Ka-
merun Erpedition über London eingetroffen! Am
18. April traf der Gouverneur von Kamerun” mit
vn Neberbleibfjeln, des Expeditionskorps welches im
Innern aufrühreriſche Staͤmme züchtigen ſollte, nach
einer unglücklichen Reije in KNamerun ein. Von den
250 Mann meiſt Deutſche find nur 100 Manı
übrig, meiſt Neger. Die Uebrigen wurden in den
Kämpfen getödtet, oder vom Fieber weggerafft. Der
Souverneuer ſelbſt wurde verwundet und itt ſtark
an Ficher Ein deutſches Kriegsſchiff ging angeblich
nach Süden ab, um neue Truppen zu holen da die
Entſendung einer neuen Expedition beabſichtigt iſt.

Der eugliſche General Hoslins nimmt gegentwär-
tig eine Befichtigung aller italieniſchen Kriegshäfen,
Arſenale und Werften vor. Es wird dieſe Reiſe als
Beſtaͤtigung dafür angeſehen, daß En gland dem
Dreibund beigetreten iſt.

Sn Folge der brutalen Judenausweiſungen in
Rußland beſorgt man eine Maſſeneinwanderung
in England. Lord Rothſchild verſicherte indeſſen
bei einer in dieſer Woche ſtaͤttgehabten Verſammlung
in der United Synagoge, daß die Beſorgniſſe wegen
eines ühermäßigeü Judenzufluſſes nach London über-
rieben ſeien Inzwiſchen hält der in juͤdiſchen Hän-
den hefindliche Daily Telegraph an der Anficht feit,
daß London in einigen Fahren das ungeheuerſte
Shetto der Welt werden müffe, falls die Regierung
keine Sperrmaßregeln ergreife.

Aus Valpariſs (Chile) wird gemeldet, daß aut
24. Arril ein Seegefecht zwiſchen den Inſurgen-
ten und der Regieruͤngsflotille ſtattgefunden hat Die
Toypedohyote der Regierung wurden arg beſchädigt
und flüchteten.







Deutſches Reich.

* Berlin, 5. Juni. Die Hamburger Nachrichten
bringen einen bemerkenswerthen Artifel über die aus-
wärtige Lage, in weldhem es Heißt, wahrfchein-



licher al8 ein franzöfijher Angriff fei der Verſuch
Fraulreiche den Dreibund durch eine Abſprengung





— —— — — —
für ihn werden in der Verfolgung des einzigen Bieles, das
er fich noch für diefes Erdenleben gejeßt hatte ? Wenn er
i dem Mitgefühl für die die Leiden und Bedürfniffe
Anderer zu viel überließ, tonnte daz nicht fjeinem fleinen
unter manchen Mühen und großen Entbehrungen erſparten
Schabe gefährligH werden? Aber Euklid jagte ſich doch
auch wieder. daß er nicht miüßig und theilnahmslos zujehen
dürfe. wie einer feinet Mitmenfchen unter {feinen Augen
vor Hunger und Elend gänzlich vertomme. Nein, nein,
da3 jollte nimmermehr gefhehen! Er warf eben einen
Seitenbli auf E{8beth, als dieje gerade unter den Licht-
ichein einer Laterne trat. Er meinte, in ihren halblächeln-
den Mienen den Ausdruͤck des BVertrauenz Herauszulefen,
daß unter feiner Seitung Alies gut gehen werde. So. ver-
trauen8felig zu ihm hatten ja auch feine eigenen Rinder —
bie längitgeitorbenen und jämmtlid in jelbitbeichafften
Särgen begrabenen — dreingejchaut, wenn fie, jeine Schritte
auf der Treppe vernehmend, ihnm entgegen famen. Denen
fehlte nun Nichts mehr, die waren alle gut aufgehoben im
Himmel, fammt ihrer Mutter. Diejen Himmel. {tellte er
fidh vor in feiner Art, Der himmlijde Wohnort der Sei-
nigen war ein fhmucdes Hüttihen an fonnigem Hligelab-
hang — e3 hatte ihm noch dunkel vorſchwebende Nehnlich-
feit mit der Hütte, worin er als Knabe lebte — innerhalb
ber Welt oder außerhalb derfelben, das wußte er nicht zu
jagen. Dort lebten fie traulich zujammen, unbehelligt vom
Winter und vom Hunger, frei von. jeder Sorge, auch von
ber Armen-Commiffion einmal um Unterftügung angehen
oder im Arbeitahaus Zuflucht juchen zu müfjen. Sein
Weib ſah er wieder jung, {o wie er fie al3 Maädchen ge-
fveit Hatte, die Kinder alle gefund in dem Garten {chlafend,
der die Hütte umgab. Das war Euklid’s Himmelreich und
eS ftand ihm eben wieder in voller Braͤcht vor der Seele,
als ſie bei dem Markte anlangten.

€ Harrte hereits eine große Menge vor dem noch
rerceeſſenen Gitterthore des Blages, alte Leute und halb-
wüchlige Kinder. Es war noch nicht ganz fünf Uhr und
der gelblidhe Schein ven ein paar Gaslaternen warf ein
trübes; Licht über die Scene, Die Menge hHarrte in ruhiger
Ergebung auf das Oeffnen des Thores Es waren lauter











— — — — —
Ihwächlidhe Leute die ſich bewußt waren, daß e ihr.
Kräfte und ihre Stimmen für die noch kommende Tages
arbeit zu Yathe balten mußten. Alt und Sung, Groß und
Feinen reihten fich, wie fie Kamen, fo nahe dem Thore,
als cS eben ging, binter einander, und {o thaͤten auch
Cutlid und Elsbeth. Die ärmiten der ehrbaren Armen
kommen hier zujammen, Ddiejenigen, Ddie gern fich vlagen
wollen, um felbjtthätig des Leben8 Unterhalt zu gewinnen
und ſich das Arbeitshaus vom Leibe zu hHalten.

Mit derfelben Ihweigjamen Stille, in weldher ſie des
Augenblids gewartet Hatter, drängten ſich Alle, fobald das
Thor. geöffnet wurde, auf den Marktplas hindurch. Euklid
war bejorgter, ein jchönes Bartiehen Krefje für Elsbeth
zu befommen, al3 für fich; er ging von Haufen zu Haufen
und prüfte die grünen Blätthen, ob fte nicht ein paar gelbe
Flecken hätten. Die Berfäufer bemerkten ihm: er jei heute
ja noch wählerifcher als fonjt. Sobald der Handel abge-
ihlofien war, drängte er El8beth hinweg auf die Treppe
einer nahegelegenen Rirche, wo.er fie untertwies, wie man
die Bündelchen für den Berkauf zurechtmache. Dann hing
er ihr das aͤlte Theebrett mit einer Schnur um den Hats.

Lun peitts den Wugen die Kolt geben,“ fagte er
„Sin VBogel, der aufpaßt, fAndet aucH fein Würmehen. Die
geringen Leute verzehren ihr Zrühjtüc zeitig, da gilt’8 bei
der. Hand fein. In den vornehmen Straßen brauchft Dur
Deine Zeit gar nicht zu verlieren, E{3beth. Du mußt
Dich_auf die Meinen Pläßdhen werfen, auf Sadgaffen und
die Straßen, wo jonft geringe Leute wohnen. Unjere Rın
den find die Arbeiter. Wenn die reichen Leute erft auf-
iteben, dann müffen wix unfjer Heſchoft Ihon bald gemadht .
haben; im Uebrigen nehmen dieje zum Frühjtüc au feine
Krefie, fondern Schinfen und Eier und andere warme
Sadhen. Die Sacgaffe und Höfe empfehle ih Dir ganz
befonders, Geh’ Iangjam, Halb {o fhnell, alz man fonit
— Halt die Augen auf den Thüren und Fenftern, da-
mit Dir Niemand entgeht, der DichH etwa hHerbeiwinfen
möchte.

Gortſetzung folgt)


 
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