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Pfälzer Bote für Stadt und Land (26) — 1891

DOI Kapitel:
Nr. 151 - Nr. 160 (8. Juli - 18. Juli)
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https://doi.org/10.11588/diglit.44149#0637

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gra
igereicht
ſſen die
Beding-
egen.
1891.
amt.







— Kr —
Lerantwortlicher Nedatteur:
Luliut dteer in deidelberg














Veſtellnugen

@f den „Bfälzer voten⸗ fur


— ——

FL Der Brozeß Banre

regt immer mehn die allgemeine Aufmerkſamkeit,
8* auch die Behandlung, die er ſeitens der Staats-
— erfährt, großes Befremden erzeugen muß.
4 wird ſich erinnern, daß gleich im Anfange die
S weituͤng Aurffehen machte: der Staatzanwalt . GHr.
* meyer habe in ganz unherkömmlicher Weiſe er-
\t, gravirende Momente jeien bieher keine gegen
Prnl Baare gefunden woͤrden Dieje Nachricht
pa Oten die Dem AngeMlagten naheftehHenden Blätter,
SDOr die Unterfiuchung acht Tage gedauert hHatte.
© Tam aber Herr Sandmeyer dazu, dieſe für Herrn
Sate günftige Eröffnung:zu pupliciten? Ein ſoͤlches
*fahren ift anormal und Läßtgewiffe Bermuthungen
5 Die auf dieſe Weife hegründeten Eindruͤcke wer-
* aber noch ſehr bedenklich durch nachſtehende Um-
aͤnde vertieft.
&3 murde ſchon ſehr oft in der ganzen deutſchen
84* auf die auffallende Lieenz hingewieſen, die von
—* der Staalsauwaltſchaft dem Hrn. Baare geſtat-
de . In Hundert von anderen Fällen in welchen
5 MNeſchuldigte auch nicht nur annaͤhernd, oder
olut nicht, auf den Gang der Unterfuchung einztı-
m‘r&“_bermod}te‚ wurde diẽ Untexſuchungshaft ange-
** während ſie für Herrn Baare nicht zu eri-
en {cheint, obgleich, wie bereits nachgewiejen ift,
ON Verſuche gemacht wurden, ſie zu veeinfluſſen.
‘ 16 ebenfalls gleich im Anfange, des Prozeſſes auf-
i““d)enbe Nachricht, . die Unterſuchung ſei eingeſtellt,
aufden Privatſekretär dez Hr.n Baare
eotgefuort worden! Ferner iſt bekannt,
die Zeuͤgel gegen Baare bis ſetzt noch nicht be-
Wigt mwurden. Was nun:aber gar die doch,mehr
nöthige
ſo ſcheint ſie

A Charakter angenommen zu haben, der nicht län-

Im Kampf unt's Daſein.
Q‘ääblung nach Hesba Stretton von H. v. Remagen.
2 (Naͤchoruck verboten.)

Dem Tone ihrer Stimme gegenüber fühlte er fich völlig
\g?“‘“ü‘htiu- * Heine EI8’, die er ‚Jo,geliebt Hatte, anf
7 © 10 {tofz gewejen waͤr die eigene Schweiter jolte ihn

> Bolizei überliefern. *

„E[Sbeth,“ {töhnte er, ich bin's, der Dadvid.”
des Nter einem wilden Schreckensſchrei fielen die Axme
6 WMödchenz vonden Schultern dez Diebes, herunter ;
eine Janf e3 {elber zu Boden, vor David’s Fiüße, wie von
Ho ı tÖdtlichen Streiche getroffen. Abermwenn David auch
Hätte {liehen wolen, — jebt, war’s zu {pät; Dder zU-
M £derit eingetretene Bolizift ergriff ihn bereitz am Arme








aubitoct.
ig „BWenn Shr. einen Mord verhüten wollt,
* die Treppe Hinauf!‘ ricf. David den Schubleuten zu.
307 braucht mich ja nicht 103 zu lafjen; aber um ®ottes
\Wen, verliert.feinen Augenblick !“ 2
ur men He noch zur vechten Zeit, oder jhon zu fpät?
m};[‘b lag regung8I03 auf dem Boͤden, das Gejicht und die
en Haare mit Blut, befledt;
maa ran Sinnet kniete neben Eutlid; fie rief ihm zu: er
epe einen Saut von fich geben, zum Zeichen, daß er noch
o &, Dder nur die Augen auffchlagen. > Daz Fenfter ſtand
gen n ID fie8 auf den Weg hin, den der fNüchtige Räuber
iof‘wmmen hatte. Der Eine von den Poliziſten machte ſich
Drt_auf die Suche nach ihm. Der Zweite, welcher Dayıd
100 Tosfafien durfte, jah zu, mwie Frau Linnet. fich. vergeb-
en erwundelen vom Boden aufzuheben und
in‘ebe_r in jeinm Bett zurüczubringen. Das ganze Zimmer
' Teiner völligen Unordnung ließ erkennen, wie heftis der
mph gewejen wer der hier ausgefochten wurde.
boerd bin David Zell,“ ſagte der Verhaftete mit kläg-
— „Ich Bab’ nicht gewußt, daß e der alte
4 (id fei, den wir beftehlen wollten. Ih Hätte mir lieher
— Hand abgehauen, als das gethan. Legt mir die
“Be zufammen, — i will {tiN halten; nur ſeht zu, nb

dann eilt

Mühte, den








ger von dem Juſtizminiſterium unbeachtet gelaſſen
werden kann. Wenn wir lejen, daß die Staatsan-
waltſchaft auf die von dem Vertheidiger des Herrn
Fusangel Herrn Rechtsanwalt Kohn, unterbkeitete
Angabe in Bezug der Verwahrungsorte von faͤlſchen
Stempeln e& unt erließ, fich inihren Beſitz
zu ſetzen und hierdurch dem Angeſchuldigten Zeit
gewährte, jene corpus gelicti verſchwinden zu laffen,
ſo erzeugt eine ſolche Praris“ wenigſtens den Schein,
als ſei e& der Unterjuchung garı nicdht darum zu
thun, „Belaſtungs- Momente“ zu ſammeln.

Wir können im Jutereſſe der nothwendigen Be-
richtigung der öffentlichen Meinung, welche ſich hier
in bedenklicher Weiſe der ſozialdemokratiſchen Nuban-
wendung anzuſchließen beginut, nur dringend bitten,
ohne jede Rückſicht die Unterſuchung weiter zu führen
und nicht der Annahme Raum zu Zewaͤhren daß es
in erſter Linie von Belang ſei: wer eines Betruͤges
und einer Fäͤlſchung angellagt würde. Vor Allem
darf aber gefordert werden, deß Herr Baare, zumal
er ſchon verſucht hat, auf die Unterſuchung einzuwir-
fen, der Unterſuchungshaft unterzogen wird. Eben
leſen wir in den Blättern: „Bei Juſtizminiſter v.
Schelling iſt unter Bezugnahme auf den Bochumer
Prozeß eine Petition aus Leipzig eingegangen, in der
derſelbe erſucht wird, die Unterfuchung in andere
Hände zu legen, als in die des Staatsanwaltes Sand-
meyer.“ Wir ſehen hieraus, daß man an anderen
Orten die Sache womöglich noch weit ernſter anſteht.
Was noch die ſehr 8 Unterlaſſung der Be-
ſchaffung von Belaſtungsmomenten betrifft ſo laſſen
wir die diesbezügliche Stelle aus der Weſtfäliſchen
Volksztg folgen. Sie lautet:

„Am 4, Juni, Morgens 9 Uhr, hat unſer Ver-
tHeidiger, Rechtsanwalt Kohn, dem Erſten Staats-
anwalt Schlütter und dem Staatzanwalt Sandmeyer
in Eſſen mündlich Anzeige von den auf dem /Bo-
chumer Verein vorgekommenen Betrügereien erſtattet.
Er hat den Herren genau angegeben, in welcher
Werkſtätte die falſchen Stempel angefertigt und
aufbewahrt würden und einen ortskundigen Führer
beſtellt, damit auf dem „Bochumer Yerein“ ſofort eine
Hausſuchung vorgenommen werde. Leider hat die kal.
Staatsanwaltſchaft ſich hierauf nicht eingelaſſen.
Die von uns verlangte Hausſuchung hat nicht
ſtattgefunden, und die auf dem „Bochumer
VBerein“ aufbewahrten falſchen Stempel ſind natür-
lich ſofort nach dem Bekanutwerden unſerer Be-
ſchuldigungen in den Schmelztiegel gewandert. Hätte
die kal. Staatsanwaltſchaft unſerer wohlüberlegten

der alte Mann noch am Leben oder ſchon todt iſt!“

Vein, Bürſchchen. ich muß Dich erſt in ſicherem Ge-
wabrſam haben,” verſetzte ſchlau der Poliziſt Wir kennen
eure Kniffe und Schliche, Komm’ hühſch mit! Ich werde
Beiſtand ſchicken, ſo ſchnell wie möglich.“

Flabeth bockte auf dem Boden unten an der Treppe
und kam erft nach und noch wieder zur Beſinnung David
kand einen Augenplic ſtill bei ihr, als er bei dem Scheine
der Latexne des Poliziſten ihrer vom Schrecken bleichen
Züge anſichtia wurde —

Es iſt meine Schweiter,” ſagte David mit derſelben
fläglicben Stimme. Els, ich Hätte mich lieber in der
Themſe erfäuft, als daß ich Dir ſo in den Weg gekoͤmmen
wäre, wenn ich es gewußt hHätte.‘“ . .

E13beth barg ihr SGeficht in beide Hände. Sie Ihau-
derte vor dem, was fiein dieſer Nacht haͤtte erleben müffen.
Mit ineinander gekrallten Fingern und zuckenden Lippen
lauſchte ſie dann den in der Ferne verhallenden Fußtxiiten
David's. Endlich löſte ſich ihr Leid in einem heftigen
Thränenſtrom. *

Wer trägt die Schuld?

Als Slöbeth einige Minuten ſpäter, von der Angſt,
wie oben die Dinge {tänden, getriehen ſich mit Aufgebot
allex ihrer Kräfte die Trepve hinaufgeſchteppt Hatte, fand
ſie den alten Euklid noch immer auf dem Boden liegen und
Hran Linnet neben ihm knieen. Die Laterne des behufs
der Verfolaung Blatckett's zuerſt weagegangenen Schutz-
manneS ſtand auf dem Kaminſimſe und beleuchtete die
ſchmerzliche Szene. Den vereinten Kräften gelang es nun,
den bewußtloſen und reaungsloſen alten Mann aufs Bett
zu bringen. Dann eilte Elsbeth zum zweiten Male aus
dem Hauje, diesmal, um ärztliche Hülfe zu ſuchen

Als ſie zurückkehrte, war, ſeitens der Polizeiſtation ge-
ſchickt, eine Frau zum Beiſtand gefommen. Ein neuer Be-
amter war damit beſchaftiat. Der Axzt welcher hald darguf
eintraf, erflärte nach kurzer Unterjuchung der Wunden Eu-
flid’S, LaB er eine an ſich tödtliche Verletzung nicht finde:
über den Ausgang laſſe ſich freilich noch kein ſicheres Ur-
theil abgeben; der Mann ſei beiahrt und der Ueberfall









‚ ; Knzeige=Blatt für die: Autsbezirle Heidelberg, _
— Weinheini, Schwebingen, Philippsı

* ' igl —⏑——
z Ibabutfi,mfbar‚ßünm „ T-Bif ’ofgb_‘ —



und gutbegründeten Forderung entſprochen, ſo haͤtte
ſie die falſchen Stempel jetzt nach Dützeuden . im
Beſitze. ; —

Wir müſſen fexner auf die Nachricht verweifen,
daß bereits Verſuche gemacht worden ſeien, auf den
Hauptbelaſtungszeugen Herrn Graveur Faͤnſſen ein-
Awirken. Ihm würde nahegelegt, /doch nicht für den
Fusangel zu zeugen, ſondern lieber ein ſchoͤnes Stuͤck
zu nehmen und nach Amerika auszuwaͤndern“

Daß man es nicht mit einem gewoͤhnlichen Pro-
zeſſe zu thun hat/ liegt auf der Hand Der Beſchut
digte iſt ein Millignat, er hat weitverzweigte Ver-
bindungen, er verfügt über große Seldmittel .1t. befigt
Beziehungen zu heſtimniten ſozialen Kreiſen, Dderen
Einflüſſe zumal in der heutigen Zeit ſehr belangreich
ſind. Nichts wäre aber gerade in der heutigen Zeit
verhängnißvoller, nichts würde ſo die deftrukiiben
Strömungen anſchwellen laſſen, als wenn ſich in der
offentlichen Meinung die Anſicht befeſtigen würde,
daß die Waage der Gejege nicht-e in erle i Gewichte
beſitze, uxd daß die Schuld eines reichen und aͤnge-
ſehenen Mannes minder ſchwer wiege, als die eines
armen und einflußloſen Sehr auffallend iſt auch,
daß die „ Baare=Preffe“ noch nicht die Frage befriedig-
end heantworten konnte wozu denn die nachgemach-
ten Stempel auf den Bochuniex Werken benilzt wor-
den ſind, wenn nicht zu unrechten Diugeu.

Von dieſem Prozeſſe abgeſehen, haben wir noch
Inen anderen im Auge, bei welchem hinſichtlich det
Verſchleppung des Verfahrens und der entſchiedenen
Begünſtigung des Angeklaͤgten bereits ſchon flark ge-
fehlt wurde Wir haben Heweiſe darübet, mit welch-
er „Nachſicht! man Belaſtungen behandelte, . wo
man ihnen abſolut nicht aus dem Wege gehen
fonnte und wie die ganze Unterſuchung mit einer ſehr
auffallenden„Freundlichkeit für den Angeſchuldioͤten
betrichen worden iſt. Wir warten nur den Ausgang
des Prozeſſes ab und werden ihn alsdann von dem!
ſelben hervorragenden Juriſten revidiren laſſen, der
ſeiner Zeit das Gutachten über den damals noch
ſchwebenden Prozeß! Geffcken, ahgab, und worauf
kurze Zeit darnach Geheimrath Geffcken aus der Unter-
ſuchungshaft entlaſſen und das Sirafverfahren gegen
ihn eingeſtellt wurde.

Wenn bei den Unterſuchungen und Erhebungen
Gunſt und Ungunſt Einfluß gewinnen, ſo gehören
derartige Vorkommniſſe unnachſichtlich vor die Seffent-
lichkeit, und iſt Jeder verpflichtet, ſein Möglichſtes zu
thun um die ſchuldigen Perſonen der Verantwoͤrtung
zu überliefern.









Drus/ Verlahu expebition von Geyr. guuer
in beidelberg, Zwingerſtrake 7.









habe ſeine Sebensfräfte ſichexlich ſtark erſchütterl. der Puls
jei lebr ſckwach; man müffe. apwarten was {tärfende
Brühen und die Ruhe noch vermoͤchten

Der Vorgen hrach an und den ganzen Tag wurde
das Häuschenz nicht leer von Bolizeideamten, die kamen
und ainaen Sie machten ſich Rotizen über die Oertlich-
Feiten und fraaten bald dies, bald das. David weigerle
ſich ſeinen Witſchuldigen zu nennen, und jo blieb, — Db-
aleich man Blackett ſoforf als höchſt verdächtig‘“ feitge-
nommen hatte, keine andere Hoffnung, ais aus Euklid’3
eigenem Munde zu erfahren, wer ihn ſo zugerichtet hHabe.
Deshalb wachte ein Schutzmann an feinem Lager, um den
erſten Moment, in welchem Euklid fähig werde, ſich zu be-
finnen und auszuſprechen wahrzunehmen und ihn darüber
zu befragen. {

- So kam die Nacht wieder. Elsbeth wollte von Eu-
Eid’3 Lager nicht weichen und drang darauf, daß Frau
Innet ſich de nöthige Ruhe gönne. Es verrann ihr
Stunde auf Stunde ſchlaflos in einer Art von Betäubung
vor lauter Sorge. Konnte es denn wahr fein, daß David
ſich einer ſolchen grauenhaften, verruchten That: der tödt-
lichen Mighandlung eines ihm ſo wohlgefinnten Mannes,
noch dazu eines wehrloſen Greiſes ſchuldig machte? Und
wenn nun Cuflid wirklich {tarb, {o war David, ihr Bru-
der ein Moͤrder ! Weldhe Strafe mußteihn dann treffen? !
So oft fie auch die Folgenxeihe von böſen Gedanken ab-
wehrte, fie kanen immer wieder. —

„S[3beth,“ lijpelte da auf einmal eine ſchwache, kaum
vernehmbare Stimme neben ihr in dem todtenſtilen Zim-
mer. Elzheth, e8 iſt unſer David gewefjen.“

„s3a, i weiß; leider !” verjebte fie, ſich zu Euklid's
Ohr herabneigend. Die Worte: . „C3 ift unjer David ge-
wejen,” waren ihr mit Schwertes ſchärfe durch daͤs ſchwe-
ſterliche Herz gegangen.

„Er hat ich wacker für mich gegen Blackett gewehrt,
fuhr Suflid fort. Ihm bah ich zu danken daß ich noch
lebe; der Blackett würde mich ermordet haben“

(Fortſetzung folgt.)


 
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