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Pfälzer Bote für Stadt und Land (26) — 1891

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Nr. 191 - Nr. 200 (25. August - 4. September)
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; ragtich vu Ausnahme ver Sonn- und Feiertage.
— —— * Preis * *
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Verantwortlicher Redalteur:










Beftellungen


Eeptember werden ſchon jebt bei fämmtlihen Poſt-
anftalten, bei unſeren Trägerinnen, ſowie in anſerer
Erpedition Heidelberg, Zwingerſtraße 7 entgegen-
genommen. }
Verlag des „Pfälzer Bote.“

G —
Nſſiſche Zuſtime.

Ueberaus traurig lauten neuerdings die Berichte
Iber den Nothitand, der in einem groͤßen Theile des
Mneren und füdlichen Rußlands ausgebrochen ſein
und den Anlaß des Roghenfuhrverboͤts verankaßt
Yaben {oll. MWeite Volfskreije nagen am Hungertuche
Ind der Geſanuntumfang des Elends laffe ſich noch
gar nicht überſehen Es werden Schilderungen ruf-
ſicher Blätter veröffentlicht, die allerdings trübe genug
Aten, Da aber in Rußland die Preffe geknechtet ift
und im Allgemeinen den kuſſiſchen Blättern von Haus
Wein beſonderes Vertrauen nicht entgegengebracht






Ichilderungẽn wahr iſt und was nicht. Das Roggen-
sfuhrverbot iſt und bleibt unter allen Umftänden
Ane Maßregel, deren Spitze in erſter Linie gegen
Deutjchland fich richtet, und es fehlt noch immer der

weis, daß dieſes Verbot unbedingt nothwendig
nd Lediglich durch die Noth im eigenen Lande
geboten war.

Sollte aber die Noth im Junern Rußlands wirk-
ich o groß ſein, als ſie geſchildert wird, dann um
o chlimmer für uns. Denn dann entſteht die Ge-
lühr, daß die dumpfe Unzufriedenheit im
ÖNnern Rußlandseinen ſo heftigen Cha-

üfter annimmt, daß fie die ruffeſche Re-
Slerung antreibt, um jeden Preis einen
Derzweifelten Kriegzu führen. Wir wiſſen,
Welche Truppenmaſſen Rußland an ſeiner Weſtgrenze
ANgeHäuft hat und wie Diejfe zum größten Theile
UegSbereit ausgerüſteten Truppen nur auf das Com-
Mando lauern, um mit ſlawiſtiſcher Zerſtörungswuth
1 Grenzen zu überſchreiten. Schreien wirklich die

ern im Innern Rußlands nach Brod, nun dann


iſchen Weftgrenze, in deuen ungeheure Kornvor-
Täthe aufgeſpeichert'ſind, öffnen und die zu Hundert-

Das Gebeimmiß der Greokin.

0 gon Beruhard DerozZne. — (Machdrud verb.)
Autoriſirte freie Ueberſetzung von Philipp Freidant)

j Yrthur Sutherland verwünſchte die dunkeln Locken, die
Augen, die von der Sonne gebräunte Haut und
Srauen einer füdlihen Zone, ließ Jih in-
ien durch den Anblik der Creolin niht im Mindejten
der daffung bringen Die funkelnden Edeifteine. weſche
Dn geltern {o jehr auffielen, gligerten nicht mehr zwijchen
p ebenholzfarbigen Wellen ihHrer Loden; an ihrer Stelle
efanden fich einige feurigrothe SGeranien, deren Farbe die
S‚B“.O‚Im beſonders zu lieben fchien. Frau Sutherland und
waren nebſt Herrn Kogan ebenfalls anweſend.
CTEitS an dem Frühftückstijdh ſizend beobachtete er feine
gerade ſo eiferſüchtia wie den Abend vorher. Kaum
ülten alle Anwejenden Pla genommen, als ein junges
M en eintrat; bei ihrem Anblicke erhoben ſich Arthur
100 Tbilipp Sutherland, indem fie ihrer Meberrajchung
b‘iten Ausdruck gaben. Es fand ein Austauſch von Hände-
/ädfen ftatt, und die junge Dame wurde hHerzlih mit ihrem
m inamen begrüßt und angeredet. DazZ junge Mädchen
en 00 gewachfen, blaß und fOhmächtig, bejaß blonde
Dlaue Augen und eine unverfennbare Jamilienähn-
u‘%felf mit der Familie Sutherland. Es trug Halbtrauer
4 ien vier oder fünf Jahre älter als Auguſta und Eve-
4 3U fein, „Du viſt e3, Lucy,“ rief Arthur aus. „Welche
e Arajchung! Sch wußte nichts davon, daß Du hier
Ül ; meine Mutter jagte kein Wort davon.“

* Such Sutherland — ſie war die Coußne der beiden
jaroen Seute und wo möglih doch ärmer als Rhilipp —
ya Taum mertlich die Angen auf, indem fie an der Tafel
onn 5 nahm. Ruhig fagte jie: „Weshalb macht Ihr ihr
8 kner ſo unwichtigen Sache ſoiches Aufheben? Arthur
b Delte; die Antwort jchien ihn vielleicht eigenthümlich zu
len,. „Warum biſt Du-geftern nicht herunter gefom-
befibt frug er beharrlich. „Weil fie ihren eigenen Kopf
{ ßt‚' erwiederte ſeine Mutter, „Sie iſt ſo wenig gefell-
aftiich veranlagt wie eine Wilde. oͤch habe ihr bereitz













für Stadt







tauſenden herumliegenden Soldaten zerſtreuen. Weder
Deutſchland noch Oeſterreich werden Rußland an-
greifen, ſo aber bilden die ruſſiſchen Truppenaufhäuf-
ungen an der Grenze mitten im Frieden eine fort-
währende Quelle der Beunruhigung.

Von volkswirthſchaftlichen Autoritäten iſt ſchon
ſeit langem dargelegt woͤrden, daß der ganze ruſſiſche
Bauernſtand in einem unaufhaltſamen Kückgange be-
griffen iſt und völliger Verarmung entgegen geht.
Rußland ſchreitet eben immer mehr der hänzlichen
Auflöſung der alten patriarchaliſchen wirthſchaftlichen
Verhältniſſe in Stadt und Land und dem Siege des
kapitaliſtiſchen Wirthſchaftsſyſtems entgegen. Zu dieſer
Aufloͤſung der alten Wirthſchaftsforin kommen noch
die finanziellen Wirren Gie letzie ruſſiſche Anleihe iſt
bekanntlich nicht zu Stande gekommen) die Unorduung
in allen Zweigen der Verwaltung, einſchließlich der
des Heeres. Die Regierung aber unterdrückt in dem
weiten Innern jede naͤtionale und religiöſe Beſonder-
heit: Deutſche, Polen und Finnen, Kalholiken, Luthe-
raner und Juden fühlen die ſchwere und grauſame
Hand der Regierung, die Alles in die ruſſiſche und
rechtgläubige Schablone preſſen will. Die Freiheit
der Sprache, des Unterrichts wie des Gewiſſens wird
in gleicher Weiſe mißachtet.

Langſam weicht überall das Europäiſche dem Mon-
goliſchen Dem Volk aber wird von den Panſlaviſten
vorgepredigt, daß Rußland auf der Berliner Conferenz
bitteres Unrecht geſchehen ſei, namentlich von den
Deutſchen, die in Rußland ohnehin verhaßt ſind, weil
man ihnen die gewonnenen höheren Poſitionen nicht
gönnt und man ſich von ihnen in jeder Weiſe über-
vortheilt glaubt. Da außerdem der ruſſiſche Jude
das Deutſche ſeine Mutterſprache nennt, ſo macht der
ruſſiſche Bauer zwiſchen Deutſchen und Juden keinen
Unterſchied. Aus Anlaß der letzten Kronſtädter Feſt-
lichkeiten iſt der Deutſchenhaß im ruſſiſchen Volke
wiederholt in kraſſeſter Weiſe zu Tage getreten. Wenn
die ruſſiſche Regierung jetzt einen Vorſtoß nach Außen
machen ſollte, um der inneren Schwierigkeiten zu ent-
gehen, ſo dürfte ſie das verhetzte, phyſiſch, moraliſch
und wirthſchaftlich geknutete ruſſiſche Volk dafür in
der richtigen Stimmuͤng finden.

Und noch Eins. Es dürfte nicht allgemein be-
kannt ſein, daß im Jahre 1885 die ruſſiſche Regier-
ung amtlich erklärt hat, daß die orientaliſche Kirche
ihrer Gewalt entſagt und ſie in die Hände des Zaren
niedergelegt hat. Kein Widerſpruch aus den Reihen
der europäiſchen Biſchöfe, des orthodoxen Klerus iſt
laut geworden bei dieſer Kundmachung, welche den

empfohlen, mit Robinſon Cruſos auf ſeiner Inſel zu leben
oder eine Nonne zu werden.“

Luch antwortete nicht; das Schweigen iſt eine ihrer
bejonderen Eigenthümlichkeiten, dachte Arthur; als Erſatz
dafür ſchwatzten Augufta und Eveline wie die Elftern.
Man blieb an dieſem Morgen ſehr lange beim Frühitück;
die iungen Madchen begaben ſich endlich in den Salon:
Edeline und Auauſta, um ein neues Duett einzuſtudieten:
Luey, um ſich an das Fenſter zu ſetzen. wo fie mit Eifer
an einer der fchwierigiten Stickereien arbeitete. Philipp
hatte in der Nähe des Nianos Platz genommen, während
dex „Dragoner“, wie Erſtexer den reichen Cubaner nannte,
ſich in die Bihliotbek zuxiſckaezogen haͤtte, um Briefe zu
ſchreiben Arthur ſetzte ſich zu feiner Couſine Lucy, mit
welcher er ſich zu unterhalten und zu oleicher Zeit unbe-
achtet die am Viano ſigende weibgekleidete Sylphide zu be-
obacten aedachte. Welch' wunderbare Fingerfertigkeit!
Wie leicht die ſchlanken Finger dieſer Kinderhände über die
glänzenden Taſten liefen und welche auffallende Machl be-
jaß dieſe kleine hräuuliche Zauberin! Explauderte mit Luch,
welche ohne Unterlaß an ihrer feinen Stickerei arbeitete in-
dem er der Wuſit zuhöxte und ernſtlich über die Gefahr
nachdachte die ihm droyte, wenn er ſich dem Zaubex der
Heinen Creolin noch weiter hingehe, ohne ſich feinem New-
Horker Ideal vorher erklärt zu hHaben. „Wie lange xer-
weilſt Du ſchon in Mtaphwood, Lucy?“ frug er. „Seit
dem Tode meines Vaters ſeit fünf Mongten allo,” an-
wortete mit feſter und ernſter Stimme das junge Wädchen.


bat mich, hiex zu pleiben; ich bieihe nur ſo lauͤge hier als
ich mich im Haushalt nützlich machen kann.“

Arthur ſah ſie lächelnd an. „Stolze Luch, Du bift,
wie ich ſehe. dieſelhe gebliehen. Ich bin aber ſehr froh,
daß Du hiex bift, Du darfſt uns niemals verlaſſen, aus-
genommen den Zall, daß Du Dich verheirathen ſollteſt-
Auf den blaſſen Wangen Luey Sutherland3 bildeten ſich
bei dieſen warmen Worten ihres Betters zwei große rothe
Hleden, welche nur lanaſam vexſchwanden Sie erwiederte
lein Wort, erbob auch nicht ihre Augen und ſetzte ihre
kunſtvolle Stickerei eifrig fort. „Du warſt natürlich ſchon











Breiten, Nedargemänd, Mosbach,
; mß,d;m‚ßaflbäm,z.ßi{éofmßmf)em







— Verlag ı. Expeditlon von Gebr. —
in SHeidelberg, Zwingerſtraße 7.









Zaren von Rußland zum oberſten und alleiuigen
Wächter und Definitor der Glaubenswahrheiten, zum
oberſten und alleinigen Geſetzgeber und Richter der
Moral erklärte. So iſt das Verhaͤltniß der Hierarchie
zur Regierung Und nun erſt die traurigen moral-


orthodoxen Seelſorgegeiſtlichkeit. Ungelehrt und mur


milienſorgen belaſtet, ſind %e gezwungen, vor Alem
für das tägliche Brod der Ihrigen zů ſorgen.

Und ſo wird denn ihre Zeit naͤch Erledigung der un-
dermeidlichſten kirchlichen Arbeiten nicht der Seelſorge,
dem Studium, dem Gebete, der Belehrung und Erbauung
des Volkes, ſondern der Arbeit in Feld und Haus, ſowie
dem verhältnißmäßig eintraͤglichen Exocriſiren Teufel-
austreibungem gewidmet. Naͤch jeder Teufelaustreibung
aus einer Scheune oder einem Stalle erfordert die
Landesſitte den Genuß des vom Beſitzer des erocri-
ſirten Lokales angebotenen Branntweins, und ſo kehrt
der arme Pope oft ſchon am Mittag betrunken zır
ſeiner Familie zurück Kann man unier ſolchen Um-
ſtänden ſtaunen. daß gerade die Söhne und Töchter
der Popen das größte Contingent zum Heere des
Nihilismus geſtellt haben?

Und diefes Rußland, ſagt mit Recht die
. Ztg, vor dem die Franzofen in revauchewüthiger
Verblendung im Staube liegen, glaubt die Miſ-
ſion zu haben, den „verfaulten Weſten“
nie derzuwerfen, glaubt gleich Amerika
ſich wirthſchaftlich vollſtäadigabſperren
und ſich ſelbſt genügen zu können, trotz der ſozialen
Zerrüttung im Innern des großen Reiches. In der
That, das Ende des Jahrhunderts fördert merkwürd-
ige Erſcheinungen zu Tage. Für uns aber gilt es,
die Vorhänge im denachdarten Mongolenreich genau
4 damit wir vor Ueberraſchungen geſichert

eiben.



Deutſches Reich.

* Berlin, 24. Auguſt. In Sachen der N a Lio-
naldenfmals-Concurrenz kann die K. 3. nach
authentiſcher Quelle beſtätigen, daß alle vier Künſtler
außer dem Preis von 4000 noch je 12,000 M. aus
dem Preisfonds erhalten Dagegen iſt über die Wahl
des ausführenden Denkmalsentwurfes noch keinerlei

Beſchluß gefaßt.

* Merjeburg, 24. Aug. Die Ankunft des
Kaiſerpaares erfolgte Puͤnkt 3 Uhr. Der Em-
pfang war ein enthuſiaſtiſcher. Bei der Fahrt des
Kaiſers vom Bahnhof gingen die Pferde des Land-

Hier,“ frug Arthur, · als Herr und Fräulein Rogan bier
eingetroffen find ?” — „Fa.” — „Was hHältjt Du von Fräu-
lein Kogan ?" — „Nıur SGutes.” — „Mir jcheint, wie i
zus Deinem Ton entnehme, daß Du ſie Feinesiwegs Liebit.”
Lucy. Sutherland blidte auf, um ihre Nadel einzufädeln
und ſagte ruhig: „Warum ſoll ich das junge Mädchen nicht
gern baben? Sott weiß es allein, fjagte leife Arthur,
„aber ich habe, die innere Üeberzeugung, daß Du fie nicht
liebſt. — „Ih habe bis jetzt ſehr wenig Gelegenheit ge-
haht. Fraͤulein Rogan zu jehen,“ erwiederte Lucy ettwas
Kalt; „denn ich bin ja immer ſo ſehr befchäftigt. Ich wüßte
überhaupt nicht, weshalb Fräulein Rogan ſich befonders
um mid) ſoraen {ollte, Seibſt wenn wir uns in der glei-
en geſellſbaftlichen Stellung befänden, würden wir unz,




Beziebungen auch eine ganz verſchiedene Lebensauffaffung
beſitzen. gar nicht zuſammenfinden wollen. Fräuleın Rogan
hat laum jemals an mich gedacht, und es dürfte ihr jeden-
fals ſehx gleichaültig fein, ob ichfie gern habe oder nicht.“
— Da Keht man wieder den Stolz aller Sutherlands,“
bemerkte Arthur lächeind. „Wie kannſt Du von einer der-
ichiedenen aeſelſcaftlichen Stelung ſprechen? Biſt Du nicht
Dur Geburt, Familie und Erziehung FJräulein Kogan
vollitändig aleichgeſtellt? Es fehlen Dir alerdings die
Nillionen ihres Großvater8; von diejem Standpunkte aus
konnte man auf uns allerdinas herabjehen; denn wenn
diefeS große VBermögen wirklich vorhanden wäre, würde es
hinrreichen, alle Sutherlands der Welt auszukaufen?

Hier wurde die Unterredung geſtört. Fra Sutherland
£heilte ihxem Sohne mit, daß im Salon Befuch auf ihn
varte Die Gäſte des verflojfenen Abends hatten nämlich
dos Gerücht, ſeiner Ankunft verbreitet und jeine alten
Zreunde verloren keine Zeit ihn aufzujuchen. „Herr Synot
wünſcht Sie zu ſprechen. Bhilipp,“ faate Frau Sutherland z
„Sie werden wohl die Güte haben ihn zu empfangen, ob-
wohl es Ihnen vielleidht angenehmer wäre, den jungen
Damen hier die Noten umzudrehen . .. .. —— 4
Zeufel führt Synot hierher,“ murmelte Bhilipp; „ich wollte,
er läge unter den Mauern von Fericho begraben.“

(Sortfekung folgt)


 
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