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Pfälzer Bote für Stadt und Land (26) — 1891

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Nr. 161 - Nr. 170 (19. Juli - 30. Juli)
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https://doi.org/10.11588/diglit.44149#0681

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2* ritt Lutnahiue der Sonn⸗ und e.

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— — erfiraße 7






Ledatteur:


Beſtellungen

den „Pfälzer Boten“. für die Monate


Üchen Poſtanſtalten, bei unſeren Trägerinnen, ſowie in
Önlerer Expebition. Geidelberg, dwingerßraße?
entzegengendmmen. R

Verlag des „Pfälzer Vote,“

— TT

%ié‘älufunit des franzöfilchen Befhwaders vor
| kronſini.

2 * muß ſchon etwas ganz Beſonderes ſein, ſo
4 aus St. Petersburg, 23. Juli der K. Volkszta
44 was den St. Petersburger auch nur des
mittern Standes um Uhr fruͤh aus dem Bette
vermag. Ein ſo reges Leben in ſo früher
lrunde in den Straßen der ruſſiſchen Reſidenz,
denen man ſonſt um dieſe Zeit kaum einigen wen-
4 enſchen begegnet, und namentlich in dem Stadt-
4 wo ſich die Anlegeſtellen der Dampfer der
ciedenen vonund nach St. Vetersburg verkehren-
8 inien aneinanderreihen, wie es ſich heute früh
4 habe ich denn auch bis Heute noch nicht hier
55 Zu Tauſenden ſtrömte das Publikum nach
* Anlegeplägen der Kronftädter und finländiſchen
und auf dem praͤchtigen Quai der Newa
* ein beängſtigendes Gedränge. Auf der Newa
42* ſchon zahireiche buntbeflaggte Dampfer reiſe-
45 eine ganze Flottille, deren duͤnte, im Lichte der

Otgenjonne flaterude Flaggen und Wimpel. der
einen feftlichen Ton verliehen. E3 waren
— deren Befiger ſich die günſtige Ge-
eit nicht entgehen laſſen wollten, aus der Neu-
* des Publikums Capital zu ſchlagen und für
oder weniger theueres Geld — 4 bis 10 Rubel
4 Perſon das Publikum dem ankommenden fran-
Öfichen Geſchwader entgegenzubringen. Unter dieſen



AMpfern fiel durch einen bejonder® reichen Schmuck
eNige mit Der hiefigen franzöfijhen Colonie an
** beſonders auf. Auf eineni andern Dampfer
* ‚. A. die Volk ſänger⸗Capelle von Agrenew-

Wwiansty in altruffiſcher buntek Bojarentracht Platz
Erꝛrimel um die franzöſiſchen Seeleute auf offener
5 mit alterthümlichen nalional-ruſſiſchen Chorge-
46 zu begrüßen, ein Unternehmen, welches ſelbſt

© Degeiftertiten Schwärmer für alles Nationale un-








für Stadt

— -den 30. Zuli- 1091





umwunden als lächerlich bezeichneten. Alle dieſe
Dampfer ſollten, laut eigenen Ankündigungen, nur je




als Zahler an den betreffenden Kaſſen erſchienen, und
ſo herrſchte auf den Schiffen ein derartiges Gedränge,
daß von einem Vergnuͤgen auf dieſem Ausfluge nicht
die Rede ſein konntẽ.

Gegen halb 9 Uhr ſetzten ſich nun die Dampfer
der Reihe nach in Bewegung, allen voran der Rad-
dampfer mit der Slawjanskhſchen Capelle an Bord.
Waͤhrend jämmtliche andere den Weg über die freie
Seefläche wählten, ging das große Seeſchiff, an deſſen
Bord ich mich befand, wegen des bedeutenden Tief-
gauges durch den ſogen. See⸗Canal, ein durch Stein-
dämme eingeſchloſſenes, auf 22 Fuß ſtändiger Tiefe
erhaltenes Fahrwaſſer. Vier deuiſche und ein eng-
liſcher Dampfer begegneten uns im See-Canal, eln
Umiſtand, aus welchem man auf den derzeitigen Ver-
kehr im St. Petersburger Hafen ſchließen maͤg Nach
einer etwa anderthalbſtuͤndigen Fahrt verließ Jaeob-
ſtad, unſer Dampfer, den See-Canal und lief in die
Rhede von Kronſtadt ein. Rechts bewunderte man
die gewaltigen Feſtungswerke und darüber hinaus die
hier und dort aus der See inſelartig auftauchenden
„Batterieen“ ; vorn ſtiegen vor den Blicken die fin-
ſtern Unriſſe des Forts Nieolaj auf und links lagen
— ſchon in Parade-Aufſtellung — drei ruſſiſche
Kreuzer, Tſcharodejka, Aſia und Slawjanka nebſt der
prächtigen kaiſerlichen Hacht Derſchaiva vor Anker.
Auf der Aſia legten die Leute eben an die Ausſchmück-
ung eines Zeltes die letzte Hand; hier findet am 26.
Juli der Empfang der franzöſiſchen Seeleute durch
den General· Admlral Großfuͤrſten Alexej Alexandro-
witſch ſtatt.

Nun ging's eine Weile an den Feſtungsmauern
von Kronſtadt vorüber, bis das oben erwähnte Fort
Nicolaj paſſirt war. Hinter dieſem Fort beginnt
gleich die Parade⸗Aufſtellung der ruſſiſchen Schiffe,
in genau nordweſtlicher Richtung waren hier der
Reihe nach bereits aufgeſtellt: die Kreuzer Lieutenaut
Iljin, Strelok, Rynda mit dem Contre-Admiral Walicki
an Bord, Weſtnik, Najesdnik, Plaſtun; die Panzer-
Fregatten Herzog von Edindurgh mit Viee⸗Admiral








Contre⸗Admiral Laſareff an Bord, Kaiſer Nicolaj l.,
das Kanonenboot Grosjatſchij ſowie die Kreuzer Ad-
miral Spiridoff und Admiral Greigh — eine Reihe
von zwölf ſtartlichen Kriegsfahrzeugen, darunter wahre
Koloſſe, wie die beiden letztgenaͤnnten Panzer⸗Fre-



— — — — —
Belehrt unsd Zekehrt.
Erzaͤhlung von Gutmuth vom Walde.
MNachdruck verboten)

Ir f?l_tg der Abend vollendz hereinaebrochen war, hatte die
Feinen Be Anna fih zur Ruhe begeben müffen, onnte jedoch
gen ı Schlaf-finden, weil ihr Mutterherz zu feht in Sor-
im ;1%“ über ihr Kind! Der Vater und die Toͤchter ſaßen
* nnes in welches durch.-die,. geöffneten Feniter
I 21%mule Nachtluft hineinjiromte, Daz : wenige Wajjer
Stei Ühlenkanale viefelte mit fanftem Geräujche über Ddie
die m&, der fich mehr und mehr erhebende Luftzug bewegte
%aäßben ®ipfel einigex Pappeln, welche am Rande des
dernar „ ganden; ‚Zumeilen dröhnte auch der Schritt eines
nödfi“‚tt’‚ten Marktgänger2, welcher vorbeilam, „Ddurcdh, die
die l"he‚%}{ube und jedesmal meinte der Müller, e3 müßten
gin Z Britte Fofes und Heinrichs jein. Doc,.die Schritte
en in die Ferne ; die Erwarteten tamen nicht.

‘ „Satex, Dır bift jehr unzuhig,“ [prach das gute Mädchen.
i y Bie Tollte ih nicht? Grollte der Müler. „O, hälte
\nifi en Sungen doͤch .nicht gehen laͤffen ich Hätte ja faſt

JEn mülfen, daß- er im Ungehorjam zu lange ausbleibe.
iit.' b".?lßtt wollen hoffen, daß Soſẽ heute nicht ſo gottlos
fra @ mer zu betrüben, Vater !“ Ich wih den Rofen-

ünz für ihn b

9)

eten !“
— bon diefer Mindesliebe und ächter Fröm-
Sieit nahın Peter die Hand jeines Nindes und {prach :

lieb äßtßbetb‚ ich danke dem Himmel, welcher dir ein ſo
8 ‚ Outes Herz bemahrt hHat. Deine Liebe zu mir und
mmea m deine {Hille Sittjamteit, Dein veines, from-
X Gemüth find mir ein Troft in meinem Leiden welches
Derei e Dereitet, Und noch herberes Leid wird er mir
“}f‚“‚ i ahne e8 !

iich Sbeth wollte beſanftigend antworten. Da zuckte plbtz-
* n hellesS Weitterleuchten durch di Nacht und Wind
ate fich {tärfer in dem Geälte der Bäume,

xetel 03 Wird auch noch ein Belter werden,“.. bemerkte
mir . „SO weiß nicht, wie unheimlich, wie gedrückt es
don C Muthe wird.“ In diejem AUngenblide hörte man

raußen her den Tritt eines Menichen.

x





„Da kommen fie,“ jubelte Lisbeth froh erreat.

Die Thüre des Wohnzimmers that ſich auf und in der-
ſelben erſchien Heinrich, aber er allein.

Bögernd eineg Guten Abend bietend, trat Heinrich
vor. In ſeinem Weſen und Benehmen Iag der Bole einer
Trauernachricht viel zu Mar auZgehrägt, als daß Vaͤter
und Techter hätten lange in Täufjdhung bleiben Können.

Du kommſt allein ſo ſpät· Heinrich,“” ſprach Veter er-
regt. Du brinaſt mir ſicher Nachricht, dak Joſe mit der
— ‚— 0, i kann den Namen nicht ausſprechen, — tanzt
und Iuftig iſt?

Lisbeth ſchwieg zitternd vor Anaſt.

Ich komme ſpat und allein, allerdinas wegen des Zoſe,
ſonſt wäre ich ſchen vor Stunden gekommen. Doch . ev
tanzt nicht; er iſt krank⸗ A

Mein Sott, mein Gott!” ſchrie Lizbeth. „Danir ift
ein Unglüc paflitt.“ . N

Alerdings ein kleines Unglüch doch für Joſe viel-
leicht beffer, als wenn es nicht geſchehen waͤre, fagte Heinrich.

Sprachlo3 hatte Peter die Botſchaft gehört. Er war
den ganzen Taa hindurch ſo erregt gewejen in Betreff fei
nez Sohnes, der Abend haͤtte dieſe Gemüthzbewegung der-
art geſteigert, daß ihm faſt jede Nachricht willkommener
war, als der Gedanke, Joſe mit der Stadtmamſell auf
dem Tanzhoden zu wijjen. Und doch was war ſeinem
Sohne paͤſſirt? Peter ahnte ſofgrt die Sachlage.

„DHeinrich,” ſtieß er heftig heraus. „verfchweige mir
nicht3. Ich ahne, was geſchehen ift. Dem Zoſe iſt ein
Unalück pajlirt, aber nur wegen des Frauenzimmers! Sage
nur ob es ſo iſt und ſage, was es iſt.

„Nun ia, ſprach Heinxich, indem er ſich ſetzte; „eS iſt
ſo wie Du bermutheſt. Der Joſe iſt mit dem Mädel
tanzen gegangen, wetzhalb der elende Schuſter Herberger
von droben Du kennſt ihn vielleicht ihm Eins verſetzt hat.
Joce iſt leicht in der Seite verwundet. Es hätte aber viel
ſchlimmer ausfallen können.

Erihütternd wirkten dieſe Worte auf die zarte Seele
dex Ligbeth. Sie weinte unter gar bitterem Schluchzen,
inden fie keſonders an die liebe Mutter dachte.















2 , ® 2 { en, { i
— —⏑
— Wertheiun — ⏑ —



— — — 2—
in Heidelberg, Zwingerſtraße 7.












gatten. Während die einzelnen Paſſagierdampfer an
dieſen Schiffen vorbeikamen, ſpielten ihre Muſiken
die ruſſiſche National Hymne; das Publilum bequüßte“”
die Naͤnnſchaften mit Hurrah und Tücherſchwenlen
ein Gruß, der von den Seeleuten in gleichet Weije
erwidert wurde.

Mittlerweile war der Jacobſtad aus der Linie der
Schiffe herausgekommen, und nun ſteigerte fich die
Erxegung des Publikums mit jedem Augeliblick Kron!
ſtadt war ſchon ganz außer Sicht gefommen — aber
vom franzöſiſchen Geſchwader ſah man immer noch
nichts. Schließlich zeigte ſich am Horizont kurz nach
11 Uhr Vormittags etwasS, und eine Bewegung trat
darauf ein, wie ſie ſich kaum wiedergeben laͤßt? was
nur einigermaßen erklommen werden konnte wuͤrde
ohne jegliches Bedenken wegen der Gefahr im Sturm-
lauf genommen ; ſelbſt die Damen ſchonten ihre lichten
Sommer-Toiletten nicht, um nur auf einer ſchmutzigen
Strickleiter einen Kopf höher als die Naͤchbaͤrfchaͤft
zu jein. Es nöthigte mir ein Lacheln ab, daß, {o
weit ich hören. konnte, plotzlich alle Diejenigen, welche
ſo eben noch deutſch geſprochen, mit einem Mal die
deutſche Sprache in Acht und Bann thaten Ganz
in meiner Nähe ſpreizte ſich ein Franzoſe unbekanıten
Herkommens, ſeines Zeichens ein Barbier, und ſagte
zunächſt in ganz dialectfreiem Deutſch zu zwei Deut-
ſchen! Laſſen Sie die deutſche Sprache zu Hauſe,
ich rathe es Ihnen, und ſprechen Sie hier entweder
ruſſiſch oder franzöſiſch; wir wollen hier keine deutſche
Sprache hören!“ Und als einer der Deutſchen ihn
darauf fragte, ob er denn franzöſiſch rede, ſchrie er
ſchon guf franzöſiſch: Gewiß; denn ich bin Franzoſe;
ich haſſe die Deutſchen und verabſcheue ihre Sprache.
Solcher Zwiſchenfälle gab es manchen zu verzeichnen;
als mildernder Grund ſei augeführt, daß alle dieſe
Ausſchreitungen mehr oder weniger auf Rechnung der
Weinlaune der betreffenden Mulhelden kamen; die
Vein-Buffets der verſchiedenen Dampfer machten heute
Vormittag rieſige Geſchäfte.

Das erſte Signal, daß das franzöſiſche Geſchwader
in Sicht gekommen, war bereits gegen neun Ubhr früh
von Kraznaja Gorka bei Orauienbaum gegeben worden,
wo der Beobachtung wegen ein Feſſel⸗Ballon aufge-
ſtiegen war. Auf dieſe Meldung hin war von Kroͤn⸗
ſtadt aus der. Dampfer Onega mit dem Caͤpitaͤn


Agenten Voilenu an Boͤrd dem Geſchivader entgegen-
gefahren. Beide Offiziere gingen dann an Bord des
franzbſiſchen Ndmiraljcdhiffes Marengo, wo Capitän
Skrydlow den Viee⸗Admiral Gervais im Namen des
in die Seele tief hinein, daß fein Sohn, pflichtvergefien in
höchſten Grade gegen die Eitern, von fDIC{)ect?I — *
* worden. Doch, er gewann feine Fajfjung bald
ieder.
„Schlimmer, laaſt Du, hätte es ausfallen konnen!“ rief
er und in feiner Stimme HNang Sorn und Schmerz. „S{t
e8 denn nicht ſchlimm genug, wenn mein Sohn all’ meinen
Befehlen und Ermahnungen zum Trog diefem. Frauen-
zimmer nachläuft, dadurch die Siferfucht eines Miederlichen
WeltläuferS aufgeftachelt und im Tanzaewühl: faft die Beute
des Igi?‘eß wird? Sage Heinrich ift-das nicht jOlimm
genug ?
Heinrich antwortete nicht. Er fühlte nur zu ſehr die
Vahrheit dieſer Worte Lisbeth faß aͤtchaͤd 8 2
Stuhle und rang die Hände.

„Und dann,“ fuhr mit erhöbtem Ernſte der Müller
fort,. wenn ich bedente daß dasjenige, was Du das
Solimmite nennit, dex Tod eingefreien wäre, vielleicht
plößlih — Iag ja_doch das Lebem meines unglüclihen
Sohnes auf der Spige einer Schufterkneipe — welch’ ein
Sterben des? Unter welchen Umitänden ?. Welch” ein Hin-
gang vor den höchſten Richter im ſelben Momente, in wel-
dem er mehrere Geſete dieſes UNerhöchjten frevelnd mif -
Hüßen trat!! O Heinrich, diefer Gedanfe macht mich er-
heben bis in die innerſten Fajern meines gläubigen Her-
zens! Wahrlich, wenn ich nur dem natürlichen Zuge mei:
ner erregten Natur hier folgen wollte, ich würde foldh’ ein
Kind veritoßen.“ *

Ein jäher Aufſchrei ſeiner Tochter unterbrach den er-
* * *— 8 —— ſprich doͤch
nicht ſolch' harte Warte VBerzeihe ihm noͤch einmal. Er
wird jeßt ja doch endlich bekehrt fein.“

„Ein Zug tiefer Wehmuth legte ſich in das Weſen des
Müllers, indem er jetzt fprach! Betehrt fein? Gebe das
der Liebe Hott! Wie gerne woilte ich Alles verzeihen. Aber,
— ‚aber,-ich zweifle noch. —

Gortſetzung folgt.)






 
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